EN bringt D-A-CH-Länder näher

Verbände kooperieren länderübergreifend

Europa wächst zusammen – auch im Stahl- und Aluminiumbau. Zunächst ging es um die EN 14351 für Fenster und Türen und um die EN 13830 für Vorhangfassaden, derzeit kooperieren die Fachverbände in Österreich, Schweiz und Deutschland in punkto EN 1090.

Die Schweiz setzt die EN-Normen im Rahmen ihrer bilateralen Abkommen mit der EU um. Die Fristen sind nicht immer dieselben. Die Bauproduktenverordnung ist in Deutschland und Österreich beispielsweise seit Juli 2013 in Kraft, in der Schweiz erfolgt die Umsetzung voraussichtlich im dritten oder vierten Quartal 2014, wie Fabio Rea informiert, Geschäftsführer der Schweizerischen Zentrale Fenster und Fassaden (SZFF) in Dietikon.

Mehr länderübergreifende Kooperation. Für Diskussionsstoff sorgt die europäische Harmonisierung der nationalen Normen vor allem, weil auch Prüfverfahren und Klassifizierungsnormen neu definiert werden. Es geht sozusagen um einen Perspektivenwechsel. Der europäische Blick auf die Produkte ist oft ein anderer. Diese neue Sichtweise erfordert Kommunikation mit den verarbeitenden Metallbaubetrieben. „Die Umstellungen sorgen für einen erhöhten Schulungsbedarf unserer Metallbau-Fachbetriebe“, berichtet Harald Wanke. Er hat bei Alukönigstahl in Wien die Leitung Technik und Entwicklung International inne.

Vorteile der EN für Systemgeber wie Alukönigstahl liegen auf der Hand. „Wir als exportorientiertes Unternehmen profitieren von der Europäisierung der Normenlandschaft – die anfänglichen Aufwendungen sind schnell wettgemacht“, meint Wanke. Die EN-Normen für Fenster und Vorhangfassaden sind Beispiele dafür, dass die europäische Harmonisierung bereits funktioniert. Alle D-A-CH-Länder haben die Umsetzung hinter sich und in den Geschäftsalltag integriert.

„In der Schweiz hat die Übernahme der Produktnorm EN 14351-1+A1:2010 für Fenster und Türen sowie die EN 13830 für Vorhangfassaden keine Probleme bereitet“, stellt Rea fest. Der SZFF-Geschäftsführer führt aus: „Diese beiden Normen wurden durch die SIA-Norm 331 Fenster und Fenstertüren, SIA 343 Türen und Tore und SIA 329 Vorhangfassaden als Anforderungsnormen ergänzt.“ Auf diese Weise wurden die nationalen Besonderheiten definiert.

In Österreich sind die entscheidenden Interessensverbände der Branche in der Wirtschaftskammer Österreich in Wien angesiedelt, sowohl für den Stahlbau als auch für die Verarbeiter von Aluminium. Die Verarbeiter von Aluminium sind in der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenster/Türen/Tore/Fassaden (AMFT) zusammengeschlossen – dem Pendant zum deutschen Verband der Fenster- und Fassadenhersteller (VFF). Geschäftsführer Dipl.-Ing. Karlheinz Rink berichtet: „Damit wir die Vorgaben diverser Dokumente einheitlich interpretieren, haben wir uns mit dem VFF in Frankfurt und der SZFF in Dietikon abgestimmt.“ Anlass für den verstärkten länderübergreifenden Kontakt sind seiner Ansicht nach ganz klar die europäischen Normen. Über die Zusammenarbeit in den europäischen Normenausschüssen hinaus gibt es entsprechende Merkblätter und Positionspapiere zu den jeweils aktuellen Themen – wie etwa zur Bauproduktenverordnung. Diese werden gemeinsam im europäischen Schulterschluss erarbeitet. Rea vom SZFF räumt ein: „Wegen landesspezifischer Interessen gestaltet sich die Kooperation unter den D-A-CH-Verbänden schwierig. Die unterschiedlichen Traditionen in den Ländern lösen immer wieder langwierige Debatten aus.“

Neben den Fachverbänden sind auch die Systempartner bei der Umsetzung der EN- Normen eine Stütze. In der Schweiz werden hauptsächlich Systeme von europäischen Systemhäusern verarbeitet. Deshalb werden für die Auslegung und Umsetzung der Normen vielfach Techniker aus diesen Stammhäusern hinzugezogen.

