Die DIN 18008
Aktueller Stand der EntwicklungenParallel mit dem Erscheinen der einzelnen Teile von DIN 18008 und schließlich zu deren bauaufsichtlicher Einführung wurden Beiträge zur Erläuterung und Diskussion veröffentlicht. Dieser Beitrag gibt einen Überblick, welche Änderungen durch die aktuelle Überarbeitung der Teile 1 und 2 diskutiert werden und voraussichtlich zu erwarten sind.
Alle fünf Jahre ist bei Normen zu überprüfen, ob Aktualisierungen – beispielsweise durch geänderte Bezugsnormen – nötig sind und dementsprechend eine Überarbeitung angegangen werden soll. Teile 1 und 2 der DIN 18008 sind im Dezember 2010 veröffentlicht, Teile 3, 4 und 5 im Juli 2013. Insofern stand Ende letzten Jahres eine entsprechende Überprüfung für die Teile 1 und 2 an, der zuständige Arbeitsausschuss hat die Notwendigkeit einer Überarbeitung festgestellt und bereits daran gearbeitet. Neben Anpassungen von Normverweisen und redaktionellen Verbesserungen werden auch inhaltliche Änderungen angegangen. Dabei fließen selbstverständlich auch die Erfahrungen und Diskussionen aus der praktischen Anwendung seit der bauaufsichtlichen Einführung mit ein.
Redaktionelle Verbesserungen
Neben einer stringenten Anordnung von Textteilen (so gilt die aktuell noch in Teil 2 angesiedelte Unterscheidung in Horizontal- und Vertikalverglasung allgemein, d.h. auch für Teil 3, und ist dementsprechend besser in Teil 1 aufgehoben) soll zur Sicherstellung einheitlicher Interpretation in Teil 1 ein Anhang zur Erläuterung der Bezeichnungen von Glasprodukten ergänzt werden – selbstverständlich ohne im Widerspruch zu stehen mit den Normen der Glasprodukte. Diese Bezeichnungen werden dann in Teil 1 und 2 sowie 6 konsequent einheitlich angewandt, für Teile 3, 4 und 5 sollen mittels einer Referenztabelle die dort verwandten Bezeichnungen klargestellt werden.
Ausweitung des Anwendungsgebiets
Das Spektrum der durch die DIN 18008 abgedeckten Glasdicken soll von 3 bis 19 mm auf 2 bis 25 mm ausgeweitet werden; da die zulässigen Toleranzen der Materialdicke bei dünnen Gläsern relativ größere Auswirkungen haben können, ist gleichzeitig eine Anpassung der
Teilsicherheitsbeiwerte auf Materialseite nötig. Für Teil 2 soll die Einschränkung auf ebene Verglasungen entfallen: Eine Bemessung nach DIN 18008 ist prinzipiell auch für nicht ebene Geometrien möglich. Solange keine Normen für ein Bauprodukt „gebogenes Glas“ vorliegen, sind die Nachweise zur Verwendbarkeit des Bauproduktes davon unabhängig vom Anwender, beispielsweise durch Zulassungen, zu erbringen.
Auch die Anforderung der linienförmigen Lagerung an mindestens zwei gegenüberliegenden Rändern wird aufgeweitet: So können zukünftig beispielsweise auch Vertikalverglasungen mit Lagerung nur an unterer und einer vertikalen Kante (z.B. Balkontrennwand) in Übereinstimmung mit der DIN realisiert werden. Außerdem soll die in Teil 4 bei Absturzsicherungen der Kategorie B ohnehin genannte einseitige Einspannung allgemein möglich werden.
Die Diskussionen sind noch nicht abgeschlossen, inwieweit und mit welchen Ergänzungen die DIN 18008 zukünftig auch für nichttragende innere Trennwände oder auch bewegliche Wände bzw. Wandelemente anwendbar sein kann.
Klarstellung der Anforderungen für Bauprodukte
Im Fall, dass für Bauprodukte die Anforderungen in harmonisierten europäischen Normen nicht das eigentlich geforderte Sicherheitsniveau sicherstellen können, sollen bauartspezifische Anforderungen definiert werden.
Vereinfachte Nachweise für Mehrscheiben-Isolierglas
Gerade im Bereich der Nachweise von kleineren Mehrscheiben-Isoliergläsern – wobei unter „kleiner“ hier bis 1,6 m² zu verstehen ist – gab es in der Vergangenheit Diskussionen zur Anwendbarkeit der DIN 18008. Dies war begründet in der Umstellung der Nachweise vom globalen Sicherheitskonzept auf das Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte und nicht angepassten Teilsicherheitsbeiwerten; die Ursache kann darin gesehen werden, dass die sog. Klimalasten als sehr spezifischer Lastfall im allgemeinen Konzept der Eurocodes (auf die ja hinsichtlich Bemessungskonzept und Lastannahmen zurückgegriffen wird) nicht bedacht waren. Es wurde in der DIN 18008 zwar aus der TRLV die Freistellung von Nachweisen übernommen, es zeigte sich jedoch, dass dies in der Praxis aus verschiedenen Gründen nicht ausreicht: Zum einen sind die durch die gleichzeitig als Anwendungsvoraussetzungen genannten Randbedingungen wie Scheibendicken, Scheibenzwischenraum und Windlast mittlerweile üblichen Fälle – insbesondere bei Dreifach-Isolierverglasungen – nicht abgedeckt. Zum anderen ist es eine unbefriedigende Situation, wenn Gläser verbaut werden dürfen, die rechnerisch nicht nachweisbar sind, praktisch aber in einer Vielzahl – aber eben nicht allen – Fällen schadensfrei bleiben, und in Fällen des Auftretens von Glasbruch die Schadensfolge überschaubar ist.
