Zwischen Betrieb und Hochschule

Verbundstudium Stahl – Metall – Glas

Duale Studiengänge stellen eine gelungene Kombination von theoretischem Lernen an der Hochschule und praktischer Ausbildung im Betrieb dar. ­metallbau stellt in loser Folge verschiedene Angebote an deutschen Hochschulen vor, beginnend mit der Hochschule München.

Seit dem Wintersemester 2013/14 bietet die Hochschule München an der Fakultät für Bauingenieurwesen erstmals das Verbundstudium Stahl – Metall – Glas an. Verantwortlich dafür ist Dr. Jörg Ansorge, Sprecher der Studienrichtung Stahlbau und Professor für die Fachgebiete Stahlbau und Stabilität. Das Studienangebot verbindet eine betriebliche Ausbildung mit einem Bachelorstudium. Grund für den neuen Ausbildungsgang ist ein zunehmender Bedarf an akademisch ausgebildeten Fachkräften im Bereich Metallbau. „Mich erreichten regelmäßig Anfragen von Stahlbaubetrieben aus dem ganzen Bundesgebiet nach einer akademischen Ausbildung mit Schwerpunkt Stahlbau. Oft waren dies auch Familienbetriebe, in denen schon die Eltern im ehemaligen Studiengang Stahlbau studiert haben und nun die nächste Generation eine Ausbildung anstrebt“, berichtet Ansorge.

Als weiteren Grund für den Wunsch nach einem dualen Studium sieht Ansorge den Wegfall des ersten, praktischen Studiensemesters und dessen Ersatz durch ein sechswöchiges Vorpraktikum: „Mit dem Verbundstudium kommt man dem Ideal, den Beruf von der Pike auf zu lernen, wieder nahe.“ Anders als bei herkömmlichen Studiengängen steht bei dem Verbundstudium die intensive Verknüpfung von Theorie und Praxis im Mittelpunkt. Die Studierenden absolvieren zunächst den ersten Teil der Ausbildung im Betrieb. Der Besuch der Berufsschule erfolgt freiwillig. Erst nach einem Jahr, im Oktober 2014, beginnt dann das eigentliche Studium in München. In der vorlesungsfreien Zeit und nach dem vierten Fachsemester steht wieder die Ausbildung im Betrieb an, gefolgt von der Gesellenprüfung nach dreieinhalb Jahren. Ein weiteres Jahr später erwerben die Studierenden den Abschluss Bachelor of Engineering (siehe Studienablauf). Sie werden damit zu Bauingenieuren mit einer vertieften Ausbildung in den stahlbaulichen Fächern und erwerben die Bauvorlageberechtigung. Inhaltlich umfasst das Studium u.a. die Bereiche Bauordnungs- und Bauvertragsrecht, Stahlbau und Stabilitätslehre, Grundlagen der Werkstoff- und Schweißtechnik oder Grundlagen der Fassadentechnik und des Glasbaus.

„Erfahrungsgemäß sind Studierende, die gleichzeitig eine Berufsausbildung und ein Studium bewältigen, besonders motiviert, engagiert und leistungsfähig“, berichtet Ansorge. „Die Belastung für die Studierenden ist zwar höher, allerdings besteht für sie wiederum finanzielle Sicherheit, die Zeit für intensives Studieren schafft.“ Dafür sorgen die beteiligten Unternehmen, die den dual Studierenden ein Gehalt zahlen.

Von dem Verbundstudium sollen nicht nur die Studierenden profitieren, sondern auch der universitäre Betrieb. Ansorge: „Wir versprechen uns Impulse für die Lehre und die Anwendungsforschung durch Fragen aus der Praxis, die über die Studierenden direkt an uns herangetragen werden können.“ Im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau und im Kompetenzzentrum Kleben werden interessierte Studierende an aktuelle Forschungsthemen herangeführt und finden so Aufgabenstellungen für ihre Bachelor- und Masterarbeiten. Ein weiterer Schwerpunkt besteht durch die Stiftungsprofessur Glas- und Fassadenbau.

