Potenziale für Klebstofftechnik

ift & sika organisieren Expertentag

Einer der wenigen Betriebe in Deutschland, der Aluminiumfenster klebt, ist al bohn Fenster-Systeme in Sinsheim. „Würden wir Aluminiumfenster bauen, dann würden wir diese kleben. Ich sehe keine Probleme, die Fertigungsprozesse von Kunststoff oder Holz-Aluminium auf das Material Aluminium zu übertragen“, sagt Engelbert König, Leiter der Produktentwicklung beim österreichischen Fensterbauer Internorm.

In Deutschland wird zu über 90 % die Klebetechnik für Kunststofffenster eingesetzt. Die restlichen 10 % teilen sich die Werkstoffe Holz, Holz-Aluminium und Aluminium. B & L Marktdaten gibt für das Jahr 2014 den Anteil geklebter Kunststofffenster in Deutschland mit 10,2 % an (2,9 % in 2009) und stellt fest, dass die Marktanteile in der Schweiz und in Österreich höher sind. Manch einer erklärt sich dies mit einfacheren baurechtliche Vorgaben. König formuliert schlicht: „Die Deutschen sind im Kleben etwas hintendran.“

Zwei Fensterbauer berichten

Der Aufwand für den Umbau der Fertigung und die Investitionen in Technik halten sicher ebenfalls manchen Fensterbauer davon ab, die Umstellung auf Klebtechnik zu realisieren. Auch der höhere Automatisierungsgrad ist für viele traditionelle Fensterbauer eher Hindernis als Argument. König hebt hervor: „Wer sich für Klebetechnik entscheidet, entscheidet sich natürlich auch für die Automatisierung des Fertigungsprozesses, das ist klar.“ In seinem Vortrag bilanzierte er die Erfahrungen des österreichischen Unternehmens, das bis heute über 10 Millionen Fenstereinheiten geklebt hat, im Schwerpunkt aus Kunststoff. „Unsere Entwicklung ist inzwischen bei vollständig geklebten Fensterkonstruktionen angekommen, das heißt, auch sämtliche Teile der Profilkonstruktion sind verklebt und der Einbau einer Glasleiste ist überflüssig.“

Voraussetzung für alle Klebeverfahren ist eine weitgehend staubfreie Umgebung für die Klebestation. Zu den störenden Einflüssen zählen Ausgasungen anderer Chemikalien, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen und Luftfeuchten. Deshalb sollte das automatische Auftragssystem bei empfindlichen Klebesystemen eine Anpassung der Reaktionszeiten auf Umgebungstemperatur und -feuchte enthalten.

König machte kein Hehl daraus, dass dem Vorteil der höheren Prozesssicherheit ein größerer Aufwand für Prüfungen und  für die Überwachung gegenüberstehen. Für alle Methoden sind ein Qualitätssicherungssystem und eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) notwendig, die vor allem eine regelmäßige Überprüfung der Haftflächen, des Mischbildes des Klebstoffs und die Hafteigenschaften nach der Aushärtung umfasst.

Neue Chancen für kleinere Betriebe

Von der Umstellung auf eine robotergestützte Verglasung, die über die Fertigung von Rahmen und Flügel hinaus den Glaseinsatz und die Verklebung automatisiert haben, berichtete der Geschäftsführer von Söba Fenster und Türen, Ronald Czerwonatis. „Wir haben uns von der Anwendung einer Kleberkartusche über eine Handklebemaschine zum Scheibenverklebungsautomaten vorgearbeitet.“ Mit der Installation einer Glassortieranlage wurde die Voraussetzung für den Einsatz eines Verglasungs- und Kleberoboters geschaffen. Die angelieferten Scheiben werden an der Aufgabestation der Glassortieranlage durch den Mitarbeiter auf mögliche Beschädigungen kontrolliert und per Barcode-Scanner registriert. Ein Transport-Shuttle übernimmt die Scheiben und sortiert sie in die Fächer ein, die bis zu drei Scheiben aufnehmen können.