Um diesen Widerspruch aufzulösen, hat sich der Normenausschuss auf ein mehrstufiges Verfahren verständigt, mittels dessen Mehrscheiben-Isolierverglasungen nachgewiesen werden können. In einem ersten Schritt werden die Nachweise wie für alle Verglasungen geführt. Bei Mehrscheiben-Isolierverglasungen bis zu einer Größe von 2 m² darf in einem zweiten Schritt der Nachweis der Tragsicherheit mit auf 1,0 reduzierten Teilsicherheitsbeiwerten für klimatisch induzierte Beanspruchungen geführt werden (Höhenunterschied zwischen Produktions- und Einbauort, Temperaturunterschied sowie meteorologische Druckunterschiede zwischen Produktion und Bemessungssituation). Sollten auch diese Nachweise nicht erfüllt sein, so ist in einem dritten Schritt unter Annahme von rechnerischem Glasbruch der schwächsten Scheiben (d.h. gedanklich sind die schwächsten Gläser infolge Klimalasten gebrochen und dadurch die Klimalasten dann abgebaut) die verbleibende Einfachglasscheibe unter üblichen Einwirkungen wie Wind oder Schnee nachzuweisen. Um abschätzen zu können, wie groß das Risiko eines Glasbruchs ist, muss bei Anwendung von Schritt zwei oder drei in einem weiteren Schritt ein Nachweis der Gebrauchstauglichkeit auf Spannungsniveau geführt werden; dazu sind die Teilsicherheitsbeiwerte der Einwirkungsseite zu 1,0 und auf der Materialseite zu 1,2 zu setzen. Das Vorgehen ist begründet in der vergleichsweise reduzierten Schadensfolge bei Bruch einer einzelnen Scheibe von Mehrscheiben-Isolierverglasung infolge Klimalasten: Wegen der umlaufenden Versiegelung und begrenzten Größe kann eine größere Eintretenswahrscheinlichkeit akzeptiert werden. Vergleichsrechnungen haben gezeigt, dass damit die in der Praxis bewährten Abmessungen nachweisbar sind, bei kritischen Formaten jedoch eine Sensibilisierung oder Warnung durch den Gebrauchstauglichkeitsnachweis auf Spannungsniveau gegeben wird. Auf dieser Basis wären dann auch Berechnungen für eine Typenstatik einfach zu erstellen.
Weitere Vereinfachungen
Neben der Legalisierung, nicht lineare Berechnungen der Auswirkungen mit Bemessungswerten der Einwirkungen durchführen zu können, soll die allgemeine Durchbiegungsbegrenzung liniengelagerter Verglasungen von 1/100 der Spannweite für Verglasungen mit einer Fläche von maximal 2 m² auf 1/65 der Spannweite vergrößert werden.
Nachdem die Diskussionen noch nicht abgeschlossen sind, können die oben genannten Erweiterungen oder Erleichterungen aktuell lediglich im Einzelfall und noch nicht allgemein angewendet werden. Auch ist im weiteren Normungsverfahren zunächst eine Entwurfsfassung und Einspruchssitzung abzuwarten, bis schließlich ein „Weißdruck“ als Basis für eine bauaufsichtliche Einführung zur Verfügung steht. Bis dahin sind weitere Änderungen möglich. Es ist jedoch zu erwarten, dass die DIN 18008 durch die oben dargestellten Aktualisierungen zu einem Dokument mit praxisgerechten Regelungen für die Bemessung und Konstruktion von Glasbauteilen und Mehrscheiben-Isoliergläsern wird. Bedingt durch die Einbindung in das Konzept der Eurocodes wird eine Bemessung von Verglasungen einschließlich Lastermittlung und die Verantwortung dafür (einschließlich adäquater Berufshaftpflichtversicherung) auch zukünftig am sinnvollsten im Tätigkeitsfeld der Tragwerksplaner verbleiben. Verschiedene Beispiele aus der täglichen Praxis und im Zuge von Gutachten belegen leider immer wieder, dass das mehrjährige Studium und die berufsbegleitende Fortbildung von Ingenieuren nicht einfach zu ersetzen sind.
Leider fehlt noch bei einigen am Bau beteiligten Personen — einschließlich Bauherrn — das Verständnis, dass für die Realisierung von Bauaufgaben eine Aufgabenteilung verschiedener Fachleute mit adäquater Honorierung der Tätigkeiten und Übernahme von Verantwortung nötig ist.
Autor: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Geralt Siebert
Obmann des Normungsausschusses für die DIN 18008
Professur Baukonstruktion und Bauphysik
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften
Universität der Bundeswehr München
Gesellschafter des Ingenieurbüros Dr. Siebert, München
www.ing-siebert.de