VFF-Jahreskongress

Langfristig gute Branchenkonjunktur

Der Jahreskongress „Inside 2019“ des Verbandes Fenster + Fassade (VFF) Mitte Mai widmete sich den Themen Digitalisierung, Fachkräftemangel und Klimaschutz im Gebäudesektor. Rund 200 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung im Maritim Hotel Bad Homburg. Wir berichten in Auszügen über das Fachprogramm.

VFF-Geschäftsführer Frank Lange stellte im metallbau-Interview (Seite 6) fest: „Die Konjunkturaussichten unserer Branche sind langfristig positiv, ich würde sagen für die nächsten fünf Jahre sicherlich. Angesichts der CO2 Ziele bis 2050 und der Vision klimaneutraler Gebäude kann der Fenster- und Fassadenbau auf Jahrzehnte hinaus zur Realisierung dieser Vorstellungen einen starken Beitrag leisten.“ Dieses Statement untermauerten die Zahlen von Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Deutsche Energie-Agentur (dena) in Berlin. Seine Statistiken wiesen daraufhin, dass die energetische Gebäudesanierung deutlich beschleunigt werden muss, wenn die vorgegebenen Klimaziele erreicht werden sollen. „Die Sanierungsrate von heute rund 1 Prozent müsste auf 1,4 bis 2 Prozent erhöht werden, ansonsten würden 2050 bei einem kumulierten Bestand von 18,7 Mio. Wohngebäuden rund 8 Millionen unsaniert oder gering saniert bleiben“, berichtete Kuhlmann. Den Handlungsbedarf veranschaulichte er mit einer Grafik, die für den Gebäudesektor seit 2014 eine Stagnation hinsichtlich der Reduktion von CO2 anzeigt. Mit Umsetzung des politischen Maßnahmenpakets der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) ließen sich bis 2030 über den Gebäudebereich zusätzlich ca. 13 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das Paket setzt sich aus den drei Säulen Förderung (59,8% von ca. 13 Millionen Tonnen CO2); Beratung und Kommunikation (12,2%) sowie Ordnungsrecht (28%) zusammen. Zum Ausbau des Ordnungsrechts wird die europäische Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) beitragen, die von den EU-Ländern bis März 2020 in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Digitalisierung entlastet

Zunehmende Digitalisierung im Bauprozess von der Planung über die Bauphase bis zur Nutzung und Wartung und zugleich ein extremer Fachkräftemangel bei guter Baukonjunktur charakterisieren die Situation der Fenster- und Fassadenbranche. Zum Thema „Digitalisierung des Fenster- und Fassadenbauprozesses“ referierte Prof. Dr. Winfried Heusler von Schüco International. Seiner Ansicht nach rückt die Digitale Transformation die prozessorientierte Organisationsstruktur und einen maximalen Kundennutzen in den Fokus; mehr Transparenz, Dialog und Vertrauen präge künftig die Unternehmenskultur.

Heusler sah den zunehmenden Einsatz von Robotern und Algorithmen ohne große Vorbehalte als willkommene Entlastung bei semiautomatischen Prozessen und verwies auf die zukünftig komplett vernetzte Kette aller Akteure im Bauprozess. Mit der Arbeitsweise in BIM — ein Beispiel für eine geschlossene digitale Kette, die angefangen bei der Projektdefinition über die –planung und –realisierung bis hin zur Bewirtschaftung des Gebäudes und den Abbruch mit Rückbau alle Phasen eines Gebäudezyklus umfasst — werden signifikant Kosten, Termine und die Qualität des Objekts optimiert. Bei der Frage der Optik, die kostengünstig vom Typenbau mit vorgefertigten Modulen und kostenaufwändig von individuellen maßgeschneiderten Bauten beantwortet wird, sieht der Branchenexperte durch die Digitalisierung eine Annäherung. „Die Digitalisierung ermöglicht ein maßgeschneidertes Bauen, das analog unbezahlbar geblieben wäre“, so Heusler.

Bestandsaufnahme Digitalisierung

Christian Anders von dem zur Hilzinger Gruppe gehörenden Unternehmen Anders Metallbau in Fritzlar widmete sich der Frage: Wo steht die Branche mit der Digitalisierung? Seine Bestandsaufnahme zeigte das Spektrum der digitalen Möglichkeiten für Metallbau-/Fassadenbauunternehmen. Nach den gezeigten Erhebungen ist die Vernetzung der verschiedenen Systeme der EDV mit einem Einführungsgrad von ca. 50% im Vergleich zur Vernetzung der Maschinen sowie Anlagen (25%) fortgeschrittener. Es sei eine klare Tendenz zum Einsatz von PPS-Systemen und der Entwicklung hin zur Smart Factory auszumachen.

Aus Perspektive des gesamten Potenzials der digitalen Vernetzung bilanzierte Anders einen Einführungsgrad von ca. 15% für die Branche. Mit selbstlernenden Systemen (Künstliche Intelligenz/KI) hat sich gemäß seiner Übersicht der Fenster- und Fassadenbau bislang nur wenig bis gar nicht beschäftigt. Klare Vorteile der Nutzung von KI könnte sein: Prozess- und Ressourcenoptimierung sowie Fehlervermeidung.

BIM & Vertragsrecht

Obligatorisch zum Thema Digitalisierung gehört die Entwicklung der BIM-Arbeitsweise. Wenngleich VFF-Geschäftsführer Frank Lange skeptisch ist, ob diese für kleine Handwerksbetriebe überhaupt kommt, beschäftigen sich doch rund 50 Prozent der VFF-Mitgliedsunternehmen, die im Projektgeschäft tätig sind, mit BIM (Building Information Modeling). „Im Projektgeschäft wird BIM, wie es im Moment aussieht, unausweichlich kommen“, konstatierte Lange.

Prof. Christian Niemöller von der Frankfurter Kanzlei SMNG zeigte in seinem Vortrag auf, welche rechtlichen Herausforderungen das Digitalisierungsprojekt BIM für alle Baubeteiligten mit sich bringt. Dabei ging er u.a. auf Vergütung, Haftung und Urheberrecht ein. Zudem könnte in punkto BIM künftig in vielen Fällen der im deutschen Recht unübliche Mehrparteienvertrag sinnvoll sein. Die Veröffentlichung des VFF-Merkblatts zur BIM-Arbeitsweise ist noch für dieses Jahr geplant. ⇥ sm ◊

Der nächste VFF-Kongress findet am 13. und 14. Mai 2020 in Düsseldorf statt.

Das Fachmagazin metallbau wird in der Ausgabe vom Oktober in Fortsetzung der Rechtsserie von Prof. Niemöller wesentliche Inhalte des Vortrags als Fachbeitrag veröffentlichen.

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