In Österreich dominieren die Systeme von Schüco, die durch AluKönigStahl vertreten werden, und Hueck den Markt. Rink weist hin, dass sich die Metallbaubranche bei vielen Umstellungen vergleichsweise leicht tut. „Die Zusammenarbeit der Metallbaubetriebe mit den Systemlieferanten vereinfacht manches, in der Tischler-Branche beispielsweise gibt es kaum eine vergleichbare Partnerschaft.“

EN 1090 positiv für Verbände. Georg Matzner, Geschäftsführer des Österreichischen Stahlbauverbandes in Wien, geht davon aus, dass alle großen Stahlbaubetriebe nach der EN 1090 zertifiziert sind, viele kleinere Metallbaubetriebe hingegen nicht. Er meint, dass viele mit einem typischen österreichischen „Naja, das wird schon nicht kommen“ die Zertifikation allzu gelassen sehen. Der Branchenexperte ist überzeugt, dass es bei einigen ein böses Erwachen geben wird. Klar ist: „Wer nach Juli 2014 nicht über die Zertifizierung verfügt, darf nichts mehr verkaufen.“

Für kleine Schlosserei- und Metalltechnikbetriebe sind die Prüfungen mit einigen Hürden verbunden. Die Branchenverbände haben deshalb Konjunktur, ohne ihre Unterstützung ist die Zertifikation für viele nicht zu bewältigen. Beispielsweise ist es für Betriebe mit fünf Mitarbeitern schier unmöglich, sich einen Überblick über die Normen selbst zu erarbeiten. „Die drei Teile der EN 1090 sind mit knapp 200 Verweisen auf andere Normen versehen“, berichtet Matzner. Angesichts der umfassenden Unterlagen, die nötig sind, ist es für kleinere Betriebe schwierig, den Überblick zu wahren. Sie verfügen nicht über die personellen Kapazitäten, um permanent auf dem aktuellen Stand der normativen Vorgaben zu sein. Matzner verdeutlicht: „Schließlich gibt es bei 200 Normen fortlaufend Änderungen, die den Betrieben nicht bekannt sind, aber eigentlich berücksichtigt werden müssten.“ Ein automatisiertes Informationssystem über Normänderungen könnte bei den Betrieben für Klarheit sorgen. Der Stellenwert einer rechtssicheren Ausführung sollte nicht unterschätzt werden.

Ein anderes Beispiel sind die neuen Anforderungen an die technischen Kenntnisse des Schweißaufsichtspersonals. So ist inzwischen für die Ausführungsklasse EXC2, also für Baustähle ab einer Materialstärke von größer 25 mm bis 50 mm ein Schweißtechniker notwendig. Die Ausbildungsabschlüsse Geselle und Meister sind keine ausreichenden Ausbildungsabschlüsse, um die Zugangsvoraussetzung zu erfüllen.

Auch bei den Planern lässt sich ein Informationsbedarf in Sachen EN 1090 feststellen. „Vielfach sind diese nicht in der Lage, im Leistungsverzeichnis die angemessenen Ausführungsklassen anzugeben. Nach dem Motto „je höher die EXC-Klasse umso sicherer das Produkt“ werden unnötige Kosten für Prüfungen verursacht“, berichtet Matzner. Aufgrund der unangemessenen Angaben im Leistungsverzeichnis können ausführende Betriebe nicht die geforderten Nachweise bringen und fallen aus dem Wettbewerb. „Das ist sehr ärgerlich.“

Der Branchenkenner geht nicht davon aus, dass die EN 1090 zu einer stärkeren internationalen Tätigkeit der Betriebe führt. „Große Stahlbaubetriebe, die sowieso internationale Objekte ausführen, werden dieses Standbein vielleicht forcieren können, einige kleinere Betriebe werden sich möglicherweise etwas internationaler ausrichten.“ Ein einfacheres Management für internationale Objekte braucht nicht nur einheitliche Normen, sondern auch länderübergreifende Abrechnungs- und EDV-Systeme – etwa um Werkstattzeichnungen fehlerfrei von England nach Österreich zu übermitteln. „Dauert die Arbeitszeit für die Abrechnung des Objektes länger als die Planung, kann etwas nicht stimmen“, konstatiert Matzner.

Fazit: Ob der Kostenschub – ca. 5.000 Euro für zwei EN-1090-Audittage – den erhofften Qualitätsschub bringt, daran hat Stahlbauexperte Matzner seine Zweifel. „Gewinner der Harmonisierung sind in erster Linie der TÜV und die Zertifizierer.“ Konkrete Vorteile ergeben sich für die Systemlieferanten und für ausführende Metallbauunternehmen, meist ab einer Betriebsgröße von 50 Mitarbeitern, die bereits international Projekte ausführen. Den Schwarzen Peter ziehen kleinere Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern. Konkrete monetäre Vorteile ergeben sich für sie zunächst keine, der Gewinn liegt in nachvollziehbaren Arbeitsprozessen und Qualitätssicherung.

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