Design mit Metallgewebe
Der „Stoff“ für ArchtekturträumeMetallgewebe eignen sich für außergewöhnliche Gestaltungen im Innen- und Außenbereich, für Fassadenverkleidungen und als Sonnenschutz. Sie bieten Sichtschutz und Absturzsicherheit und verfügen über eine extrem lange Lebensdauer. Dreidimensionale Formen und farbige Gestaltungen gehören zu den topaktuellen Trends im Fassadenbau.
Drahtgewebe gehören zu den Leidenschaften des westfälischen Unternehmens Haver & Boecker. 1887 als Drahtzieherei und -weberei gegründet, wurden bald nicht nur Gewebe und Drahtwaren produziert, sondern auch die Webmaschinen gebaut. Heute gliedert sich das weltweit aufgestellte Familienunternehmen in die beiden Geschäftsbereiche Drahtweberei und Maschinenfabrik und stellt auch Packmaschinen sowie Füllautomaten und Aufbereitungsanlagen für Schüttgüter aller Arten her. Der Betrieb beschäftigt knapp 3.000 Mitarbeiter, allein in Deutschland 1.500, und bildet im seltenen Beruf Metallgewebemacher aus. 2019 belief sich der Jahresumsatz auf 530 Millionen Euro.
Preis für Gewebeelemente
Die Drahtweberei fertigt Tausende verschiedener Drahtgewebesorten für die Absiebung, Filtration, Messtechnik und den Architekturbereich. Aus den technischen Geweben werden konfektionierte Siebe, Filter und diverse Produkte für unterschiedlichste Branchen hergestellt. Das Spektrum reicht von groben Siebgeweben für Kiese bis zu feinsten Filtrationsgeweben aus Drähten, die 10-fach dünner sind als das menschliche Haar. Die Kosten für Fassaden mit Architekturgewebe liegen im Durchschnitt um die 150 Euro pro Quadratmeter, die preisliche Spannweite liegt meistens zwischen 100 und 200 Euro. Enthalten sind die einbaufertigen Gewebeelemente inklusive Spannhaken, exklusive Unterkonstruktion und entsprechende Baunebenkosten wie Statik.
Sonnenschutz mit Kühleffekt
Seit etwa zwei Jahrzehnten wird Drahtgewebe mehr und mehr für die Gestaltung von Außen- und Innenbereichen sowie für künstlerische Objekte entdeckt. Mit seiner puristischen Eleganz passen Gewebe aus rostfreiem Edelstahl perfekt zu moderner Architektur aus Beton, Stahl und Glas. Als sogenanntes Architekturgewebe dient es im Außenbereich beispielsweise als Sonnenschutz, zur Absturzsicherung oder als Sichtschutz, im Innenbereich als Raumteiler oder zur Wandgestaltung. Typische Anwendungen sind außerdem Geländerfüllungen, Heizkörperverkleidungen oder Deckenabspannungen. Drahtgewebe können auch bedingt für Schallschutzmaßnahmen verwendet werden. Durch die abschirmenden Eigenschaften gegen elektrische und elektromagnetische Felder werden sie zudem als Faradayscher Käfig genutzt. Hierfür wird das Drahtgewebe meist in Trägermaterial einlaminiert, beispielsweise bei Flugzeugrümpfen, Rotorblättern oder auch in Glas für Fassaden.
Haver & Boecker fertigt Architekturgewebe zu 90 Prozent aus molybdänlegiertem Edelstahl, optional auch aus Aluminium, Kupfer, Messing und Zinnbronze sowie Hybridgewebe mit Kunststoffen. Kupfer und seine Legierungen sind allerdings korrosionsanfällig, sie werden mit der Zeit dunkel bis schwarz und nach zirka 20 Jahren grün. Zu den besonderen Vorteilen von Architekturgeweben zählen die extrem lange Lebensdauer und minimaler Wartungsaufwand, eine je nach Blickwinkel variierende optische Wirkung von transparent bis blickdicht, das zeitlose Erscheinungsbild und damit auch die ideale Eignung für Modernisierungen sowie die hohe Luftdurchlässigkeit für eine natürliche Ventilation.
Ganz besonders gut eignet sich Architekturgewebe als Sonnenschutz mit dem Vorteil, dass es sich kaum aufheizt. Der Grund ist das optimale Verhältnis von Oberfläche zu Masse. Die Oberfläche eines Metallgewebes, d.h. die Summe der Oberfläche der einzelnen Drähte, ist im Vergleich zur Masse sehr groß. Positiv wirkt sich auch das vergleichsweise geringe Gewicht der Gewebe aus, denn die Stahlunterkonstruktion kann bedeutend schlanker ausgelegt werden. Außerdem wird die Gewebefläche durch die natürliche Luftströmung permanent gekühlt. Die durch das vorgehängte Metallgewebe erzielte Verschattung führt zu einem niedrigen G-Wert von Fassaden, der Wärmeeintrag ins Gebäude ist gering. Letztlich wird dadurch Energie zur Klimatisierung gespart. Ein Beispiel dafür ist das Gewebe Largo Twist. Wird der G-Wert der Fassadenverglasung mit 1 angenommen, so wird er durch das vorgehängte Gewebe auf 0,1 reduziert. Erreicht wird dies durch horizontale Flachstäbe, die lamellenartig um 30 Grad angeordnet sind.
