Für den Arbeitsschutz zertifiziert

Ein Plus dank Managementsystem

Zertifizierungen werden von Metallbauunternehmen oftmals als lästiges Übel betrachtet, das den Arbeitsalltag eher behindert und Ressourcen bindet. Doch inzwischen entdecken auch kleinere Unternehmen, dass sich die Mühen rechnen. Metallbauer Moradelli in Kirchheim hat sich freiwillig einer ganzen Reihe von Zertifizierungen unterzogen und profitiert.

"Wer als Unternehmen langfristig bestehen will, muss sich auch hinsichtlich der erforderlichen Zertifizierungen ständig auf den neuesten Stand bringen“, erklärt Thomas Sauer, der gemeinsam mit Walter Niederfriniger das Metallbauunternehmen Moradelli leitet. Seit 220 Jahren ist die Firma in Kirchheim, im Süden Deutschlands ansässig. Mit Thomas Sauer ist bereits die siebente Generation im Metallbau tätig: „Und ich möchte, dass auch die nächste Generation hier arbeiten kann“, sagt er. Seine Vorfahren kamen aus Trient und waren unter anderem für handwerklich-künstlerische Arbeiten am Wittelsbacher Königshaus bekannt. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts begann man mit der industriellen Fertigung von gelochten Blechen. Bis heute gehören Lochbleche, Prägebleche und kombinierte Prägelochungen zum Kerngeschäft des Unternehmens.

Gefertigt werden Standardformate, Serien oder Sonderbauteile, auch mit komplizierten Geometrien, für alle erdenklichen Anwendungen. Dazu gehören Bauteile wie Filter und Filterrohre für die Automobilindustrie, Siebe, Gehäuse, Abdeckungen für den Anlagenbau oder Wandbekleidungen, Geländer, Heizkörperverkleidungen und Fassadenelemente für den Architektur- und Baubereich. Der moderne Maschinenpark ist auf Fertigungsverfahren wie Stanzen, Prägen, Perforieren, Lasern und Wasserstrahlschneiden von Blechen unterschiedlicher Stärke und Materialien ausgerichtet. Im Unternehmen sind 20 Mitarbeiter beschäftigt, davon arbeiten 15 in der Produktion.

Managementsysteme als strategische Aufgabe

Das Unternehmen hat sich in der Vergangenheit immer wieder an aktuellen Erfordernissen orientiert und konnte auf diese Weise auch allgemein schwierige wirtschaftliche Zeiten überstehen. Thomas Sauer berichtet: „In den 2000er-Jahren wurde die ISO-9001-Zertifizierung zu einem ausschlaggebenden Kriterium bei der Auftragsvergabe durch größere Unternehmen. Deren Einkäufer schauten genau hin, welche Zertifikate wir hatten.“ Das war der Anstoß, dass sich das Unternehmen Moradelli mit Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen näher auseinandersetzte. „Wir stellten fest, dass wir uns bis zu diesem Zeitpunkt über viele Prozesse, Abläufe und Gefahren keinerlei Gedanken gemacht hatten“, sagt Sauer. „Natürlich halten wir die Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften genau ein. Aber wir sind ein Metallbetrieb und verwenden auch Gefahrstoffe wie zum Beispiel Stanz- und Schmieröle. Für den Fall, dass einmal ein Ölfass umfällt, hilft uns jetzt die Gefahrenanalyse mit konkreten Handlungsanweisungen weiter. So haben wir beispielsweise Maßnahmen getroffen, solche Vorkommnisse zu vermeiden.“
Die Zertifizierungen nach der DIN ISO-9001 und der DIN ISO-14001 haben sich laut Sauer sehr positiv auf die betrieblichen Prozesse ausgewirkt. Sie trugen einerseits zur Steigerung der Produktqualität, andererseits zur Einführung und Umsetzung von Umweltmanagementprozessen bei. Auch über die Herstellprozesse selbst gibt es dadurch laufend neue Erkenntnisse. „Wir finden nun schneller heraus, an welcher Maschine es zum Beispiel einen erhöhten Ölverlust gibt und die Dichtungen getauscht werden müssen“, berichtet Sauer.
Die Einführung und Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems war für den Geschäftsführer von vornherein eine strategische Aufgabe. Denn es war klar, dass allein die Vorbereitung für eine Zertifizierung viele interne Ressourcen binden würde. Mitarbeiter mussten geschult, Prozesse erfasst sowie dokumentiert werden. „In dieser Zeit konnte ja nicht produziert werden, also mussten wir darauf achten, dass sich die Zertifizierungen auch kaufmännisch rechnen“, sagt Sauer. Um effektiv und zügig voranzukommen, wurde ein externer beratender Ingenieur hinzugezogen. Der ständige Verbesserungsprozess führte neben der Qualitätssteigerung auch zu höherer betrieblicher Sicherheit und letztendlich zu neuen Aufträgen, die das Unternehmen ohne die Zertifikate nie erhalten hätte. „Damit hatten wir ein wesentliches Ziel erreicht“, so Sauer, der genau weiß, dass unterdessen viele Auftraggeber und zunehmend auch ausländische Kunden immer mehr darauf achten, welcher Lieferant wie zertifiziert ist. Gern zitiertes Beispiel ist die Automobilindustrie. Moradelli gehört nun zu den gelisteten Vorzugslieferanten bei Audi und fertigt beispielsweise gelochte Fassadenteile für die Audi Niederlassungen, die in der ganzen Welt immer im gleichen Corporate Design errichtet werden.

