Berufliche Ansprüche wachsen
Ausbau für das Bildungszentrum AarbergDas neue dreigeschossige Gebäude und das eingeschossige Nebengebäude wurden für rund 10 Mio. Franken über die Stiftung SMU Bildungszentrum errichtet. In die Einrichtung investierte der AM Suisse 1,6 Mio. Franken. Staatliche Fördermittel gab es nicht. Der Dachverband bietet nun auch erstmals Höhere Berufsbildung im Metallbau an.
Das Bildungszentrum Aarberg des Schweizer Dachverbandes AM Suisse wurde auf der Chräjeninsel um zwei neue Gebäude erweitert, die am 2. April 2018 ihren Schulbetrieb termingerecht aufnahmen und Ende Juni offiziell eingeweiht wurden. Eine Besonderheit ist das modulare Konzept der modernen Werkhallen mit mobil stationierten Maschinen und Einrichtungen. So können die Arbeitsplätze mit geringem Aufwand den verschiedenen Unterrichtserfordernissen flexibel angepasst werden.
Dem Neubau war ein längerer Evaluationsprozess und die Entscheidung vorausgegangen, künftig vermehrt Vorbereitungskurse in der Höheren Berufsbildung anzubieten. Der AM Suisse ist der Dachverband für die Fachverbände Agrotec Suisse und Metaltec Suisse und vertritt die Arbeitgeber- und Bildungsinteressen der Branchen Metallbau, Landtechnik und Hufschmiede.
Höhere Berufsbildung bei AM Suisse
Um das Schweizer Berufsbildungssystem zu verstehen, muss man zunächst einen Blick auf die Schulbildung werfen. Nach sechs Grundschuljahren können die Schüler zwischen Real- und Sekundarschule wählen. Gute Sekundarschüler haben wiederum die Möglichkeit, die Matura abzulegen, was dem deutschen Abitur entspricht. In der Regel nehmen die Schulabgänger der Real- und Sekundarschule eine Berufsausbildung auf, die in der Schweiz in den meisten Berufen vier Jahre, manchmal auch nur drei Jahre dauert. Eine Berufslehre endet mit dem EFZ, dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis.
Metallbauer werden in den drei Fachrichtungen Metallbau, Schmiedearbeiten und Stahlbau ausgebildet, außerdem gibt es den Metallbaukonstrukteur als eigenständigen Beruf. Wer sich nach der Berufslehre weiterbilden möchte, kann entweder einzelne Kurse belegen oder sich für eine reglementierte Weiterbildung entscheiden, die zu einem höheren Berufsabschluss führt. „Ab hier sprechen wir von der Höheren Berufsbildung“, erläutert Paul Andrist, Vizedirektor des AM Suisse und Leiter des Bildungszentrums Aarberg. „Die zweite Stufe ist der eidgenössische Fachausweis, der zum Beispiel für den Abschluss als Metallbau-, Werkstatt- und Montageleiter vergeben wird. In der dritten Stufe kann man den Metallbaumeistertitel durch Ablegen der Höheren Fachprüfung mit Diplom erwerben“, so Andrist. Der Weg dorthin führt über so genannte Vorbereitungskurse, die von verschiedenen Bildungseinrichtungen angeboten werden. Einzig die Prüfungen sind gesamtschweizerisch reglementiert. Die berufsbegleitenden Vorbereitungskurse dauern für den eidgenössischen Fachausweis ein Jahr, für die höhere Fachprüfung mit Diplom zwei Jahre. „Für die Metallbauer werden die Prüfungen zentral von AM Suisse respektive von Metaltec Suisse organisiert“, sagt Paul Andrist und ergänzt: „Der Weg zur Prüfung ist dabei dem Lernenden selbst überlassen.“
In der Schweiz gibt es fünf Bildungseinrichtungen, die auf die Höhere Fachprüfung zum Eidg. Dipl. Metallbaumeister (HFP) vorbereiten: das Berufsbildungszentrum sowie die IBZ in Zürich, die Höhere Fachschule Metallbau in Basel, die Technische Fachschule in Bern und ab diesem Jahr auch das Bildungszentrum Aarberg des AM Suisse.
