Der Kö-Bogen II
Grüne Oase in DüsseldorfDer begrünte Kö-Bogen II am Gustav-Gründgens-Platz in Düsseldorf erfüllt nachhaltige Bauanforderungen und moderne städtebauliche Bedürfnisse. Das Büro Werner Sobek aus Stuttgart plante die Fassade, Frener und Reifer aus Brixen in Südtirol setzte sie um.
Europas größte grüne Fassade vereint nachhaltiges Bauen und modernes Design in einem besonderen Architekturprojekt nahe der Königsallee: Als Meilenstein für die ökologische Stadtentwicklung bildet der Kö-Bogen II (KII) einen zentralen Teil der innerstädtischen Neugestaltung. „Die Fassadenbegrünung folgt einer zuvor gründlich ausgearbeiteten zukunftsweisenden Idee“, sagt Florian Starz, Teamleiter Fassade vom Büro Werner Sobek in Stuttgart. „Wir wollten eine Verbindung zwischen den umliegenden Parkanlagen und der Innenstadt schaffen und gleichzeitig den Menschen dort einen Mehrwert bieten.“ Der bis dahin eher unattraktive Gustav-Gründgens-Platz sollte durch die Umgestaltung lebenswerter werden und der Einsatz ausschließlich heimischer Pflanzen in der Fassade nicht nur die Ästhetik verbessern, sondern auch den ökologischen Fußabdruck der Stadt.
Das gesamte Areal an der Schadowstraße umfasst rund 42.000 Quadratmeter mit rund 24.000 Quadratmetern Einzelhandelsflächen, 5.500 Quadratmetern Platz für Büros, dazu Gastronomie und knapp 500 unterirdische Stellplätze – der KII zählt zu den meistbesuchten Einkaufsmeilen Deutschlands. Seine Architektur besticht durch klare Formen, „die terrassierte Anordnung der Nord- und Westfassaden mit bis zu 40° Neigung verleiht dem Gebäude aber eine besondere visuelle Dynamik“, erläutert Andreas Schrott, Techniker bei Frener und Reifer, Komplettanbieter und Generalunternehmer Fassade mit Hauptsitz in Brixen, Südtirol.
Größte begrünte Fassade Europas
Highlight des KII sind jedoch die 2.800 Quadratmeter begrünten Nord- und West-Fassaden des Gebäudes. „Die Hainbuche, bewusst als Monokultur gewählt, ist zentrales Element“, erklärt Florian Starz. Diese heimischen Pflanzen sind klimafest und schädlingsresistent. Etwa 10.000 von ihnen bedecken die Fassaden, weitere 20.000 Stück das Dach. Im Sommer und Herbst schmücken sie das Gebäude mit grünen, später mit braunen Blättern, im Winter benötigt die Pflanze kein Wasser. „Interessanterweise behält die Hainbuche aber auch im Winter etwa 30 Prozent ihrer braunen Blätter, was die Fassade auch in der kalten Jahreszeit belebt.“ Zusammengerechnet ergeben die Elemente eine rund 8 Kilometer lange Hecke – was in ihrer Ökobilanz etwa 80 ausgewachsenen Laubbäumen entspricht, einem Mini-Wald also.
Direkt neben dem KII neigt sich zudem das ebenfalls vollständig begrünte – und begehbare – Dach eines Food-Courts (Dreiecksgebäude) schräg dem Gebäude zu. So ist aus einem ehemals steinernen Areal eine grüne Oase entstanden: „Die Pflanzen absorbieren Sonnenlicht, was die Luft kühlt, und verwandeln das Klimagas CO2 zu Sauerstoff, was die Luftqualität verbessert“, so Starz.
Bauzeit und Zusammenarbeit
Die Bauzeit für diese Oase betrug bis zur Fertigstellung 2020 drei Jahre. „Die Fassadenplanung war eine interdisziplinäre Aufgabe in enger Zusammenarbeit zwischen Bauleitung, Architekten, Statikern und Bewässerungsspezialisten“, sagt Andreas Schrott. In regelmäßigen Besprechungen vor Ort in Düsseldorf wurden alle Details der Fassadengestaltung abgestimmt, „besonders anspruchsvoll war die Integration der Begrünung in die Gesamtstruktur des Gebäudes“. Die Montage der besonderen Fassade dauerte mehrere Monate und war zeitlich straff geplant. „Wie bei jedem Bauprojekt gab es natürlich Herausforderungen. Doch trotz der vielschichtigen Fassadenstruktur verliefen die logistischen Prozesse weitgehend reibungslos – zumal die Materialien wie Aluminium, Glas, Dämmstoffe und Stahl als Standardprodukte ohne besondere Verzögerungen geliefert werden konnten.“
Die technische Ausstattung
Die ausgefeilte Geometrie der Gebäudehülle mit ihren schräg verlaufenden Fassaden war laut Andreas Schrott in der Ausführung eine der größten Herausforderungen. „Besonders anspruchsvoll war dabei die Integration der Pflanztröge in die gekrümmte Westfassade.“ 1.960 Laufmeter an der Schrägfassade und 450 Meter an den Dachrändern, mit 260 Kilogramm Gewicht pro Laufmeter. „Aber auch die Einbindung des Rohrleitsystems für die Bewässerung in die Aluminiumverkleidung war eine komplexe Aufgabe.“
Die Fassadenstruktur besteht aus zwei Teilen: „Die Nord- und Westfassade sind mit einer Dämmschicht auf der Betonwand versehen, darüber ist eine Stahlkonstruktion befestigt. Auf dieser Struktur ist eine Aluminiumverkleidung angebracht. An der Stahlkonstruktion sind die Pflanztröge befestigt, in denen die Hainbuchenhecken wachsen“, erklärt Andreas Schrott. „Die gekrümmte Bauweise der Westfassade erforderte eine präzise Anpassung der Stahlteile, die vor Ort mit großen Gewindebolzen aufgeschweißt und dann mit der Stahlstruktur verbunden wurden, bevor die Verkleidung montiert werden konnte.“ Das Dach ist ebenfalls vollständig begrünt und für Wartungszwecke und zur Pflege der Pflanzen begehbar.