Heizöl- und Stromverschwendung aufgedeckt

Moradelli gehört außerdem zu den Unternehmen, die dem Umweltpakt Bayern beigetreten und nach dem Arbeitsschutzmanagementsystem Ohris zertifiziert sind. Beide Initiativen sind ebenfalls freiwillig, basieren auf Vereinbarungen zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der bayerischen Wirtschaft und fördern die Eigenverantwortung für Umwelt- und Arbeitsschutzbelange im Unternehmen. „Unsere Mitarbeiter waren sowieso für die Betriebsabläufe sensibilisiert und darum war es nur konsequent, dass wir weitere Bereiche unter die Lupe genommen haben“, sagt Sauer.
Beim Umweltpakt stehen die Vermeidung von Müll und die Schonung von Ressourcen an erster Stelle. Mit Hilfe eines externen Energieberaters konnte der Heizölbedarf um die Hälfte reduziert werden. Einerseits wurde der Wirkungsgrad der Heizungsanlage verbessert, indem Rohre und Pumpen isoliert wurden. Andererseits wurden die Zeitschaltuhren durch Temperatursensoren ersetzt. Damit kann vom PC aus die Heizungsanlage gesteuert und bei Bedarf nachgeregelt werden. Auch der Strombedarf der Maschinen wurde genau analysiert, vor allem in den Stillstandzeiten. Hier konnten etliche Funktionen identifiziert werden, die bei Nichtbetrieb unnötig aufrecht erhalten wurden und Strom verbrauchten.

Arbeitsschutzmanagementsystem

Ähnlich verhielt es sich beim Arbeitsschutzmanagementsystem Ohris. „Im Zuge der verschiedenen Zertifizierungen wurde uns immer bewusster, wie wichtig auch ein Arbeitsschutzmanagementsystem ist“, sagt Sauer. Sein Ziel ist, Arbeitsunfälle im Unternehmen möglichst vollständig zu vermeiden. Mit Einführung der ISO-9001 wurden bereits die Arbeitsabläufe eindeutig definiert. „Nun haben wir in den Workflow die arbeitssicherheitstechnischen Abläufe integriert. Zum Beispiel steht jetzt im Auftrag der Hinweis: ‚Wer lasert, setzt die Brille auf.‘ Das stand früher nicht dabei“, erläutert er.
Das in Bayern etablierte und behördlich anerkannte Konzept des Arbeitsschutz-Managementsystems Ohris (Occupational Health- and Risk-Management System) ermöglicht einen ständigen Verbesserungsprozess, indem es jeden Einzelnen  auf Eigenverantwortung hin sensibilisiert. Eine höhere Sicherheit am Arbeitsplatz unterstützt letztlich auch die Erhaltung der eigenen Gesundheit. Das Arbeitsschutzmanagementsystem bietet die erforderliche Systematik, um aus dem Unternehmen heraus sowie konkret und zielgruppenbezogen Arbeitsschutzmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Dazu wird ein Handbuch erstellt, das sämtliche sicherheitsrelevanten Abläufe und Themen abbildet und verschiedene Anweisungen, Vereinbarungen und Formblätter bereitstellt.

