Frauenpower bei umetec
Stahlbauerin setzt auf InnovationFäden ziehen Frauen im Metallbau meist im Hintergrund, anders bei der Firma umetec in Eberswalde. Beim Unternehmerehepaar Alexandra und Mark Walter führt jeder einen Betrieb. Herr Walter managt die Firma ESB Energieservice Barnim und Frau Walter umetec. Gemeinsam mit ihren 47 Mitarbeitern setzt sie auf Innovationen im Zeichen der Energiewende, Kommunikation und Teamwork.
Den Startschuss im Jahr 2004 und den Aufbau von umetec hatte das Unternehmerehepaar gemeinsam gestemmt, seit 2017 führt Alexandra Walter auf Wunsch ihres Ehemanns alleinverantwortlich die Geschäfte. Für die Umstellung hatte sie ein halbes Jahr Zeit. „In einer Branche, die Männer dominieren, muss man sich als CEO Respekt verschaffen“, kommentiert sie kurz. „Und muss etwas, geht es auch.“ Schlussendlich ist eine Geschäftsführerin mit blonden, langen Haaren und selbstbewusstem Auftritt in der metallverarbeitenden Branche so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal. „Die Männer erinnern sich schneller an einen…, über die Jahre ist das ein klarer Vorteil.“
In Sachen Technik lässt sich die Betriebswirtin von ihrem Team beraten. „Ich habe gute Leute mit hoher Fachkompentenz, im Zweifel lasse ich mir mal etwas erklären; das steht nicht im Widerspruch dazu, dass ich die richtungsweisenden Entscheidungen treffe.“
Pandemie oder Ukraine-Krise — der Zeitgeist fordert zusätzlichen Aufwand, nicht nur die Hygienevorgaben im Kampf gegen das Covid-19-Virus sind kosten- und zeitaufwändig auch die Berücksichtigung von Preisgleitklauseln im ERP-System. Im Juni 2022 hat wegen fortlaufender Preissteigerungen ein Angebot nur noch eine Woche lang gegolten, früher waren es sechs. Dennoch, Einbußen musste umetec bislang nicht verkraften. „Unser Jahresumsatz ist 2021 um ca. 40% gestiegen, die Hälfte davon ist Preiserhöhungen geschuldet, die andere Hälfte der steigenden Nachfrage“, sagt Alexandra Walter.
Werte wie Verbindlichkeit lässt umetec von Pandemie und Krieg nicht in Frage stellen. Industriekunden wie Enercon oder Siemens Gamesa sind von verlässlichen Lieferanten abhängig. „Die Wirtschaft würde ja sonst zusammenbrechen“, lacht sie auf und weist auf betriebliche Anpassungen hin. So ist beispielsweise die Liste der Zulieferer etwas länger geworden. „Fortschritte bei den Bestellabläufen und in der Arbeitsvorbereitung haben uns geholfen, weiter im gewohnten Tempo zu produzieren.“ Termintreue steht bei Industriekunden mit an erster Stelle.
In Brandenburg Eberswalde zuhause, mit dem Abschluss Dipl. Betriebswirtin an der örtlichen Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) qualifiziert, hat Alexandra Walter die Produktion ihres Betriebs am Energiewandel ausgerichtet. Den Kontakt zur Hochschule pflegt sie durch diverse Kooperationen. „Manche unternehmerische Entwicklung wäre ohne Vorleistung und Support der Forschung nicht umsetzbar“, konstatiert sie. Für die digitale Transformation arbeitet sie zudem mit der Technischen Hochschule Wildau und dem Mittelstand Kompetenzzentrum 4.0 zusammen. „Zur Umsetzung einer vernetzten Infrastruktur brauchen wir Hochschulen und staatliche Förderungen, wir können diese Technologien nicht neben dem Tagesgeschäft implementieren“, sagt sie und unterstreicht nochmals: „Wir haben nicht die Zeit, uns das Fachwissen anzueignen, welche Programme praktikabel sind und wie sich eine interne Vernetzung effizient einrichten lässt.“
Markt mit erneuerbaren Energien
Rund 60% des Umsatzes erwirtschaftet umetec mit Stahlelementen für Windkraftanlagen. „Sonderbauteile, Serienfertigungen – wir produzieren alles, was in den Turm oder die Gondel einer Windanlage eingebaut wird“, so Alexandra Walter. „Insgesamt verarbeiten wir im Monat ca. 100 Tonnen Stahl.“
Auf den bundesweiten Ausbau der Windkraft stellt sie sich heute schon ein. Sie lobt die Berliner Politik, die „bürokratische Hürden für den Bau von Windkraftanlagen abbaut, Genehmigungsverfahren beschleunigt, Flächenregelungen schafft und Quoten für die Bundesländer auf den Weg bringt.
Noch in diesem Jahr wird mit der Erweiterung der drei Betriebsgebäude auf dem Firmengelände im Technologie- und Gewerbepark begonnen. Geplant ist eine Logistikhalle – die Betriebsfläche in dem weitläufigen Industriegebiet ist groß genug für den Ausbau. Bis Mitte 2023 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen und ein neuer Trumpf Profillaser implementiert sein. Die Investitionen werden rund zwei Millionen Euro betragen. „Ende 2023 könnte sich der wirtschaftliche Aufschwung für die Windkraft auf unsere Auftragslage auswirken.“ Bis dahin soll auch das Personal um zehn Mitarbeiter aufgestockt werden.
