Prof. Isabelle Simons, DHBW
„Wir vergeben jährlich 30 bis 40 Plätze!“Prof. Dr.-Ing. Isabelle Simons leitet das anwendungsorientierte Masterstudium Bauingenieurwesen an der Dualen Hochschule Mosbach. Die Unternehmen, mit denen die Studierenden einen Vertrag abschließen, kommen aus der Bundesrepublik und den Anrainerstaaten. Im letzten Studienjahr werden reale Fassadenprojekte umgesetzt, relevante Themen sind angewandte Baustatik, Konstruktiver Ingenieurbau und Projektmanagement in der Fassadentechnik. Das Studium berücksichtigt alle Rahmenmaterialen, der Schwerpunkt liegt auf Aluminium und Glas.
metallbau: Wie groß ist das Interesse am Studiengang Fassadentechnik?
Isabelle Simons: Wir haben jährlich etwa 90 Anfragen von dualen Partnern für Studienplätze im Bereich Fassadentechnik. Tatsächlich vergeben wir zwischen 30 und 40 Plätze pro Jahr. Grundsätzlich können wir fast allen dualen Partnern eine Zusage erteilen, da nicht jeder Partner letztendlich einen geeigneten Studierenden findet. Die eigentliche Herausforderung liegt also darin, motivierte Kandidaten für dieses spezielle Studium zu gewinnen.
metallbau: Wie läuft die Bewerbung für Interessierte ab?
Simons: Der Weg führt in der Regel über die dualen Partner. Diese müssen anderthalb Jahre im Voraus einen Studienplatz bei uns anfragen und reservieren. Nach unserer Platzzusage können sie dann einen geeigneten Studierenden suchen. Wir führen auf unserer Website eine Liste aller dualen Partner mit verfügbaren Plätzen. Interessierte können sich dort direkt bei den Unternehmen bewerben.
metallbau: Welche Voraussetzungen müssen Bewerber mitbringen?
Simons: Die Zugangsvoraussetzungen sind vielfältig. Neben dem klassischen Weg über das Abitur gibt es verschiedene andere Möglichkeiten. Beispielsweise können Interessierte mit Berufserfahrung über einen Eignungstest ins Studium einsteigen. Auch mit einem Meisterabschluss ist der Zugang möglich. Etwa 15-20 Prozent unserer Studierenden haben bereits eine Berufsausbildung absolviert. Das ist oft von Vorteil, da sie das Metier und die Arbeitsweise der Unternehmen bereits kennen.
metallbau: Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Studium?
Simons: Wir haben bereits 2011 begonnen, 3D-Programme in die Ausbildung zu integrieren – zu einem Zeitpunkt, als dies in vielen Metallbauunternehmen noch keine große Rolle spielte. 2016/2018 haben wir dann Building Information Modeling (BIM) und Revit eingeführt. Die Studierenden arbeiten mit verschiedenen fassadenspezifischen Programmen wie Logical, Invento, Athena und AutoCAD. Uns ist wichtig, dass wir die technologischen Entwicklungen der Branche frühzeitig im Lehrplan abbilden.
metallbau: Wie stehen Sie zur digitalen Lehre?
Simons: Trotz der Vorteile wie wegfallende Anfahrtswege bin ich für die Grundausbildung ein klarer Gegner der rein digitalen Lehre. Mir ist wichtig, dass die jungen Menschen vor Ort sind, sich im Team entwickeln und soziale Kompetenzen aufbauen. Sie sollen hier einen echten Lern- und Ausbildungsort haben. Die Teamfähigkeit und das Sozialverhalten sind mindestens genauso wichtig wie die fachliche Qualifikation.
metallbau: Welche didaktischen Konzepte kommen zum Einsatz?
