Baurecht

Beseitigung von Mängeln

Maßgabe sind Norm & Zweck

Ein Mangel ist eine Abweichung der IST-Beschaffenheit von der SOLL-Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Abnahme. Was auf den ersten Blick als relativ eindeutig erscheint, führt in der Praxis oft zu Streitigkeiten, die letztlich vor Gericht ausgefochten werden. Doch wann genau liegt ein Mangel vor? Und wann muss der Bauunternehmer diesen beheben?

In einem vor dem Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall (Urteil vom 23.11.2021 — 6 U 4362/19) wurde der Auftragnehmer mit der Errichtung eines Neubaus beauftragt. Die vom Auftraggeber gestellte Planung sah an der Nordseite des Neubaus eine schräge Glasfassade vor. Diese war bereits zum Zeitpunkt der Abnahme unter anderem aufgrund von erhöhter innenseitiger Kondensatbildung unstreitig mangelhaft.

Anspruch auf Mängelbeseitigung braucht ausführungsreife Planung

Der Auftragnehmer wurde zur Mängelbeseitigung aufgefordert, verweigerte diese jedoch mit der Begründung, es lägen keine vollständigen Ausführungspläne vor. Und das zu Recht, zumindest hinsichtlich der Leistungen zur Behebung der Kondensatbildung, entscheiden die Richter in 2. Instanz und bestätigen damit das Urteil des Landgerichts. 

Nach Auffassung des Gerichts hat der Auftraggeber als Vorleistung vor Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten die nötigen Ausführungspläne vollständig und ohne Planungsmängel zu übergeben. Solange dies nicht geschehen ist, ist die Mängelbeseitigung nicht fällig und kann folglich vom Auftragnehmer verweigert werden.

Das Urteil stellt klar, dass eine vom Auftraggeber geschuldete, aber nicht erbrachte Vorleistung nach Abnahme noch Bedeutung hat. Die Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten kann verweigert werden, solange die dafür nötige Vorleistung (hier wie so oft die Übergabe der vollständigen und mangelfreien Ausführungsplanung) nicht erbracht wurde.

Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist, gilt beim VOB-Vertrag § 3 Abs. 1 VOB/B: Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer alle für die Ausführung nötigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben. Die Planungsverantwortung liegt damit beim Auftraggeber und der Bauunternehmer ist nicht verpflichtet, die Planungsleistung zu übernehmen. Wenn dann – wie in diesem Fall – die Vorgaben aus der Ausführungsplanung dazu führen, dass ein Mangel auftritt, hat der Auftraggeber zunächst eine ordnungsgemäße Planung vorzulegen, bevor er eine Mangelbeseitigung fordern kann. Sobald der Auftraggeber seine Pflicht erfüllt, muss der Auftragnehmer dann den Mangel beseitigen – jedenfalls wenn er keine Bedenken angemeldet hat.

Anerkannte Regeln der Technik & Funktion

Oftmals entstehen die Meinungsverschiedenheiten schon früher und zwar hinsichtlich der Frage, ob ein Mangel überhaupt vorliegt. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die rechtliche Definition eines Mangels nicht mit der oft vorgefundenen Vorstellung in der Praxis übereinstimmt, wann ein Mangel gegeben ist.

In seinem Urteil vom 18.05.2022 (Az. 14 U 180/21) machte das OLG Celle deutlich, dass allein die Einhaltung der DIN-Normen nicht für die Annahme der Mangelfreiheit der Leistung genügt.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde der Auftragnehmer mit der Errichtung einer behindertengerechten Rollstuhlrampe beauftragt. Nach Fertigstellung verweigerte der Auftraggeber die Zahlung, da die Rampe nach seiner Auffassung nicht benutzt werden konnte, weil das Gefälle zu stark war. Der Bauunternehmer berief sich hingegen darauf, dass ein Mangel nicht gegeben sei, insbesondere da sämtliche DIN-Normen beachtet wurden.