Die gekoppelten Rahmen und Flügel werden gescannt und damit die dazu passende Scheibe aus der Glassortieranlage abgerufen und für den Verkleberoboter bereitgestellt. Fenster, die nicht mit dem Roboter verglast werden sollen, werden über einen Bypass daran vorbeigeschleust.

Ist der Fensterrahmen in der Klebezelle angekommen, nimmt der Roboter die bereitgestellte, passende Scheibe auf und setzt sie ein. Die Sauger sind alle einzeln ansteuerbar, sodass neben sehr großen bis 180 kg schweren Formaten auch sehr kleine Scheiben eingesetzt werden können. Der Roboter verklebt die Scheibe ringsum im Falzgrund. Der Mitarbeiter setzt noch kleine Halteklötzchen und die Glasleisten ein. Dann kann die Scheibe ohne jegliche Wartezeit transportiert werden.

Kleber bietet vielfältige Vorteile

Die beiden Referate aus der Praxis unterstrichen, dass Klebetechnik Funktionen für Einbruchhemmung oder Wärmedämmung optimieren kann und sie Vorteile für die Statik und Konstruktion bietet, beispielsweise wenn in die Kunststoffprofile keine Stahlverstärkung eingebaut werden muss. Zudem ergeben sich Gestaltungsfreiheiten im Design (Ganzglasflügel) und für großformatige Scheiben.

Baurechtliches und technisches Fachwissen

Über baurechtliches und technisches Fachwissen referierten die ift-Experten Dipl.-Ing. Karin Lieb und Dipl.-Ing. Wolfgang Jehl. Grundsätzlich gilt: Klebetechnologie für Fensterkonstruktionen kann nur erfolgreich eingesetzt werden, wenn die Auswahl von Klebstoff, Konstruktion und Maschinentechnik aufeinander abgestimmt wird. Lieb betonte: „Die Verträglichkeit der Materialien muss geprüft werden.“ Dazu gehört die Verwendbarkeit des Klebers im Kontakt mit dem Isolierglas-Randverbund, mit den Dichtungen oder den PVB-Folien in den Scheiben. Im Fensterbau ist ein Klebstoff nicht universell einsetzbar, eine sorgfältige Auswahl hinsichtlich der Eigenschaften ist unerlässlich und Bestandteil der Entwicklung eines Fenstersystems.

Geklebte Verglasungssysteme stellen im Fensterbau eine von den Normen bisher nicht beschriebene Variante dar. Dennoch ist auch ein Flügel mit geklebter Verglasung Teil eines Fensters, das nach DIN EN 14351-1 CE-gekennzeichnet werden muss. Neben dem üblichen Weg, das geklebte Fenster als System zu definieren und auf seine Leistungseigenschaften im Rahmen eines TT (Type Test) zu prüfen und nachzuweisen, kann der Nachweis für die CE-Kennzeichnung auch über Zusatzprüfungen nach der ift-Richtlinie VE 08/3 erfolgen. Die Anwendung dieser Richtlinie hat jedoch privatrechtlichen Charakter, weil es für die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Fensters, wie sie die DIN EN 14351-1 fordert, noch keine europäische Norm gibt. „Als Beurteilungsgrundlage empfiehlt sich die Anwendung der ift-Richtlinie VE 08/3“, so Lieb.

Fazit

Ziele des Klebeverfahrens können die aussteifende Wirkung des Klebeverbundes, eine veränderte Optik mit einer Reduzierung der Profilansichtsbreiten, die Erhöhung des Lichteinfalls oder die Optimierung des Fertigungsprozesses sein. Die Klebetechnologie für den Bau von Kunststofffenstern und Holz-Aluminium-Fenstern ist ausgereift. Für die Fertigung von Aluminiumfenstern ist die Anwendung von Klebetechnik sehr verhalten, die Fensterbaubetriebe schöpfen das technische Potenzial der Zulieferer nicht aus. ⇥ma ◊

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