Simons: Wir setzen auf eine Mischung verschiedener Lehrmethoden. Am Anfang des Studiums überwiegen klassische Vorlesungen mit Impulsvorträgen zur Vermittlung des Grundlagenwissens. Im Verlauf des Studiums nimmt dann der Anteil an Gruppenarbeiten und eigenständigen Projekten zu. Mit Kursgrößen von 30 bis 40 Studierenden können wir sehr individuell auf jeden Einzelnen eingehen.
metallbau: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Simons: Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. Wir arbeiten hier eng mit dem Verband AUF zusammen, der auch einen Nachhaltigkeitspreis auslobt. Die Studierenden beschäftigen sich intensiv mit Themen wie Kreislaufwirtschaft und Recycling von Aluminium. Sie lernen, wie Gebäude nachhaltig gebaut oder umgebaut werden können und welche Materialien sich dafür eignen. Wir wollen sie dafür sensibilisieren, dass Nachhaltigkeit in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird – sowohl wirtschaftlich als auch unter Umweltaspekten.
metallbau: Wie international ist der Studiengang ausgerichtet?
Simons: Wir arbeiten seit zwei Jahren intensiv an der Internationalisierung des Studiengangs. Unser Ziel ist es, ein paralleles englischsprachiges Semester anzubieten und den internationalen Austausch zu fördern. Aktuell bilden wir vor allem für den deutschsprachigen Raum aus, haben aber auch Studierende und Partnerunternehmen aus Südtirol. Die Internationalisierung ist ein wichtiger Baustein für die Zukunft, auch wenn die Finanzierung solcher Programme natürlich eine Herausforderung darstellt.
metallbau: Wie praxisnah ist das Studium gestaltet?
Simons: Das duale Studium wechselt zwischen Theorie- und Praxisphasen. Zu Beginn sind die Theoriephasen etwas länger, damit wir im vierten Semester eine sechsmonatige Praxisphase auf der Baustelle ermöglichen können. Im letzten Studienjahr gibt es ein besonderes Projekt: Die Studierenden gründen eine fiktive Firma, bestimmen einen Projektleiter und entwickeln komplette Konzepte – von der Logistik über die konstruktive Ausbildung der Fassade bis hin zur Wirtschaftlichkeit.
metallbau: Wie breit ist das Netzwerk der dualen Partner?
Simons: Unsere Partnerunternehmen kommen aus ganz Deutschland – von Sankt Peter-Ording über Berlin bis nach Regensburg. Diese breite geografische Streuung zeigt die Attraktivität des Studiengangs und ermöglicht den Studierenden, in ihrer jeweiligen Region zu bleiben.
metallbau: Welche Materialien stehen im Fokus?
Simons: Unser Schwerpunkt liegt klar auf Aluminium und Glas. Natürlich behandeln wir auch andere Materialien wie Kunststoff und zunehmend auch Holz, aber der Hauptfokus bleibt bei Aluminium-Glas-Konstruktionen.
metallbau: Wie sind die Berufschancen nach dem Studium?
Simons: Die Absolventen sind sehr gefragt. Ich kenne keinen einzigen, der arbeitslos ist – trotz der aktuellen Baukrise. Etwa 80 Prozent der Studierenden schließen das Studium erfolgreich ab. Wir haben bewusst hohe Anforderungen, denn die Baubranche ist anspruchsvoll und der spätere Druck im Beruf erheblich. Die meisten bleiben bei ihren dualen Partnern, und selbst diejenigen, die wechseln, finden sofort neue Möglichkeiten.
metallbau: Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
Simons: Nach dem Bachelor können die Absolventen direkt in den Beruf einsteigen oder einen Master anschließen. Etwa die Hälfte entscheidet sich für ein Masterstudium. An unserer Hochschule bieten wir Masterstudiengänge in den Bereichen Facility Management, Infrastrukturmanagement und Konstruktives Engineering an – ebenfalls dual. Für eine fassadenspezifische Masterausbildung können die Absolventen nach Rosenheim wechseln.
metallbau: Sie sind eine der wenigen Frauen in einer technischen Führungsposition. Wie kam es dazu?
Simons: Das liegt wohl in meiner Familie begründet. Mein Vater war Ingenieur, mein Onkel ebenfalls, und sie waren alle sehr handwerklich begabt. Mein Vater hat nie zwischen Mädchen und Jungen unterschieden. Ich hatte schon immer eine technische Begabung, besonders in Mathematik. Ursprünglich wollte ich Pharmazie studieren, aber durch verschiedene Umstände bin ich beim Bauingenieurwesen gelandet. In meiner Karriere wurde ich immer gefördert, auch wenn man als Frau in dieser Branche manchmal anders auftreten muss. Aber mit Leistungsbereitschaft und Durchhaltevermögen kann man sich durchsetzen.