Meterware nicht von der Stange
Helmut Schumacher, Leiter des Geschäftsbereiches Architekturgewebe bei Haver & Boecker, erklärt: „Architekturgewebe ist bei uns zwar nur ein Nischenprodukt, trotzdem teilen wir uns mit einem anderen großen deutschen Hersteller etwa 75% des Marktes in der westlichen Welt.“ Haver & Boecker führt ca. 15 Standard-Architekturgewebe im Portfolio, davon sind einige Sorten in kleineren Mengen ständig verfügbar. Ansonsten ist die Fertigung individuell und projektgebunden. „Anfangs haben wir den Architekten Standard-Lagerware angeboten. Das haben wir sehr schnell aufgegeben“, sagt Helmut Schumacher und begründet: „Nicht nur die Objekte sind von den Dimensionen her viel zu spezifisch, auch die Architekten bevorzugen exklusive Gewebe mit einmaligem Erscheinungsbild.“
Drahtgewebe sind im Vergleich zu Lochblech oder Streckgitter wesentlich transparenter, d.h. licht- und luftdurchlässiger und bieten gänzlich andere Verwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Lochbleche und Gitter sind im Normalfall auf Tafelgrößen von etwa zwei mal drei Meter begrenzt. Fassaden erhalten so eine Kassettenstruktur. Architekturgewebe hingegen lassen sich in vielen Fällen über die gesamte Höhe einer Fassade spannen. „Die maximalen Breiten der Gewebe liegen bei drei bis vier Metern, bedingt durch die Webmaschinen. Die längsten Elemente, die wir bisher in einem Stück gefertigt haben, waren 60 Meter lang“, so Helmut Schumacher.
Im Durchschnitt werden 20 bis 30 laufende Meter gewebt. Für den Transport müssen diese Längen aufgerollt werden. Je nach Gewebetyp und Drahtdurchmesser liegen die Rollendurchmesser zwischen 60 und 100 Zentimetern. Wichtig ist, dass sich das Drahtgewebe durch das Aufrollen nicht dauerhaft deformiert, sondern sich immer wieder in den flächigen Urzustand zurückbewegt. Bei Tafelware ist man auf die Länge der Lkws begrenzt. Bis etwa 12 laufende Meter sind machbar. Wann immer möglich, werden die Gewebeelemente einbaufertig zur Baustelle geliefert, einschließlich Spanntechnik oder Rahmen. Bei gerolltem Gewebe wird der mögliche Kantenschutz erst nach der Montage aufgesteckt.
Schlanke Unterkonstruktion aus Stahl
Helmut Schumacher verweist auf eine besondere Herausforderung bei der Herstellung, denn die verschiedenen Gewebesorten für Anwendungen in diversen Branchen haben ganz eigene Randbedingungen. „Während Architekturgewebe vor allem über eine sehr hohe und konstante Oberflächengüte verfügen müssen und die Webedrähte keinerlei Farbnuancen oder Unterschiede im Brillianzgrad haben dürfen, sind diese Eigenschaften zum Beispiel bei Siebgeweben für Siebmaschinen oder bei Feinstgeweben zur Filtration oder für die Messtechnik zweitrangig. Hier kommt es vor allem auf eine hohe Präzision der Maschenweite an.“ Das erfordert im Unternehmen ein breites Know-how und erklärt, weshalb Haver & Boecker in der Drahtweberei auch über einen eigenen Webmaschinenbau sowie über einen Werkzeugbau verfügt.
Zur Befestigung an Fassaden benötigt Architekturgewebe eine Unterkonstruktion aus Stahl mit oberen horizontalen Lastaufnahmen aus L- oder Doppel-T-Profil und unteren Gegenlagern zum Spannen. Je nach Größe der einzelnen Gewebeelemente genügen zusätzliche, geschossweise angebrachte Zwischenbefestigungen an den verschiedenen Ebenen des Gebäudes. Durch sie werden die horizontalen Lasten aufgenommen sowie die mögliche Auslenkung des Gewebes reduziert. So wird auch verhindert, dass die Gewebebahnen beispielsweise bei Wind gegen die Fassade schlagen. Die Unterkonstruktion muss statisch nach den regionalen Bauvorschriften wie zum Beispiel Eurocodes berechnet werden. Architekturgewebe wiegt je nach Typ zwischen vier und zehn Kilogramm pro Quadratmeter, die aufzunehmenden Lasten betragen im Durchschnitt etwa 15 bis 20 Kilonewton pro Meter.