Infolgedessen machte das Gericht Folgendes deutlich:

Allein aus der Einhaltung bestimmter DIN-Normen kann noch keine Mangelfreiheit abgeleitet werden. Ein Mangel ist nicht nur dann gegeben, wenn die Leistung den anerkannten Regeln der Technik nicht entspricht. Er liegt auch dann vor, wenn das Werk sich nicht für den vertragsgemäßen Zweck eignet.

Häufig wird in Bauprozessen vorgebracht, dass eine Leistung „korrekt“, also entsprechend den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt wurde und daher gar kein Mangel vorliegen könne. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass das Werk auch stets seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion zu erfüllen hat. Die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik genügt hierfür nicht.

Deshalb entlastet es den Unternehmer nicht, wenn er zwar die einschlägigen DIN-Normen einhält, die Rampe aber nicht wie vorgesehen von Rollstuhlfahrern genutzt werden kann.

Gleiches gilt für den Fall, dass eine höherwertige als die vertraglich vereinbarte Ausführung  erbracht wird. Auch hier erscheint auf den ersten Blick irritierend, wie etwas scheinbar Besseres einen Mangel darstellen kann.

Doch unter Zugrundelegung des funktionalen Mangelbegriffs, welcher nicht nur auf den objektiven technischen Nutzen, sondern insbesondere auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck und damit die subjektiven Wünsche des Bestellers abstellt, wird deutlich: Jede Abweichung der „IST“-Beschaffenheit von der „SOLL“-Beschaffenheit, also dem vertraglich Vereinbarten, stellt grundsätzlich einen Mangel dar. Dass das Werk für den Auftraggeber wirtschaftlich oder technisch vorteilhafter ist, spielt zunächst keine Rolle. Der Unternehmer kann nicht einseitig den Vertragsinhalt ändern. Und das tut er, wenn er bspw. einen höherwertigen Türdrücker einbaut. Letztendlich entscheidet der Auftraggeber, was verbaut wird.

Zwar verschafft die Rechtsprechung in solchen Fällen oftmals Abhilfe, indem der Auftraggeber bei vergleichbaren Sachverhalten oftmals keine Gewährleistungsansprüche geltend machen, das heißt die Beseitigung des Mangels in Form der höherwertigen Ausführung verlangen kann (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2017 - 6 U 150/16). Der Anspruch auf Mangelbeseitigung wird dem Auftraggeber in diesem Fall regelmäßig nach Treu und Glauben verwehrt sein, jedenfalls dann, wenn dieser nicht gerade besonderen Wert auf die vereinbarte Ausführungsart legt.

Nichtsdestotrotz entstehen dem Auftragnehmer durch die eigentlich nur gut gemeinte und höherwertige Ausführung nicht nur Kosten, es verbleibt das Risiko, dass er zurückbauen muss.

Ein Blick nach links und rechts

Doch nicht nur ein Fehler in der eigenen Leistung kann dazu führen, dass das Werk als mangelhaft angesehen wird.

Aus § 4 Abs. 3 VOB/B ergibt sich eine Prüfungspflicht des Auftragnehmers hinsichtlich der Vorleistung. Der Umfang dieser Prüfungspflicht ist nicht selten Gegenstand von Diskussionen, da der Auftraggeber aus der Vorschrift oftmals eine allumfassende Prüfung sämtlicher Vorleistungen durch den Auftragnehmer ziehen möchte. Dies ist in den allermeisten Fällen jedoch nicht angebracht. Vielmehr umfasst die Prüfungspflicht zunächst nur solche Vorunternehmerleistungen, auf die das Werk des Bauunternehmers aufbaut und die sich auf dessen Werk auswirken können. Der Umfang der Prüfung hängt wie so oft vom Einzelfall ab. Die Vorleistung muss vom Auftragnehmer jedoch grundsätzlich nicht komplett auf sachgerechte und technisch einwandfreie Ausführung geprüft werden, sofern keine deutlichen Anhaltspunkte für eine mangelhafte Leistung vorliegen.