Gewerbeaufsicht wird im Betrieb gern gesehen

„Die Hinweise auf die anzuwendenden Arbeitsschutzmaßnahmen an den Maschinen oder die Kennzeichnung von Fluchtwegen ist auch besonders wichtig für Leiharbeiter oder Urlaubsvertretungen“, meint Sauer. Alle Mitarbeiter sollen schnell erfassen können, worauf es an den einzelnen Arbeitsplätzen ankommt. Wo es nötig war, wurden die Arbeitsanweisungen aktualisiert und die Dokumentation entsprechend verändert. All dies schafft Rechtssicherheit, sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter. Er nennt ein Beispiel: Was passiert im Brandfall, wenn die Rauchentwicklung so stark ist, dass man nichts mehr sieht und die Rauchgase hochgiftig sind. Da stellt sich die Frage, nach dem kürzesten Fluchtweg und dem Sammelort. Hier helfen gelbe Streifen auf dem Hallenboden, die den Weg und die Laufrichtung markieren und nach draußen führen. Auf diese Weise können sich auch betriebsfremde Personen, Aushilfen oder neue Mitarbeiter blitzschnell orientieren.
Inzwischen seien die Mitarbeiter des Unternehmens so sensibilisiert, dass sie merken, wie sie bei Anwendung der Arbeitsschutzmaßnahmen auch ihre Gesundheit schonen können. „Anfangs hat beispielsweise kaum einer einen Gehörschutz getragen. Heute gibt es keinen mehr, der nicht einen Gehörschutz aufsetzt“, berichtet er und fügt hinzu: „Wir konnten sogar feststellen, dass weniger Lärm eine positive Langzeitwirkung auf die Leistungsfähigkeit hat.“ Mit dem Arbeitsschutzmanagementsystem Ohris hat sich auch das Verhältnis zum Gewerbeaufsichtsamt geändert. Früher war es aus Sicht des Unternehmers eine eher nutzlose Kontrollbehörde. Heute ist die Behörde für Sauer eine partnerschaftliche Beratungsstelle, die dieselben Ziele verfolgt. „Der Prüfingenieur weist uns zwar auf Dinge hin, die wir verändern müssen, stellt aber auch Alternativen vor. Insgesamt können wir die Prozesse so besser lenken.“

Worauf Unternehmer achten sollten

Wer sein Unternehmen nach aktuellen Normen und Managementsystemen zertifizieren möchte, für den hat Unternehmer Sauer einige Tipps parat. Für die Umsetzung eines Arbeitsschutzmanagementsystems wie Ohris ist seiner Ansicht nach ein externer Arbeitssicherheitsberater sinnvoll. Dieser kann die Prozesse besser begleiten, denn er verfügt über das nötige Fachwissen, kennt sich mit den Gesetzen und Vorschriften bestens aus. Sein Sicherheitsingenieur ist fast jede Woche im Unternehmen, besichtigt die Fertigung und befragt die Mitarbeiter nach der Einhaltung der Vorschriften. Die entstehenden Kosten spart Sauer an anderer Stelle wieder ein. Seinen Arbeitssicherheitsberater hat er über den zuständigen Betriebsarzt gefunden. In Fragen der Energieeinsparung ist ein Energieberater sinnvoll. Sauer hat sich hierfür bei der Stadt München Rat geholt und eine Liste von zugelassenen Energieberatern erhalten. Ausgewählt hat er einen Planenden Ingenieur, um eine umfassende und möglichst objektive Leistung zu erhalten. Thomas Sauer ist überzeugt, dass der Fortbestand des Unternehmens Moradelli auch durch die Zertifizierungen und umgesetzten Maßnahmen gesichert ist. „Wir haben uns dadurch enorm weiterentwickelt, denn wir verstehen unsere Prozesse nun wesentlich besser“, betont er. Das Unternehmen soll aber auch in Zukunft eher ein kleinerer mittelständischer Handwerksbetrieb bleiben. Geplant ist, den Kundenkreis weltweit zu vergrößern und die Produktion immer mehr zu automatisieren und zu spezialisieren: „Wir waren in der Vergangenheit sehr stark abhängig vom deutschen Markt und von dessen Baugeschehen. Das möchten wir ändern und unseren Vertrieb weiter ausbauen.“ Nordamerika und China kommen aus Haftungsgründen nicht infrage. Für andere Länder sieht sich Sauer gewappnet, denn „wir haben die technischen und personellen Möglichkeiten im Haus.“ 

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