BIM im Fassadenbau
Unbequemer Wandel, der Geld kostetFür Metallbauunternehmen mit Schwerpunkt Fassade ist die BIM-Arbeitsweise ein Benefit, vorausgesetzt der Betrieb produziert durchgängig digital vernetzt – vom technischen Büro über die Fertigung bis hin zur Montage. Die 3D-Softwareexperten von CAD-Plan sehen bereits bei einem Drei-Mann-Betrieb das Potenzial dafür.
Mit der BIM-Arbeitsweise in ausführenden Betrieben werden neue Prozessabläufe angestoßen, die auch für die Tätigkeiten der Mitarbeiter umfassende Änderungen mit sich bringen. Es ist unumgänglich, diese mit Schulungen in die neue Arbeitsweise einzuführen. Auf den Unternehmer kommen Investitionen in Form von Zeit und Geld zu. „Einmal implementiert, sollen sich die Aufwendungen im Zeitraum von drei Jahren amortisiert haben“, davon ist Alexander Krüger von CAD-Plan überzeugt.
Je kleiner die Firma, umso kürzer die Zeit für die Amortisation. Der 3D-Experte erzählt von einem Projekt bei einem Fassadenbauer mit 250 Mitarbeitern, das innerhalb von zwei Jahren umgesetzt wurde. „Allerdings war der Betrieb mit Maschinen, Software und Hardware auf dem aktuellen Standard ausgestattet, das beschleunigt die Umsetzung.“
Vernetzte Betriebsabläufe
Ein BIM-Produktionsprozess umfasst die Materialbestellung, die Lagerhaltung, den Wareneingang und -ausgang sowie die Produktionsvorbereitung, die Fertigung und Montage. So können beispielsweise 3D-basiert die Daten aus dem Technischen Büro in die CNC-steuerbaren Maschinen eingespeist werden, zudem lassen sich daraus Fertigungszeichnungen für die Bediener an den Maschinen erstellen. Krüger erläutert: „Eine Detailplanung durch den Maschinenbediener ist dann überflüssig, es brauchen weder Pläne weitergegeben noch muss das zu bearbeitende Bauteil vermessen werden. Der Bediener gibt händisch keine Daten mehr in die Maschine ein.“
Fassadenbau & 3D
Die Einschätzungen, wie viele Fassadenbauer heute in 3D konstruieren, ist recht unterschiedlich. Die Softwareentwickler von CAD-Plan gehen von 20 Prozent aus, Fassadenbauer Jochen Hölscher schätzt fünf Prozent. Der Unternehmer aus Kleve ist mit seinen 65 Mitarbeitern deutschlandweit tätig, für ein BIM-Projekt wurde er bislang noch nicht angefragt. „Auch wollte noch kein Auftraggeber IFC-Daten von uns“, erzählt er. „Einmal haben wir von einem Architekten IFC-Daten angefordert, um eine komplexe Konstruktion via 3D-Viewer besser nachvollziehen zu können und diese dann in 2D umzusetzen.“ Ein Beispiel dafür, dass die verbesserte Kommunikation allein über das Visualisieren der 3D-Daten Vorteile für Qualität und Geschwindigkeit aller projektbeteiligten Gewerke bringt.
Apropos IFC-Daten: Industry Foundation Classes (IFC) ist eine Lösung für die Herstellung von Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Softwareanwendungen. Dieses Format hat internationale Standards für das Importieren und Exportieren von Gebäudeobjekten und ihren Eigenschaften geschaffen (Building Information Modeling). Das IFC-Dateiformat wird von buildingSMART überwacht und entwickelt. Registriert sind die IFC unter ISO 16739-1:2018.
Als Standardversion gilt derzeit IFC2x3, mit diesem Format hat man die Möglichkeit, von 653 Objekten maximal 317 Eigenschaften mitzugeben. Die aktuelle Version ist IFC4, seit 2014 angeboten ist diese im Markt noch nicht so verbreitet. In diesem Format hat man die maximale Möglichkeit von 776 Objekten mit maximal 506 Eigenschaften, wie Krüger berichtet.
