Industrie 4.0 im Stahlbau
Genormte IFC-Daten für ProjekteDie auf den Stahlbau spezialisierte IQSoftware GmbH sucht jetzt im Rahmen eines Pilotprojekts mit dem Betrieb HAB Hallen- und Anlagenbau in Wusterhusen nach Möglichkeiten, alle Projektabschnitte automatisiert in nur einer Lösung mit genormten IFC-Daten zu steuern.
Den meisten Stahlbauern ist die Szene wohlvertraut: Diverse Excellisten müssen bei jedem neuen Arbeitsschritt aktualisiert werden, immer wieder geht der prüfende Blick durch einen Stapel von Modell-Zeichnungen und im Kopf stellt sich permanent die Frage, ob man eigentlich noch im Plan liegt.
Das manuelle Einpflegen von Daten in diverse Listen sowie die Arbeit mit Zeichnungen in Papierform ohne Unterstützung einer einheitlichen Softwarelösung zur Steuerung und Überwachung der Unternehmensprozesse sind im Stahlbau noch weit verbreitet. Ein solches Vorgehen ist fehleranfällig und das häufige Springen zwischen Listen, Zeichnungen und unterschiedlichen Softwareprodukten je Abteilung ohne reibungslosen Datentransfer bindet wertvolle Projektzeit.
Spezialist im Hallen- und Anlagenbau
HAB Hallen- und Anlagenbau ist Spezialist für die Errichtung von Stahlgebäuden und Anlagen für den Industrie- und Gewerbebau. Dabei übernimmt das Unternehmen alle Projektschritte, von der Planung über den Architekturentwurf und die Statikberechnung bis hin zur Fertigung und Montage vor Ort. Das HAB-Team realisiert Einkaufszentren, Handwerksbetriebe, Biogasanlagen, Lagerhallen oder komplette Betriebsgelände für den Industrie- und Maschinenbau. Darüber hinaus investiert das Unternehmen in Forschung und Entwicklung, um Prozesse im Stahlbau effizienter zu gestalten.
Seit über zehn Jahren vertraut HAB für die IT-gestützte Abbildung und Steuerung der Unternehmensprozesse auf die Lösung IQSteel.ERP der IQSoftware GmbH. „Das System vereint alle Prozesse in nur einer Lösung, von der Projektplanung über die Stücklistenerstellung und Fertigungsplanung bis hin zu Buchhaltung und Controlling“, sagt Andreas Pörsch, Geschäftsführer von HAB.
Dabei schätzt man besonders den steten Austausch mit dem Lösungsanbieter hinsichtlich neuer technischer Möglichkeiten für effizientere Abläufe. „Wir sind in den Jahren der Zusammenarbeit quasi gemeinsam weiter gewachsen: Jedes neue Modul haben wir implementiert und gleichzeitig floss unser anwenderseitiges Feedback wieder in die Erweiterung der Lösung ein“, so Pörsch weiter. Das neueste F&E-Projekt der beiden Unternehmen hat das Ziel, Stahlbauprozesse trotz Einzelfertigung im Sinne von Industrie 4.0 zu automatisieren.
Automatisierte Zeitmessung der Tonnage
Der Alltag im Stahlbau sieht auf vielen Baustellen immer noch so aus, dass Arbeitszeiten manuell auf Handzetteln erfasst werden, um am Ende des Tages ebenfalls per Hand in eine Excelliste übertragen zu werden, die dem Projektleiter übermittelt wird. Welche Bauteile bereits montiert sind, lässt sich so nicht einsehen, da der Aufwand für das Erfassen der Montagezeiten jedes einzelnen Bauteils bisher zu hoch war. Für den Projektleiter ist der Überlick über Montagezeiten jedoch unerlässlich, soll das Projekt einem effizienten Controlling unterliegen. Die von der IQSoftware GmbH entwickelte Lösung IQIFC sieht in Zukunft die Ausstattung jedes Bauteils mit einem Barcode vor, sodass seine Wege jederzeit durch Scannen nachvollzogen werden können. Aktuell arbeitet die Lösung aufgrund der effizienteren Realisierbarkeit noch mit der Unterteilung in Baugruppen, wie beispielsweise die Montage der Fenster, der Türen, Trapezbleche oder der Lichtkuppeln. Das System übernimmt die Daten dann und aktualisiert automatisch den Projektstatus im ERP. Der Projektleiter kann jederzeit sehen, welche Baugruppen bereits montiert sind und wie lange die Montage gedauert hat. Es wird möglich, automatisiert die Zeit pro Tonnage zu messen. Die Lösung arbeitet mit genormten IFC-Daten, die in einem BIM-Manager abgebildet werden können.
