Elektronische Vergabe
Digitale Helfer werden PflichtVielen Metallbauern ist die elektronischen Vergabe geläufig. Laut Verband Fenster und Fassade (VFF) nutzen 75 Prozent der 400 Mitglieder das digitale Vergabeverfahren bei öffentlichen Bauvorhaben. Digital-Muffel sollten sich ab Oktober umstellen, der vermeintliche IT-Schnickschnack wird zur Pflicht.
Die Digitalisierung ist im Zuge von Industrie 4.0 seit gut einem Jahrzehnt in vollem Gang. Diejenigen, die Tablets oder 3D-Modelle als vorübergehende Trends verstehen, sollten sich fortan damit beschäftigen. Kurzfristig gilt für alle Metallbauer, die Aufträge von öffentlicher Seite wollen, sich auf das digitale Vergabeverfahren einzustellen. Mittel- und langfristig sollten alle Betriebe nachziehen, die bisher noch mit Papier und Stift ans Werk gehen.
IT-Abläufe ohne Alternative
Die Digitalisierung wird alle Teile der Wertschöpfungskette durchdringen und auch IT-affine Privatkunden werden so bestellen und planen wollen. „Es ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens“, betont Matthias Öhler, Rechtsanwalt für Vergaberecht. Die Digitalisierung werde selbst die kleinsten Betriebe in den nächsten Jahren erreichen. Denn öffentliche Bauvorhaben — auch unter festgelegten EU-Schwellenwerten — werden zunehmend digital ausgeschrieben, um in der Verwaltung Fehlerquellen zu eliminieren, Zeit zu sparen und Transparenz herzustellen.
Damit erhalten KMUs die Möglichkeit, ihren Anteil am Volumen dreistelliger Milliardenbeträge im Bausektor abzugreifen, heißt es beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). „Die verbindliche Einführung der E-Vergabe am 18. Oktober für alle Vergabestellen ist ein wichtiger Schritt zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“, betont Felicia Fischer, Referentin beim IT-Branchenverband Bitkom. Bei der Umsetzung gebe es allerdings Kommunikationsdefizite.
Das Problem vor dem Hintergrund einer boomenden Konjunktur und oft in IT-Themen überforderten Multiplikatoren: Kammern und Verbände hätten sich mit dem Thema bisher unzureichend beschäftigt. Bitkom bemängelt, dass es zu wenige Informationsveranstaltungen gegeben habe und insgesamt zu wenig Aufklärung. Die Folge: Viele Verantwortliche tappen im Dunkeln.
18. Oktober Stichtag
So sind viele Kommunen, Behörden und andere öffentliche Vergabestellen auf den Stichtag 18. Oktober nicht hinreichend vorbereitet. Laut Bitkom fehlen zentrale Anlaufstellen, bei denen sich Amts- und Fachleiter Hilfe holen können. „Wer sich bis heute nicht mit dem Thema beschäftigt hat, wird Schwierigkeiten haben, die E-Vergabe bis Oktober umzusetzen“, warnt E-Vergabe-Expertin Fischer.
Ein weiterer kritischer Punkt ist der Umgang mit verpassten Fristen. Etwa, wenn Vergabestellen bis zum 18. Oktober noch keine Umstellung vorgenommen haben. Ob dann Sanktionen verhängt werden, ist bislang unklar.
„Die größte Herausforderung bei der Umsetzung der E-Vergabe ist die Digitalisierung der Prozesse“, so Fischer. Analoge Prozesse können in der Regel nicht eins zu eins in digitale Prozesse umgesetzt werden. Eine Pauschallösung gebe es nicht. Vielmehr müsse jede Verwaltung je nach interner Struktur und Organisation die bisherigen analogen Prozesse in digitale Prozesse übersetzen. „Die elektronische Vergabe ist im Kern nur ein Instrument, das die Kommunikation von Auftraggebern und Bietern betrifft. Die impliziert hingegen kein elektronisches Vergabemanagementsystem.“
Vor- und Nachteile
„Die Vorteile des elektronischen Ausschreibeverfahrens liegen klar auf der Hand“, sagt Markus Jäger, technischer Berater des Bundesverbands Metall (BVM). Inhalte des Bauvorhabens seien für jedermann einzusehen, Kommunikation und Angebote würden digital übersendet und klare Vorgaben im auszufüllenden Formular vermieden Fehler.