Doppelte Planungsleistung ohne Benefit
Würde von Hölscher derzeit eine BIM-Planung gefordert, hieße dies für die Konstrukteure mehr als die doppelte Arbeit. Der Fassadenbauer berichtet: „Zeichnet ein Konstrukteur beispielsweise mit dem Programm Inventor eine Fenster- oder Fassadenkonstruktion als 3D-Modell, will heißen, dass er nicht auf Datenstrukturen, Konstruktionslogiken und Templates zurückgreift, braucht er dafür deutlich länger (Faktor 2–3) als wenn er es in einer 2D-Zeichnung anfertigt – wie aktuell üblich.“
Ein anderes Beispiel: „Planerische Aufgabe des Fassadenbaus ist Darstellung und Visualisierung der gesamten Gebäudehülle. Somit müssten aktuell im 3D-Modell beispielsweise 500 Fenster manuell positioniert werden. Das ist wenig praktisch“, moniert Hölscher. „Für so eine Aufgabe bräuchte es intelligentere Lösungen, die auf Knopfdruck die 500 Fenster im 3D-Modell integrieren.“ CAD-Plan bietet hierrfür mit seiner Software eine smarte Erweiterung durch ein Plug-In in Revit an. Grundlage ist aber, dass der Konstrukteur im 3D-Bereich arbeitet.
Hölscher fordert: „Zugunsten einer effizienten Attribuierung der Elemente sollten die 3D-Programme intelligenter arbeiten können.“ Derzeit müssen noch zu viele BIM relevanten bzw. projektspezifischen (Kosten, Verortung, Bauabschnitt, etc.) Informationen händisch an die Elemente angehängt werden. So lässt sich das Arbeiten in 3D für den Fassadenbauer noch nicht rentabel gestalten.
BIM-Stufenplan als Behördenvorgabe
Trotz der doppelten Aufwendungen im Technischen Büro ist die Kostenübernahme für die BIM-Planung eine Quizfrage. „Nette Auftraggeber lassen den Posten BIM-Planung im Leistungsverzeichnis separat bepreisen, andere lassen sich in kleingedruckten Vorbemerkungen bestätigen, dass dem Auftraggeber kostenfrei eine BIM-Planung zur Verfügung gestellt werden muss“, berichtet Hölscher.
Der Unternehmer beschäftigt sich schon lange mit der BIM-Arbeitsweise im Fassadenbau. Seiner Ansicht nach sind die Vorbereitungen in seinem Gewerk noch nicht so weit gediehen, dass bis in zwei Jahren die Technologie in den Betrieben flächendeckend ankommen könnte. Hierfür wäre ein BIM-Stufenplan durch den Gesetzgeber nötig. „Wenn nicht über gesetzliche Vorgaben der Branche sanft Druck gemacht wird, setzt sich keiner mit dem Thema auseinander, weil es lästig ist und Geld kostet“, sagt er und betont: „Werden allerdings gesetzliche Fristen für die BIM-Arbeitsweise gesetzt, muss vorab gesichert sein, dass die Softwareentwickler auch die notwendigen Tools zur Verfügung stellen können.“ Seiner Erfahrung nach gibt es noch keine durchgängige 3D-Planungssoftware für den Fassadenbau. „Insbesondere bei Planungszeichnungen von vorgehängten hinterlüfteten Fassaden (VHF) stoßen wir bei der Software auf Lücken.“ Aus Perspektive der unternehmerischen Interessen rechtfertigt im Fassadenbau der Aufwand für eine 3D-Planung noch nicht den Nutzen.
Vernetzt arbeiten mit 2D+
Mit dem 2D+ Programm hat CAD-Plan eine Zwischenlösung in den Markt eingeführt. Anders als das konventionelle 2D-Programm hat dies eine ERP-Schnittstelle, über die Daten an die ERP-Software des Betriebs übergeben werden können beziehungsweise lassen sich Daten aus Kalkulation, Einkauf und Fertigung mit dem CAD-Programm verknüpfen.
Aus der Zeichnung heraus können Objekte in den Projektbrowser per Klick oder Kreuzen übernommen und dabei gleich in eine übersichtliche Auftrags-/Teilauftrags-Baumstruktur eingeordnet werden. Die mit Athena 2D+ eingeführten räumlichen Informationen von 2D-Objekten, z.B. Länge oder Tiefe, werden dabei berücksichtigt. Der Konstrukteur muss seinen gewohnten Prozess nicht verlassen. Im Athena gibt er den gezeichneten 2D- Objekten noch Prozessbearbeitungen und eine Artikelnummer (Vorbereitung für den 3D-Bereich möglich) mit. Dadurch entstehen Listen- und Auszugsübersichten!
So kann beispielsweise beim Zeichnen einer Konstruktion bereits ein Abgleich mit dem digitalisierten Materiallager vorgenommen werden. Stücklisten brauchen nicht mehr manuell in Excel erzeugt zu werden, sondern lassen sich direkt aus dem CAD-Programm generieren.