Die Prognosen für das Marktsegment Windenergie sind für die nächsten Jahre sehr gut, nichtsdestotrotz forciert Alexandra Walter in unternehmerischer Vorausschau mehrere Standbeine. Die Anarbeitung von Blechen und industriell hergestellten Serienbauteilen machen ca. 10% vom Umsatz aus und gehören zum Basisgeschäft des Betriebs. Eine ähnliche Umsatzgröße erreichen die Aufträge für die Rail Berlin Brandenburg. „Wir werden immer wieder mit Teilen für den Bau des RDC Autozugs von Niebüll nach Sylt beauftragt“, berichtet sie.
Ein vierter, noch neuer Produktbereich sind Solarcarports mit Kragdach für vier Stellplätze oder mit Trogdach für acht. Bis zu 5% vom Jahresumsatz sollen ab dem nächsten Jahr mit den Carports Marke Eigenbau erwirtschaftet werden. „Viele Firmen stellen ihren Fuhrpark auf E-Fahrzeuge um, das wird die Nachfrage nach Solarcarports antreiben“, ist Walter überzeugt. Selbstverständlich fährt sie ein E-Auto, ihre Carports mit E-Tankstelle werden als Vorführmodelle ab Herbst auf dem Firmengelände zu sehen sein. In Modulbauweise lassen sich Pkw-Stellplätze flexibel in großer oder kleiner Anzahl installieren, auch mit der Möglichkeit zu behindertengerechten Parkplätzen. Die Resonanz auf der Hannover Messe 2022 war vielversprechend. „Am Gemeinschaftsstand Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg hatten wir die Gelegenheit, unser neues Angebot zu präsentieren.“
Innovative Maschinen
Zertifizierungen für die EN 1090 – EXC 1, 2 & 3 und für die EN 15085-2 (Schweißen von Schienenfahrzeugen und Schienenfahrzeugteilen) fordern moderne Maschinen. Über umfassende, flexible, maßgenaue und qualitätvolle Produktionskapazitäten verfügt umetec mit den Laserscheidanlagen von Trumpf TruLaser 3030 und fiber 2030 sowie mit den Biegemaschinen TruBend 5000 und 7000 wie auch mit dem Urban CNC Profilbearbeitungszentrum AP 6500-B. Die CNC-gesteuerten Maschinen von Trumpf sind über eine ERP-Standardsoftware mit der Arbeitsvorbereitung und dem Technischen Büro vernetzt. Das ERP-System wurde im Jahr 2019 via Programm Sou eingeführt. Die Bedienung gelingt vielen Mitarbeitern intuitiv, weil die Nutzeroberfläche der von Windows ähnelt. Mithilfe von Videotutorials, die sich direkt an den jeweiligen Maschinen mittels QR-Codes aufrufen lassen, können sich die Mitarbeiter just in time über die digitalen Abläufe informieren – beispielsweise wie ein Fertigungsauftrag eingegeben wird.
Im November 2021 hat der Spezialist für Laser-, Kantbauteile und Schweißbaugruppen seine 20 Schweißarbeitsplätze um eine Cobot-Welding-Lösung mit SmartCell von Fronius erweitert. Pascal, gelernter Konstruktionsmechaniker und noch keine 25 Jahre alt, ist von seinem neuen Arbeitsplatz begeistert. „Meine Aufgaben sind vielseitiger geworden“, erzählt er, „ich programmiere den Cobot und kontrolliere den Schweißroboter beim Arbeiten.“ Teile, die der automatisierte Kollege im silbernen Alukleidchen fügt, haben ca. 90% weniger Spritzer. So entlastet er die Belegschaft von monotonen Nacharbeiten, und je nach Bauteil ist der Cobot um 50% schneller, als manuelle Schweißtechnik es sein kann. Der Unterschied wird klar, wenn am Feierabend nach acht Stunden 15 geschweißte Bauteile auf der Palette liegen oder 25. Dass sich gleichermaßen die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter verbessert, weil der Arbeitsalltag abwechslungsreicher ist, schafft eine Win-Win-Situation.
Softskills kommen Mitarbeiter zugute
Je mehr die Pandemie auf Abstand gedrängt hat, umso reger wurden virtuell die Gespräche unter Geschäftsführung und Belegschaft. Die Corona-Krise nahm Alexandra Walter zum Anlass, ein Coaching zu initiieren. „Es war wichtig, meinen Mitarbeitern die Ängste zu nehmen, sie sollen sich auf ihre Arbeit konzentrieren können – das hilft in so einer Krise allen.“ Das Coaching quer durch alle Teams dauerte eineinhalb Jahre lang. Nicht zuletzt wegen des unerwartet großen Erfolgs hat Walter sich für eine Ausbildung zum Coach entschieden. Statt eine Woche Urlaub steht für den Sommer nun eine Woche Weiterbildung in ihrem Kalender. „Im Februar 2024 bin ich als Systemcoach qualifiziert“, freut sich die Geschäftsführerin.