Bronze für Schweizer
Andreas Neuenschwander bei den WorldSkillsDie Hobbies von Andreas Neuenschwander sind nicht gerade altersspezifisch. Wer vertieft sich schon leidenschaftlich gern ins Schweißen oder vergisst die Zeit beim Reparieren von Landwirtschaftsmaschinen. Doch hätte ihn die Schweißtechnik nicht gepackt, hätte er sich wahrscheinlich auch nicht das Durchhaltevermögen angeeignet, das für eine Berufsweltmeisterschaft nötig ist. Sechs Wochen lang dauerte der Vorbereitungsmarathon für die 43. internationale Berufs-Challenge in São Paulo – tagtäglich 11 Stunden. Das Ziel: Verbesserung der Ausdauer, der Geschwindigkeit und Präzision beim Schweißen, Sägen, Bohren, Verputzen und vielem mehr. Unterstützt wurde er dabei von der Schweizer Metallunion. Sie zahlte ihm eine Lohnentschädigung und organisierte seine Vorbereitungen für die WorldSkills in einem externen Betrieb. Seine Ausbildungsfirma hatte ihn für diese Zeit freigestellt.
Barfuß über glühende Kohlen
„Während der Vorbereitungsphase gab mir der Trainer jeden Morgen eine neue Aufgabenstellung“, erzählt der 22-Jährige. Zusätzlich absolvierte er an mehreren Wochenenden Vorbereitungskurse von SwissSkills. Auf dem Programm standen Übungen zur Stressresistenz, Medientraining, Wettkampfinfos sowie körperliche Fitness und einiges mehr, um in diesem internationalen Wettbewerb gut bestehen zu können. Wichtig war auch die mentale Stärke. „Wir mussten z.B. barfuß über glühende Kohlen gehen oder uns 111 Dinge in wenigen Minuten merken und wieder repetieren. Zuerst denkt man, was soll das? Das ist unmöglich und nicht zu schaffen. Doch es geht. Wenn man es will, kann man es schaffen. Das habe ich aus diesen Übungen mitgenommen“, schildert der junge Metallbauer lachend: „Ich habe daraus gelernt, dass man seine Grenzen selbst setzen kann und vieles schafft, wovon man zuvor nicht glaubt, dass es möglich ist.“ Die rund neunmonatige Vorbereitungszeit sei durchaus mit einem Training im Spitzensport vergleichbar, heißt es denn auch von der SwissSkills Pressestelle.
Ein guter Zuhörer und Kopierer
Die Leidenschaft für seinen Beruf hat ganz klar familiäre Wurzeln. Bereits als Kind half er gerne im elterlichen Betrieb mit, der in der rund 1.200 Einwohner zählenden Gemeinde Leuzingen im Kanton Bern liegt. Sein Vater repariert landwirtschaftliche Maschinen. Mit großer Neugier schaute er schon als kleiner Junge seinem Vater über die Schulter, schraubte gern, lernte früh das Schweißen und Traktorfahren. Nach der Regelschulzeit kam für ihn auch nichts anderes als eine Metallbauausbildung infrage.
Sein Ausbilder Oliver Hugi erkannte schnell sein Talent: „Er hat zuerst eine Schnupperlehre bei uns gemacht und sich sehr geschickt dabei angestellt.“ Die Firma Hugi metallbau & design in Mühledorf, Kanton Solothurn, ist im klassischen Metallbau tätig. Die Produktpalette umfasst Balkone, Geländer, Treppen, Vordächer und vieles mehr. Der 38-jährige Hugi, der als ehemaliger Kursleiter für überbetriebliche Ausbildung viel Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen hat, schätzt die sehr gute und schnelle Auffassungsgabe seines ehemaligen Azubis. „Er ist geschickt, ein guter Zuhörer und Kopierer“, schildert er die Vorzüge und fügt hinzu: „Wir sind ein kleines Team. Andreas konnte viel Verantwortung übernehmen, auch für relativ anspruchsvolle Projekte, wie sie sonst für Azubis im zweiten Lehrjahr nicht möglich sind“, resümiert der Metallbaumeister. Neuenschwander gibt das Kompliment gerne an seinen Lehrherrn zurück: „Oliver Hugi hat mir sehr viel beigebracht, vor allem konnte ich unterschiedlichste Arbeiten kennenlernen.“
WorldSkills als Wirtschaftsmotor
Für die WorldSkills musste sich Neuenschwander zunächst als bester Metallbauer in der Schweiz profilieren. An vier Tagen stellte er in einem harten beruflichen Wettkampf hierfür sein Können unter Beweis. Für Hugi war es von Beginn an klar, dass Andreas Neuenschwander bei den Schweizer Meisterschaften siegen würde: „Der Erfolg hat mich überhaupt nicht überrascht. Und ich war mir ziemlich sicher, dass er auch in Brasilien gut abschneiden würde.“ Bei den WorldSkills misst sich die Elite in rund 50 Ausbildungsberufen, darunter auch Schweißen (welding) und Metallbau (metal constructor). Die Wettbewerbe finden alle zwei Jahre in einem anderen Land statt.