Wird für das Zeichnen in 3D aktuell mehr als doppelt so viel Zeit kalkuliert, veranschlagt CAD-Plan bei der Arbeit in 2D+ zwischen 20 und 40% mehr Aufwand, je nachdem, ob sich das Potenzial der Programme nutzen lässt, das heißt, ob das Technische Büro bereits mit den anderen Abteilungen vernetzt kooperiert. Krüger betont, dass die Umstrukturierung der Betriebsabläufe, die mit der digitalen Prozessoptimierung durch 2D+ oder 3D einhergeht, zu einem Großteil zur Beratungsaufgabe der Softwareentwickler geworden ist. „Wir müssen uns einem neuen Aufgabengebiet stellen.“
Gewerkeübergreifend kollisionsfrei
Im BIM-Management (DIN EN ISO 19650) muss ein Informationsaustausch mit den Gewerken gesetzt werden. Für den Austausch der 3D-Daten unter den Gewerken gibt es jedoch noch viel Klärungsbedarf, beispielsweise welche Informationen einem Fassadenelement angehängt werden sollen. Krüger konstatiert: „Es macht sicher keinen Sinn, ein Potenzial von 110 Informationen für ein Bauelement auszuschöpfen.“
Bei der Vergabe (Zeitschiene) müssen Regeln über das Controlling von Projektphasen (Häufigkeiten) festgezurrt werden. Für die Abwicklung der BIM-Struktur entstehen Prozesse, die eine Projektphasenüberprüfung (Leistungsbeschreibung im BIM-Management) voraussetzen, damit der Austausch der Daten in einen Dokumentationsfluss einfließen kann. Eventuell müssen Beauftragte interne Prozesse für die externen Prozesse anpassen. Ein gesicherter Informationsaustausch unter den Gewerken kann nur stattfinden, wenn diese mit den gleichen Datenformaten und Programmen wie die ARGE (Bauherr, Architekten, GUs, Fachplaner) arbeiten.
Das BIM-Modell muss zeitnah immer wieder aktualisiert werden, damit Kollisionen der Gewerke vor Baubeginn vermieden werden können. Bei der Abstimmung via IFC-Daten über den sogenannten BIM-Manager sollten die ausführenden Betriebe auch in ihrer Montageplanung profitieren, insbesondere hinsichtlich der Terminkoordinierung und einer störungsfreien Abfolge der Baustellenarbeiten. Die Bauabläufe lassen sich mittels BIM simulieren, sodass Baustellentermine ohne zeitaufwendige Absprachen unter den Gewerken für den Einbau definierter Elemente ermittelt werden können.
Damit der „digitale Zwilling“ über den gesamten Projekt-Lebenszyklus des Gebäudes genutzt werden kann, brauchen ausführende Gewerke nicht in BIM-Arbeitsweise zu produzieren. Für diesen Zweck sollte es genügen, wenn das Technische Büro oder ein externer Dienstleister die Planungsdaten für das BIM-Modell des BIM-Managers aufbereiten. Dieses BIM-Modell beim Bauherren ermöglicht allen Projektbeteiligten mehr Übersichtlichkeit in der Lebensdauer des Gebäudes. Das Facility Management und der spätere Rückbau gestalten sich einfacher, auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und späterem Recyclierung (z.B. A-U-F, „cradle to cradle“) der Baumaterialien.
Ausblick
Nach Einschätzung der Experten von CAD-Plan sollen im Jahr 2030 ca. 55 Prozent der Fassadenbauer in 3D arbeiten. Gleichwohl, auf das Konstruieren in 2D wird wegen der Tiefeninformationen nie verzichtet werden. Aufklärungsarbeit zeichnet sich ab, dass die BIM-Arbeitsweise nicht nur das Bauen aus der Perspektive der Bauherren optimiert und für die Umsetzung des gesamten Projekts von Vorteil ist, sondern auch mit dem unternehmerischen Interesse der ausführenden Betriebe einhergehen kann.
Unisono plädieren 3D-Softwareentwickler und Fassadenbauer dafür, dass das Vergaberecht im Zuge des Ausbaus der BIM-Arbeitsweise modifiziert werden sollte. Das planerische Fachwissen der diversen Gewerke wird nämlich definitiv zu einer früheren Leistungsphase von den Architekten und Fachingenieuren gebraucht. Wie die Integration der Fachleistungen von verarbeitenden Betrieben zum Zeitpunkt vor der Ausschreibung regulär vergütet werden kann, muss über eine Modifikation des Vergaberechts neu geregelt werden. Passiert das nicht, werden Korruption und unprofessionellen Seilschaften Tür und Tor geöffnet.