Metallbauer, die Drahtgewebe verarbeiten und zum Beispiel eine Fassadenverkleidung ausführen, werden von Haver & Boecker bedarfsweise rundum unterstützt: vom Aufmaß vor Ort, der statischen Berechnung der resultierenden Kräfte bis zur Montageeinweisung und -unterstützung. Haver & Boecker liefert die einbaufertigen Gewebeelemente, der Metallbauer berechnet die Befestigungselemente, baut und montiert die Stahlunterkonstruktion und montiert das Gewebe. Bei der Montage unterweist gegebenenfalls ein Haver & Boecker-Techniker das sachgerechte Handling, also wie das Gewebe mittels Hebezeug oder Autokran und Montagehaken aufgerollt, hochgezogen und montiert wird. „Sehr häufig haben die Monteure wenig Erfahrung, wie Metallgewebe zu handhaben sind. Kurze Schulung und Anleitung ist daher hilfreich“, so Schumacher. Dem Monteur wird auch angegeben, mit welcher Vorspannung er arbeiten muss und wie er das über den Kompressionsgrad der Federn umsetzt. Ist das Gewebe montiert, bedarf es keiner Wartung. Es muss weder nachgespannt noch gereinigt werden. „In Mitteleuropa wäscht Regen den Staub in der Regel ab.“
Trend: Mut zu Farbe und Form
„Wir können bei Architekturgeweben zwei Trends festmachen“, sagt Helmut Schumacher: „Mehr Mut zur Farbe und zu dreidimensionalen Formen. Neben einfarbigen Flächen sind Streifen und Motive beliebt.“ Während in Innenbereichen auch Gewebe aus farbig eloxiertem Aluminium oder hybride Gewebe mit Kunststoffstäben oder Stofffäden eingesetzt werden, wird für den Außenbereich fast ausschließlich Edelstahl verwendet, der nach dem Weben bedarfsweise partiell oder vollflächig mit einer speziellen Lackierung farbig gestaltet wird. Sie bietet eine ausgewiesen gute Beständigkeit, auch in rauen Umgebungen. Nachbesserungen kleinerer Schäden, die auf der Baustelle passieren können, sind möglich. „Wir haben über zehn Jahre Erfahrung mit lackierten Gewebeflächen, die an Fassaden montiert sind. Bisher gab es keine Abplatzungen“, betont Helmut Schumacher.
Auch dreidimensionale Formen sind ein großer Trend. Das Spektrum reicht von exakt verformten Elementen, die sich zu Mustern aneinanderreihen, bis zu unregelmäßig gebogenen und wie zufällig drapierten Gewebebahnen. „Architekten und Innenarchitekten fragen bei uns nahezu täglich mit neuen Ideen an. Wir prüfen die technische Umsetzbarkeit und entwickeln sie gemeinsam bis zum Produkt weiter“, so Schumacher. Die Vorstellungen seien sehr individuell und ausgeprägt, denn jeder will etwas Besonderes, keiner eine Wiederholung. „Das ist manchmal ziemlich schwierig für uns. Und weil die Wünsche meist sehr speziell sind, haben wir eigene Produktentwicklungen nicht weiterverfolgt.“
Je nach Dimension und Art der Verformungen werden die Elemente im Werk vorgefertigt oder direkt auf der Baustelle umgeformt. Großformatiges wird auf der Baustelle gemacht. Hier ist die Unterkonstruktion gefordert, denn sie muss Umlenkpunkte bieten. Kleinere Elemente werden mit entsprechenden Werkzeugen und Maschinen im Werk vorbereitet. Dabei kann der Grad der Verformung relativ groß sein und wird mit thermischen Zwischenbehandlungen erreicht.
Vorteile von Architekturgewebe
Gestaltungsfreiheit
Die Vielfalt der Gewebetypen, unterschiedlichste Optionen in der Farbgebung und eine große Auswahl an Befestigungslösungen bieten nahezu unbegrenzte individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.
Natürliche Ventilation
Die Transparenz eines Architekturgewebes ermöglicht eine natürliche Ventilation. Die offene Gewebefläche kann so angepasst werden, dass die jeweiligen Anforderungen an Be- und Entlüftung erfüllt werden.
Sonnenschutz
Architekturgewebe dient als effektiver Sonnenschutz, insbesondere um steil einfallende Sonnenstrahlung zu filtern und die Erwärmung des Gebäudes zu reduzieren.
Absturzsicherung
Drahtgewebe aus Edelstahl kann als Personenabsturzsicherung dienen, z.B. an Parkhäusern oder bei Verkleidungen von außen liegenden Treppentürmen und Laubengängen.
Transparenz und Sichtschutz
Dank ihrer Struktur wirken Drahtgewebe bei frontalem Blickwinkel von innen transparent. Gleichzeitig können Gewebefassaden von außen, abhängig von Blickwinkel und Lichtsituation, nahezu geschlossen wirken.
Langlebigkeit
Architekturgewebe zeichnet sich durch eine extrem lange Lebensdauer aus und ist durch die Verwendung von korrosionsbeständigem Edelstahl und robuster Befestigungstechnik wartungsfrei.
Bauen im Bestand
Architekturgewebe eignen sich hervorragend für den Umbau, den Ausbau oder die Modernisierung von Bestandsgebäuden. Sie sind moderne Gestaltungselemente, die Alt und Neu verbinden.
Farbgestaltung
Verschiedene Verfahren können für individuelle Farbgestaltungen genutzt werden: Buntmetalle, lackierte und bedruckte Gewebe, Gewebeilluminationen oder auch transparente Medienfassaden.