Laut SwissSkills bringt der Nationenvergleich wichtigen Input für die Wirtschaft und die Bildungssysteme aus den verschiedenen Ländern. Jährlich messen sich deshalb in der Schweiz die besten 15 Azubis eines Berufs und eines Jahrgangs für die internationale Berufs-Challenge. 2015 traten die Schweizer mit ihren Landessiegern in 38 Berufen an. Andreas Neuenschwander reiste mit 40 Kandidaten nach São Paulo. Er ist mit einem guten Gefühl hingefahren und ist sich ziemlich sicher gewesen, dass er gute Chancen auf eine Medaille hat. Nur als die Wettkampfbedingungen kurzfristig geändert wurden, ist er ins Zweifeln geraten. „Bei den früheren Wettbewerben wussten die Teilnehmer vorab, welches Werkstück gefertigt werden musste. In São Paulo galt dies nicht mehr. Wir hatten keine Ahnung, welche Aufgabenstellung uns erwartet.“
Schlechte Maschinenqualität
Am 11. August fiel dann der Startschuss für den viertägigen Wettbewerb – täglich von 8.30 Uhr bis 16 Uhr. Die Metallbauer aus elf Ländern mussten eine Dampflokomotive mit den Maßen von 100 cm Länge, 40 cm Höhe und 25 cm Breite mit Anhänger konstruieren. „Schwierig daran war, in so kurzer Zeit ein so großes Objekt zu machen – und das mit einer Fehlertoleranz von gerade mal 0,5 mm“, sagt Neuenschwander.
Die Arbeitsbedingungen beim Wettkampf waren in Ordnung. „Wir hatten einen guten Gehörschutz, Tisch und Stuhl, alles was wir brauchten“, erinnert er sich. Die Maschinen entpuppten sich hingegen eher als Herausforderung, zumal wenn man Schweizer Präzision gewohnt ist: „Die Maschinen in São Paulo waren von so schlechter Qualität. Selbst die schlechtesten Maschinen in der Schweiz sind noch wesentlich besser als die, die uns für den Wettkampf zur Verfügung gestellt wurden“, kritisiert er. Das habe ihm auch die Punkte für eine Silber- oder gar Goldmedaille gekostet. „Ich war richtig demotiviert deswegen, meine Nerven lagen teilweise blank, ich bin es nicht gewohnt, mit so schlechten Maschinen zu arbeiten.“ Doch am zweiten Tag habe er sich auf seine mentale Stärke besonnen, schlussendlich sei sein Anhänger das beste Werkstück im Wettbewerb gewesen. „Da hat alles gepasst: die Gestaltung, aber auch die Optik“, erzählt er. „Den ersten Platz hat ein Koreaner gemacht, den zweiten ein Brasilianer – mit einem Punkt Abstand zu mir“, ärgert sich Neuenschwander noch heute ein bisschen.
Seinem Betrieb eine treue Seele
Der 22-Jährige ist seinem Ausbildungsbetrieb eine treue Seele geblieben. „Mein Platz ist hier. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders hinzugehen. Meine Arbeit ist sehr vielseitig, ich kann alles machen: In der Werkstatt arbeiten, an Lösungen tüfteln oder Büroarbeit. Ich habe mit Menschen zu tun, kein Tag ist wie der andere. Meine Zeit kann ich mir selbst einteilen – und das in meinem Traumberuf. Was will ich mehr?“ Die Ausbildung zum Werkstattleiter reizt ihn: „Ich möchte später selbst ausbilden“, sagt er.