VFF Jahreskongress in Bremen
„Das Passivhaus war gestern“Rund 200 Mitglieder kamen zum VFF Jahreskongress nach Bremen. Geboten waren u.a. Visionen für die Gebäudehülle, Neuigkeiten zum Thema Zahlungsverzug und Erläuterungen zum Potenzial eines Energy Labels für Fenster. Ausflüge in die Altstadt und ein Termin auf dem Golfplatz lockerten die Fachtagung auf.
„Das Passivhaus war gestern, das Gebäude der Zukunft ist Kraftwerk und zugleich E-Tankstelle, die Energieversorgung ist dezentralisiert“, so die etwas markige Einleitung von Professor Dr. M. Norbert Fisch von der TU Braunschweig. Er eröffnete das Fachprogramm mit einem Vortrag über das Aktivhaus EnergiePLUS.
Fisch hat dabei vier Punkte im Blick: Die Reduzierung des Energiebedarfs aufgrund einer optimierten Gebäudehülle, die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien, eine hohe Eigennutzungsrate und die Interaktion mit den Bewohnern beziehungsweise dem Quartiersnetz. Seine Nachricht an die Branche: „Die Bauweise der Passivhäuser ist überholt, diese Profile viel zu wuchtig – zwei Flügeltüren hintereinander zu setzen, das kann nicht die Zukunft sein.“ Den Einsatz von Vierfach-Isolierglas lehnt Fisch ab. „Die Vermeidung von Wärmebrücken, indem Material hintereinander gereiht wird, ist nicht zukunftsfähig“, stellte er fest. Die künftige Gebäudehülle ist leicht, die Profile schlank, das Material ist recyclebar und wird auf das Notwendige reduziert.
Ein AktivPLUS-Gebäude erzeugt Strom und Wärme, kann beides speichern und versorgt Gebäude und motorisierte Fahrzeuge mit Energie, angefangen beim E-Auto über den E-Roller bis zum E-Bike. Als Referenzgebäude stellte Fisch ein AktivPLUS-Mehrfamilienhaus in Frankfurt Riedberg vor, das im August 2015 fertig gestellt wird. Bauherr ist die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte, als Architekturbüro ist HHS Kassel beauftragt. Vorbildlich an dem Objekt ist beispielsweise die Vorhangfassade, in die eine PV installiert ist.
EnEV 2016 fordert neue Baukultur
Die Vorstellungen von Fisch gehen mit den Anforderungen der EnEV 2016 konform. Nach dieser muss sich der Jahresprimärenergiebedarf um 25 % reduzieren. Die Gebäudehülle in puncto Transmissionswärmeverlust, für diesen wird im Mittel je nach Gebäudetyp ein Minus von 20 % vorgegeben. Prof. Fisch hob hervor, dass nicht ein Mehr an Wand- und Dachdämmung die Lösung sein kann, um die Vorgaben zu erreichen. „Bei einer 30 cm starken Wärmedämmung (WD) für die Außenwand und 36 cm für das Dach wird mir schwindelig“, sagte er. Damit statt 30 cm auch 16 cm reichen und statt 36 cm auch 20 cm ist eine Kombination der WD mit anderen Maßnahmen nötig, beispielsweise mit einer elektrische Wärmepumpe. Für Fenster wird mit Gültigkeit der EnEV 2016 die Dreifach-Isolierverglasung mit einem Uw = 1,0 W/(m²K) und einem g-Wert = 0,5 mehr oder weniger zwingend.