Die Ost- und Südseite des Gebäudes bestehen aus einer Pfosten-Riegel-Fassade aus Glas. Die Dimensionen der Glasfassade mit 15 Meter hohen Stahlpfosten stellten eine weitere technische Herausforderung dar. „Pro Abschnitt wurden drei Glasfelder von etwa 5 Metern Höhe und 2,70 Metern Breite übereinander angebracht. Die Glasfassade erstreckt sich vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss für Einzelhandelsbereiche.“ In den beiden oberen Stockwerken wurden 796 Quadratmeter Aluminium-Pfosten-Riegel-Fassade eingebaut, die die Büroflächen umschließt. „Von diesen Seiten gelangt Tageslicht ins Gebäude, ebenso wie durch zwei Pfosten-Riegel-Glasfassaden mit 826 Quadratmetern, die zwei ebenfalls begrünte Innenhöfe einfassen.“ Im dritten Obergeschoss kommen für Büroflächen noch einmal 915 Quadratmeter Aluminium-Pfosten-Riegel-Fassade mit Lüftungsöffnungen, Türen und Fenstern hinzu.
Wetterbeständigkeit und Bewässerung
„Besondere Aufmerksamkeit galt der Wetterbeständigkeit und Langlebigkeit der Fassadenelemente“, sagt Andreas Schrott. „Vor allem die Pflanztröge mussten wasserdicht und widerstandsfähig sein. Eine spezielle Duplex-Beschichtung aus Feuerverzinkung und Farbbeschichtung gewährleistet ihre Lebensdauer.“ Die Stahlstruktur, an der die 50 Zentimeter hohen und breiten Stahltröge horizontal in der Fassade verankert sind, ist alle zwei Meter von massiven Stahlträgern gestützt. An der Südseite ragen die Tröge mit den Pflanzen teils über die Dachkante hinaus.
Die Tröge enthalten eine Mischung aus Substraten für die Nährstoffversorgung und Drainage. Sensoren verhindern dabei sowohl eine Austrocknung, als auch Wasserstau. Überschüssiges Wasser wird durch Abflusskanäle in eine 80 x 80 Zentimeter große Rinne abgeleitet. „Diese Rinne fängt zudem das Schnittgut der Hecken auf, das durch die Neigung der Fassade direkt hineinrutscht“, sagt Andreas Schrott. Das gesamte Bewässerungssystem wurde nahtlos in die vertikale Fassade integriert, wobei es Kanäle für die Zuleitungen der Bewässerungströge entlang der Hecken gibt. „Diese Kanäle sind geschickt in die Blechfassade eingearbeitet. Außerdem wurden Serviceleitungen installiert, die einen Stromanschluss sowie einen einfachen Zugang zur Wartung und Reinigung ermöglichen.“ Laufstege zwischen den Hecken und eine vertikale Befahranlage ermöglichen die Begehung der Anlage für Gärtner und für die Wartung.
„Das Bewässerungssystem arbeitet vollautomatisch und nutzt Technologien, die auch in der Pflanzenzucht verwendet werden. Über Feuchtigkeits- und Temperatursensoren wird genau gesteuert, wann welche Bereiche bewässert werden müssen“, sagt Florian Starz. Das Wasser wird in einem Technikraum aufbereitet und über Pumpen an die Pflanzen verteilt. „Ein Monitoring-System stellt sicher, dass die Pflanzen stets optimal versorgt sind, auch bei extremen Wetterbedingungen wie Hitze oder Frost.“
Zukunftsweisendes Konzept
Das Projekt KII zeigt, dass städtische Architektur ästhetisch sein und gleichzeitig das Mikroklima verbessern kann. „Die Begrünung reduziert die Umgebungstemperatur und trägt zur Verbesserung der Luftqualität bei. Außerdem isoliert die grüne Schicht im Winter, während sie im Sommer Schatten spendet und durch Verdunstung kühlt“, sagt Florian Starz. Diese Effekte steigern die Energieeffizienz des Gebäudes, indem sie die Belastung der Klimaanlagen im Sommer durch kühlere Luft verringern. Die CO2-Bilanz wird ebenfalls verbessert. Dem Gebäude hat dies unter anderem das DGNB Diamant-Zertifikat für Nachhaltigkeit eingebracht. Und nicht zuletzt bietet die Begrünung Lebensraum für Insekten und Vögel in der Stadt.