„Natürlich gibt es auch Schattenseiten des Verfahrens“, erklärt Öhler, der eng mit der österreichischen Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenster/Türen zusammenarbeitet. So sollten sich Metallbauer an die Formalien halten. Denn fehlen Unterschrift oder Adresse, ist das Angebot aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Als Kriterien wertet die Vergabestelle unter anderem Löhne der Arbeiter, die dem nationalen Mindestlohn entsprechen müssen; Referenzen, technische Möglichkeiten und vor allem der Preis, weil der Günstigste in der Regel den Zuschlag bekommt. So sinkt das Risiko von Täuschung, Lohn- und Sozialdumping und die Angebote gewinnen generell an Transparenz und werden in Details mit einem Klick vergleichbar.
Entscheidet sich die Vergabestelle für ein teureres Angebot, muss sie dafür Gründe nennen und sich legitimieren. Das Verfahren erhöht die Rechtssicherheit, da eingesetzte Tools fehlende Angaben ausschließen bzw. identifizieren. Die E-Vergabe ändert zugleich nichts an den komplexen vergaberechtlichen Vorschriften, navigiert den Bieter aber zielsicher durch das Verfahren. „Um das öffentliche Auftragswesen zu verschlanken, bräuchte es einfachere Formulare und Verfahrensvorschriften“, glaubt Fischer.
Ausschreibungen & BIM
Ziel des e-Procurements ist es, künftig Kostenexplosionen und Fehlerplanungen wie beim Berlinger Großflughafen BER oder der Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs (S21) zu vermeiden. Die Vergabe könnte ebenfalls über Building Information Modeling (BIM) abgewickelt werden.
In Sachen BIM sind die Niederlande, Finnland oder Dänemark sind der Bundesrepublik weit voraus: Sie benutzen BIM, wo sämtliche Informationen technischer, kaufmännischer, juristischer oder baufortschrittlicher Art dokumentiert sind. Beteiligte bekommen unterschiedlich umfangreiche Zugriffsrechte, sodass in Echtzeit jeder Partner Einsicht in den Stand der Entwicklung hat. Ampelsysteme können Fehlentwicklungen visualisieren.
BIM ist also eine Art virtueller Gebäudeplan, in dem der Metallbauer nicht nur sieht, wo er Brandschutztüren oder Geländer anbringen muss, sondern auch deren Maße und Qualitäten hinterlegt sind. Der Elektriker weiß analog, wo er Schlitze klopfen und Kabel ziehen muss. Aufmaße und Massen liegen ihm wiederum aus der Ausschreibung vor, für die er bereits seinen Einkauf kalkuliert hatte. Es geht also durchgängig um Vermeidung von Doppelarbeiten, Transparenz und Aktualität in Echtzeit.
Die digitalen Modelle werden mit den nötigen Informationen und Daten gespeist, die für ein Bauvorhaben erforderlich sind. „Das hat den Charme, dass, wenn in der Planungsphase etwas geändert wird, die Änderungen sofort eingepflegt und die Auswirkungen sofort sichtbar werden“, erklärt Jens Bille vom Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover (HPI). So können vom Elektriker über den Metallbauer bis zum Innenarchitekt die Ergebnisse dreidimensional eingesehen werden, bevor das Objekt entsteht.
Schulung für neue Technik
Dennoch gilt wie bei der E-Vergabe, dass sich die Beteiligten zuvor intensiv mit der benötigten Soft- und Hardware und deren Handling auseinandersetzen und fortbilden. Eine Anlaufstelle hierfür ist das „Schaufenster Digitales Bauen“, das innerhalb des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk entstand und im Rahmen des Projekts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom BMWi gefördert wird.
Bereits vor drei Jahren sah Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) neue Chancen und Möglichkeiten in der 3D-Planung und startete gleich vier Pilotprojekte zur Erprobung von BIM. Die Folge: Der Bayer erklärte Bauen und Planen von Verkehrsinfrastrukturprojekten mit BIM ab 2020 zum Standard. Bislang mit geringer Bewegung auf Seiten der Bauunternehmer. Den meisten ist bekannt, dass öffentliche Auftraggeber ihre Auftragnehmer gesetzlich zu BIM verpflichten wollen, aber es gibt bislang sehr wenige, die die BIM-Arbeitsweise einsetzen.
Schaufenster Digitales Bauen Kompetenzzentrum Digitales Handwerk
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