Projektdaten in Echtzeit
IQIFC besteht aus einem Viewer, einem Projektcontrolling- sowie einem Logistik- und Verlademodul. Dabei greifen IQIFC und IQSteel.ERP nahtlos ineinander und kommunizieren miteinander. Die eingelesenen Daten übernimmt IQIFC in Echtzeit aus dem ERP und ermöglicht damit stets den Überblick über die Soll-Ist-Planung. „Im Viewer kann aus einem beliebigen CAD-Programm ein 3D-Modell als IFC-Datei importiert werden.
Auf diese Weise können Anwender beispielsweise das Gesamtmodell einer Stahlhalle ansehen, Bauteile am Bildschirm vermessen, drehen, verschieben, duplizieren oder Eigenschaften, wie Farbe, Größe oder Material modulieren“, erläutert Alfredo Lemke, Geschäftsführer von IQSoftware. „Außerdem kann man im Viewer eine Montageplanung erstellen.“ Am Beispiel der Halle könne man diese in Achsen und Bauabschnitte einteilen, jedes Bauteil einem Abschnitt zuordnen und eine Montagereihenfolge definieren. „Der Vorteil ist, dass der Anwender eine einfache Selektions- und Filterfunktion erhält und die Eigenschaften von jedem einzelnen Bauteil, die alle im Viewer definiert sind, ansehen und bearbeiten kann. Die Bauteile, die dann produziert werden sollen, kann der Anwender im Viewer selektieren und nahtlos im ERP eine Stückliste erstellen. So kann eine solide Montageplanung erstellt werden“, erläutert Alfredo Lemke.
Projektcontrolling-Modul
Über das Projektcontrolling-Modul wird es dann möglich, einen Visualisierungszustand zu definieren. Das System zeigt beispielsweise in unterschiedlichen Farben am Modell den aktuellen Bearbeitungsstand an. Die Daten zieht die Lösung aus dem ERP. Der Controller kann am 3D-Modell stets sehen, in welchem Zustand sich ein bestimmter Bauabschnitt aktuell befindet oder an welchem Ort ein Bauteil derzeit bearbeitet wird. Im Logistik- und Verlademodul werden schließlich Montageaufträge erstellt und jedes Bauteil mit einem Barcode versehen. Im Rahmen eines 3D-Nesting kann zudem die Lade- und Versandplanung mittels 3D-Modell grafisch durchgeführt werden. So ist es möglich, ein Bauteil anzuklicken und es vom System automatisiert auf die zuvor definierte Lkw-Ladefläche verteilen zu lassen. Auf diese Weise lassen sich ganze Bauabschnitte, die auf der Baustelle zur Montage anberaumt sind, auswählen und Lkws vom System so beladen, dass die Ladefläche bestmöglich ausgenutzt wird und alle Bauteile zum richtigen Zeitpunkt vorliegen.
Einzelfertigung automatisieren
Bei HAB sind der Viewer sowie das Projektcontrolling-Modul im Einsatz. „Wir haben keine Serienproduktion, da ist die Einführung von automatisierten Prozessen mithilfe von Industrie 4.0-Modulen bisher noch mit einem hohen Aufwand verbunden und in der Praxis aus diesem Grund wenig verbreitet. Mit IQIFC können wir unsere Prozesse nun in einem 3D-Modell visualisieren und alle Informationen zum Projektstatus, auch die von der Baustelle, in Echtzeit nachvollziehen. Für unser Projektcontrolling ist das ein enormer Fortschritt. Ich kenne keine vergleichbare Lösung am Markt“, fasst Andreas Pörsch die Vorteile zusammen. Die Lösung sei in ihrem kompletten Umfang so auf die spezifischen Anforderungen im Stahlbau zugeschnitten, dass sie alle Abläufe intuitiv abbilde und die Unternehmensprozesse effizienter gestalte.
Die Schulungen mit IQSoftware nutze man bei HAB gerne als Spiegel, um über weitere Optimierungspotenziale nachzudenken. In einem halben Jahr soll auch das Logistik- und Verlademodul vollständig im Einsatz sein. Alfredo Lemke wagt einen Blick in die längerfristige Zukunft: „Bald könnte ein 3D-Scanner regelmäßig die gesamte Baustelle scannen und automatisiert alle Daten in Echtzeit an das System übertragen. Dafür muss der Computer ganze Geometrien eines Bauteils eigenständig berechnen können. An ersten Ansätzen arbeiten wir bereits, aber das ist noch Zukunftsmusik.“