Schließlich findet sich die Grenze der Prüfungspflicht in der Zumutbarkeit, bei der es vordergründig auf die Erkennbarkeit für den Auftragnehmer ankommt. Von Bedeutung sind hier insbesondere das zu erwartende Fachwissen, der Informationsstand über die Vorleistung sowie Umstände, die bei hinreichend sorgfältiger Prüfung erkennbar sind.  

Wird für den Auftragnehmer im Rahmen der Prüfung ein Mangel an der Vorleistung erkennbar, so hat er diesen dem Auftraggeber mitzuteilen. Anderenfalls läuft er Gefahr, dass auch seine (an sich ordnungsgemäß ausgeführte) Leistung als mangelhaft eingestuft wird.

Da der Bauunternehmer für gewöhnlich keine Kontrolle darüber hat, welche Leistung der Nachunternehmer erbringt und auf welche Weise, besteht keine allgemeine Pflicht, die Vereinbarkeit des eigenen Werkes mit dem Nachfolgewerk zu prüfen.

Keine Regel ohne Ausnahme

Der Auftragnehmer wurde mit der Lieferung und dem Einbau von Fenstern beauftragt. Dabei  verwendete er Bänder mit versetztem Drehpunkt, zudem wurde die Winddichtigkeitsfolie entgegen der Planung des Architekten außen auf die Blendrahmen der Fenster geklebt. Der daraufhin von einem anderen Unternehmer angebrachte Putz beeinträchtigte den Öffnungswinkel. Infolgedessen ließen sich die Schrägfenster nur um etwa 50 Grad öffnen.

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.11.2019 — 23 U 208/18) sah einen Mangel an der Werkleistung des Fensterbauers als gegeben an. Zwar war die Verwendung von Bändern mit versetztem Drehpunkt an sich nicht zu beanstanden, ebenso wie das Anbringen der Dichtigkeitsfolie am Blendrahmen. Der Auftragnehmer hätte jedoch den für das Folgegewerk zuständigen Unternehmer oder den Architekten darüber in Kenntnis setzen müssen, dass der erforderliche Öffnungswinkel nicht mehr erreicht werde, wenn die außen auf den Rahmen angebrachten Folien nicht mit einer Leiste abgedeckt, sondern verputzt werden.

Das Gericht betont, dass der Vorunternehmer zwar regelmäßig nicht auf eine hinreichende Koordinierung der Arbeiten hinzuwirken hat. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn er mit möglichen Risiken rechnen muss. Ein solches Risiko ist gegeben, wenn dem Nachunternehmer nicht hinreichend bekannt ist, welche Materialien vom Vorunternehmer verwendet worden sind. Gleiches gilt für den Fall, dass die Leistung des Bauunternehmers als Grundlage für die auf ihr aufbauenden Folgearbeiten nicht geeignet ist. Der Auftragnehmer ist dann in Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz nach Treu und Glauben verpflichtet, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, wie bei den darauffolgenden Arbeiten zu verfahren ist bzw. was hierbei beachtet werden sollte.

Nach den Ausführungen des Gerichts liegt eine solche Hinweispflicht immer dann vor, wenn die Gefahr besteht, dass der Nachunternehmer auch bei Anwendung der anerkannten Regeln der Technik nicht erkennt, dass die Vorleistung keine geeignete Grundlage für sein Werk bildet und wie er diese entsprechend anzupassen hat, um Mängel zu vermeiden.

Fazit

Bei der Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, sollte der Auftragnehmer seine Leistung nicht isoliert, sondern stets im Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung betrachten. Wer sich als Bauunternehmer zudem bewusst ist, dass auch Vorleistungen und Folgegewerke einen Einfluss auf die Mangelfreiheit der eigenen Leistung haben können, kann das Haftungsrisiko in den betreffenden Fällen mittels Bedenkenmeldung minimieren.

Die Autoren

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