Gestiegene Anforderungen. Einer der beteiligten Betriebe ist die Firma Franz Kassecker. Das Unternehmen aus Waldsassen mit rund 450 Mitarbeitern ist in den Geschäftsfeldern Stahl- und Metallbau, Hoch- und Industriebau, Tiefbau sowie Bahn- und Ingenieurbau tätig. „Der Bedarf an akademisch gebildeten Mitarbeitern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, berichtet Bernd Fürbringer, der kaufmännische Geschäftsführer. „Diese Entwicklung ist der Globalisierung der Märkte geschuldet.“ Viele der Vertragswerke sind inzwischen in englischer Sprache verfasst und bei Projekten sind umfangreiche Dokumentationen vorgeschrieben. „Ein Vertrag per Handschlag, wie es früher üblich war, geht heute nicht mehr“, betont Fürbringer. „Wir benötigen Fähigkeiten wie analytisches und kritisches Denken, um die Projekte zu verstehen und umzusetzen.“ Im Unternehmen hat man bereits sehr gute Erfahrungen mit dualen Studiengängen gemacht. „Wir bieten schon seit zwei Jahren zum Beispiel die Ausbildung zum Technischen Zeichner an, verbunden mit dem Studiengang Bauingenieurwesen“, berichtet Fürbringer. „Die dualen Studiengänge sind Teil unseres mittelfristigen Personalaquisitionprogramms.“ An dieser Art der Ausbildung schätzt er besonders, dass die Studierenden sowohl ihr Handwerkszeug beherrschen als auch das klassische Theoriewissen aus dem Hochschulstudium erwerben. Damit verbunden sind analytische Fähigkeiten, kritisches Denken und die eigenverantwortliche Informationsbeschaffung. „In Kombination ist das eine sehr gute Geschichte“, betont Fürbringer.

Weitere Gründe, um das duale Studienangebot auszubauen, sind sowohl der demografische Wandel als auch die Standortsituation. So werden in absehbarer Zeit aus Altersgründen zahlreiche Führungskräfte ausscheiden, weswegen rechtzeitig für Nachwuchs gesorgt werden muss. Eine ähnliche Entwicklung konnte auch Ansorge schon in den bisherigen Studiengängen im Bereich Bauingenieurwesen beobachten: „Viele Studierende haben bereits in den letzten Semestern eine feste Stellenzusage – und tauchen damit als Bewerber gar nicht mehr auf. Parallel zum Studium arbeiten sie oft schon als Werkstudenten in Ingenieurbüros. Die Prognosen gehen nach wie vor von einem großen Bedarf an Nachwuchs aus.“

Zudem sei die Lage in der nördlichen Oberpfalz beim Werben um akademische Fachkräfte nicht unbedingt ein Pluspunkt, berichtet Fürbringer. Dem lässt sich durch das duale Studium gegensteuern: „Viele der Kandidaten für das Studium kommen hier aus der Region, sind sehr heimatverbunden und bleiben danach gerne in der Gegend“, weiß Fürbringer. Dabei haben aber auch ortsfremde Bewerber eine Chance.

Eine direkte Verpflichtung, nach dem Studium im Unternehmen zu bleiben, besteht nicht. „Eine Bindung ans Unternehmen durch vertragliche Klauseln ist arbeitsrechtlich nicht haltbar“, erklärt Fürbringer. Er setzt stattdessen auf eine andere Taktik. „Wir wollen den Studierenden die Tätigkeit im Unternehmen durch ein gutes Betriebsklima und eine aussichtsreiche betriebliche Zukunft so schmackhaft machen, dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen, zu wechseln.“

Gute Zusammenarbeit. Von den 42 Auszubildenden im Betrieb absolvieren acht ein duales Studium, darunter auch Kevin Puss. Er ist gerade in der Ausbildungsphase und wird im Oktober 2014 dann das Studium in München aufnehmen. Ausschlaggebend für ihn waren die Aussichten auf praktische Erfahrung in der Konstruktion und gleichermaßen theoretisches Wissen. Als Vorteile sieht er das schnellere Lernen, mehr Fachwissen sowie die Nähe zur Fertigung. Durch Ferienarbeit hatte er früher schon die Möglichkeit, das Unternehmen kennenzulernen.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und der Hochschule hat Andreas Eckert initiiert. Der Leiter der Stahlbauabteilung bei Kassecker hat selbst in München studiert und pflegt weiterhin den Kontakt zu der Bildungseinrichtung: „Wir haben regelmäßig telefonisch und per E-Mail Kontakt mit der Hochschule und auch persönliche Treffen fanden statt.“

Bei der Planung des Studiums waren neben der Universität auch Unternehmen und die Industrie- und Handelskammern beteiligt. „Durch intensive Gespräche haben wir bereits im Vorfeld versucht, mögliche Schwierigkeiten auszuräumen“, berichtet Professor Ansorge. „Sollten sich im laufenden Betrieb Probleme ergeben, beispielsweise bei Prüfungsterminen, werden wir diese auf kurzem Weg im direkten Kontakt lösen.“

Nach dem erfolgreichen Abschluss besteht für die Studierenden, neben der beruflichen Karriere, auch die Möglichkeit, das Studium noch fortzusetzen. „Als nächster Schritt wäre ein Masterstudium, beispielsweise Stahlbau und Gestaltungstechnik, in 3 Semestern Vollzeit oder in 5 Semestern Teilzeit möglich“, erläutert Professor Ansorge. „Daran lässt sich auch eine Doktorarbeit anschließen. Es gibt aktuell drei Doktoranden, die den Master sehr erfolgreich abgeschlossen haben und jetzt eine Promotion anstreben.“

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