Idealerweise stellt sich Fisch die Gebäudehülle der Zukunft so vor: Mit der Außenscheibe der Fassade wird durch PV-Module Strom erzeugt, im Innenraum wird eine filigrane Vakuum-Isolierverglasung mit einem U-Wert von 0,5 W(m²K) eingesetzt. Für Vakuumglas, importiert aus China, nannte Fisch einen aktuellen Quadratmeterpreis von ca. 150 Euro. Die Vakuumscheiben ermöglichen als schaltbare Verglasungen, den g-Wert und T-Wert nach Bedarf einzustellen. Vorteile der Vakuumverglasung sieht Fisch insbesondere in der Ersparnis von Platz, Gewicht und Material. Kosten für Glas und Fensterrahmen reduzieren sich, und das Vakuumglas ist gut kombinierbar mit schaltbaren Verglasungen und Beschattungssystemen. Allerdings: Zugunsten einer stärkeren Marktdurchdringung des Vakuumglases müssten zunächst internationale Qualitätsstandards geschaffen, in Europa die notwendige Produktion- und Prozesstechnik gefördert und Randverbund wie Stützen hinsichtlich Wärmebrücken optimiert werden. Zudem müssten die Hersteller eine langfristige Gasdichtigkeit gewährleisten.
„Damit wir die Energiewende schaffen, ist eine Kulturwende notwendig.“ Mit diesem Satz brachte Fisch die Änderungen für die Architektur der Gebäudehülle auf den Punkt.
Rechtliche Tipps
Prof. Christian Niemöller berichtete über einen neuen Verzugszins im Geschäftsverkehr, der vertraglich nicht unterlaufen werden darf. In seinem Vortrag erläuterte der Frankfurter Anwalt für Baurecht (siehe S. 67 seinen Beitrag zum Nachtragsmanagement) das novellierte Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. „Der neue Verzugszins lässt sich für Schuldverhältnisse anwenden, die nach dem 28. Juli 2014 entstanden sind“, erklärte er. Er fasste die wichtigsten Neuerungen zusammen: Die Erhöhung des Verzugszinses im Geschäftsverkehr ist von 8 % auf 9 % angestiegen. Dies betrifft insbesondere Geschäfte zwischen Unternehmern und Geschäfte, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Neben dem Verzugszinsanspruch beträgt die Schadenspauschale im Geschäftsverkehr 40 Euro. Hilfreich für die Seite des Auftragnehmers ist auch, dass der Anspruch auf Verzugszinsen zu Lasten des Entgeltgläubigers im Voraus grundsätzlich unabdingbar ist.
Das Energy Label
Prof. Ulrich Sieberath, Leiter des ift Rosenheim, referierte über die Ergebnisse der Studie „Zukunft Energy Label“. Nach der Auswertung ergeben sich folgende Empfehlungen: Ein Energy Label für Fenster ist prinzipiell sinnvoll. Die Angaben auf dem Etikett sollten die Parameter Heizen und Kühlen berücksichtigen. Die angegebenen Werte sollten als Einstufungen oder Klassen vergleichbar sein, Zahlenwerte sind für die Verbraucher zu wenig aussagekräftig. Als relevante Daten werden der Uw, gw und gw’t’ auf dem Label dargestellt.
Nach Abschluss der Studie ist der nächste Schritt die finale Fassung des Labels. Prof. Sieberath informierte, dass hierfür folgende vier Punkte geklärt werden müssen: Soll das Energy Label europaweit einheitlich eingeführt werden? Welche Angaben sollen zu Klimarandbedingungen gegeben werden? Wird der Energiebedarf für Heizen und Kühlen getrennt gelistet oder als Jahresenergiebedarf angegeben? Werden Sonnenschutz und Rollläden ebenfalls auf dem Label berücksichtigt?
Diese Fragen sollten möglichst bald entschieden werden. Prof. Sieberath befürwortet ein Label für die EU, zu den Klimarandbedingungen eine Angabe, der Energieverbrauch für Heizen und Kühlen sollte getrennt gelistet und der Sonnenschutz beziehungsweise die Rollläden auf dem Kennzeichen berücksichtigt werden. Der Leiter des ift riet, die notwendigen Entscheidungen möglichst schnell auf den Weg zu bringen und auf Basis der in Deutschland abgestimmten Position mit den anderen Ländern in Verhandlung zu treten.⇥ma ◊