Vorbereitungskurse sind garantiert
Im neuen Bildungszentrum Aarberg werden Landmaschinen-, Baumaschinen- und Motorgerätemechaniker sowie Hufschmiede ausgebildet. Für die überbetriebliche praktische Ausbildung gibt es die Bereiche Schweißen, Metallbearbeitung (Drehen/Feilen), Schmieden und einen Motorenprüfstand. Die Schweißerei, modern ausgestattete Theorieräume, Büros und Lagerräume befinden sich im neuen dreigeschossigen Gebäude, die lärmintensiven Schulungseinheiten Schmiede und Motorenprüfstand im schallabsorbierenden Nebengebäude. Die überbetrieblichen Kurse für die Berufslehre zum Metallbauer, Fachrichtungen Metallbau und Stahlbau, werden in Aarberg nicht angeboten. „Hier ist die Zahl der Lehrlinge so groß, dass die Kurse in den über die ganze Schweiz verteilten Ausbildungszentren des AM Suisse stattfinden können. Da macht es keinen Sinn, dass die jungen Leute quer durch das Land reisen“, erläutert Andrist.
Neu ist hingegen die gesamtschweizerische Weiterbildung der Metallbauer für Eidgenössische Fachausweise und Eidgenössische Diplome. Doch warum bietet das Bildungszentrum Aarberg künftig verstärkt Höhere Berufsbildung im Metallbau an? Dazu Paul Andrist: „Bisher war die Schule nicht darauf ausgerichtet. Das Ausbildungszentrum wurde vor 50 Jahren gegründet. Zwar haben wir mehrfach erweitert, aber erst mit dem zusätzlichen Neubau können wir nun eine zeitgemäße und topmoderne Infrastruktur anbieten, die den aktuellen Ausbildungsanforderungen entspricht.“ Außerdem kann der Dachverband den Teilnehmern eine Durchführungsgarantie für sämtliche Ausbildungsmodule geben. Wegen mangelnder Teilnehmerzahlen mussten bei anderen Bildungseinrichtungen schon mal einzelne Module abgesagt werden, sodass sogar die Prüfungen nicht abgelegt werden konnten. „Dieses Problem wird es bei uns nicht geben“, verspricht Andrist und verweist außerdem auf die Vorzüge durch das bestehende Verbandsnetzwerk des AM Suisse.
Demnächst Schweißsimulation und Montagekurse
Künftig soll es auch Kurse für das Fachpersonal im Werkstattbereich geben, also zum Beispiel für Werkstattleiter, Berufsbildner oder Gesellen. Gedacht ist vor allem an Schweißkurse, bei denen zusätzlich an virtuellen Arbeitsplätzen trainiert wird. Die Kurse sollen dreistufig aufgebaut sein. Zunächst erhält der Kursteilnehmer Videosequenzen, damit er sich auf den Schweißsimulationsarbeitsplatz vorbereiten kann. Im Kurs übt er dann am virtuellen Arbeitsplatz, was wertvolles Material spart und eine bessere Auswertung der Schweißnähte ermöglicht. Anschließend wird an einem praktischen Arbeitsplatz geschweißt. Die virtuellen Schweißarbeitsplätze sollen etwa Ende dieses Jahres in Betrieb gehen. Aktuell gibt es 16 moderne Schweißarbeitsplätze von Fronius mit Rauchgasreinigungs- und -abzugsanlagen sowie Arbeitsvorbereitungstischen.
An allen Arbeitsplätzen kann Gasschmelzschweißen (Autogen), MAG und Elektrodenschweißen (Lichtbogen, E-Hand) ausgeübt werden. An 12 Arbeitsplätzen ist zusätzlich auch TIG-Schweißen (WIG) möglich. Die beiden Aarberger Werkstatthallen wurden so konzipiert, dass bei Bedarf zweimal 16 Schweißarbeitsplätze eingerichtet werden können.
Außerdem sind Kurse im Bereich Montage im Metallbau geplant. „Wir sehen bei Montagetechniken einen deutlichen Bedarf“, sagt Paul Andrist und betont, dass es nun Aufgabe des Verbandes sei, im Vorfeld der Kursplanung den Bedarf der Betriebe abzufragen und die Kurse darauf zielgerichtet aufzubauen.
Info + Kontakte
AM Suisse
Seestraße 105
CH-8002 Zürich
Tel. +41 44 285 77 77
www.amsuisse.ch
Nachgefragt bei Paul Andrist, Leiter Bildungszentrum Aarberg
Die Digitalisierung ist auch in der Schweiz eines der großen Themen in der beruflichen Bildung. Dabei steht der Metallbau vor einem größeren Erneuerungsprozess. Ulrike Hensel hat darüber mit Paul Andrist gesprochen.
metallbau: Wie weit ist das Thema Digitalisierung in den Bildungsinhalten bereits etabliert?
Paul Andrist: In der Schweiz läuft zurzeit eine erste Bildungsoffensive für die Digitalisierung in der schulischen und Berufsbildung an. D.h., von der Bundesebene gehen zunächst einzelne Förderprojekte aus, damit die Digitalisierung in der Bildung vorangetrieben wird.
metallbau: Mit anderen Worten: Das ist noch Zukunftsmusik?
Andrist: Bei den jungen Leuten fehlen einfach viele Grundlagenkenntnisse. Sie können zwar mit dem PC und Handy umgehen, aber für die Berufslehre brauchen sie PC-Anwendungskenntnisse bis hin zum Konfigurieren. Seit zwei, drei Jahren wird bereits in der Real- und Sekundarschule viel derartiges Wissen vermittelt und somit wird das Thema Digitalisierung auch verstärkt in die Ausbildung zum Metallbauer EFZ Einzug halten.
metallbau: Damit rückt BIM in weite Ferne?
Andrist: Nicht in weite Ferne, aber es wird noch dauern. BIM heißt ja nicht, wir tauschen ab und zu ein paar Daten aus. BIM heißt, alle Beteiligten arbeiten zu jeder Zeit auf demselben Planstand und am selben Planwerk.
metallbau: Wie schätzen Sie das Bildungsniveau Schweizer Schüler ein? Werden sie für so anspruchsvolle Inhalte gerüstet sein?
Andrist: In der Schweiz haben wir derzeit noch ein gutes Potenzial an jungen Leuten für die Ausübung anspruchsvoller Berufe wie den des Metallbauers. Aber auch hier gibt es Bestrebungen, den Akademisierungsgrad von derzeit ca. 22 auf bis 75 Prozent anzuheben. Das sehe ich sehr kritisch. Denn dann wird es niemanden mehr geben, der eine Metalltür in bester Qualität herstellen kann.
metallbau: Das heißt, Sparten wie der Metallbau benötigen überdurchschnittlich intelligente Azubis?
Andrist: Ja. Früher konnte man noch sagen, wenn du in der Schule nicht so gut bist, dann lernst du einen handwerklichen Beruf. Das gilt nicht mehr.
metallbau: Wie viele Lehrverhältnisse gibt es derzeit im Metallbau, wie ist die Tendenz?
Andrist:Im Metallbau gibt es ca. 12.000 Beschäftigte und 480 Auszubildende. Im Vergleich dazu hat die Landtechnik ca. 3.600 Beschäftigte und 400 Lehrverhältnisse. Obwohl wir derzeit noch wenig Nachwuchssorgen haben, sieht man daran den künftig notwendigen Erneuerungsprozess. Damit die Ausbildung aber nicht auf den Schultern weniger klein- und mittelständischer Betriebe hängen bleibt, zahlen alle Betriebe einer Branche in einen Berufsbildungsfond ein. Dies bildet eine wichtige Grundlage für unser gutes Berufsbildungssystem, das ja zusammen mit den Systemen in Deutschland und Österreich weltweit bewundert wird.