Passt auf Anhieb
Beim ersten Kundentermin das exakte Aufmaß zu nehmen ist keine Zukunftsmusik, sondern kann mithilfe elektronischer Aufmaß- und Konstruktionssysteme Alltag sein. Digitale Messmittel und CAD-gestützte Softwaretools erleichtern dem Metallbauer den Arbeitsalltag und verbessern Qualität, Genauigkeit und Schnelligkeit. Fachautorin Dipl.-Ing. Ulrike Hensel berichtet.
Beim Aufmaß für Treppen oder Fenster scheiden sich die Geister. Die einen schwören auf althergebrachte Methoden mit Bandmaß und Zollstock, die anderen auf digitale Messtechnik mit Laser oder Ultraschall. Nur bei der anschließenden Planungszeichnung setzen viele Metallbauer bereits auf Software mit 3D-Ansichten und exakten CAD-Daten.
Eine Generationenfrage? „Ja“, sagt Daniel Frisch, Geschäftsführer von Flexijet, einem führenden Hersteller von digitalen Aufmaßsystemen. „Wir stellen fest, dass mit der Übergabe eines Betriebes an die jüngere Generation auch eine Öffnung hin zu modernen Mess- und Planungsmethoden stattfindet.“ So wie eben aus vielen Dorfschmieden längst zeitgemäße Metallbaubetriebe entstanden sind, die neben den typischen Schlossereiarbeiten zum Beispiel die Fertigung und Montage von Treppen, Balkonen, Fenstern, Türen oder kompletten Fassaden anbieten. Und dies ist Präzisionsarbeit, pure Feinmechanik.
Maßgeschneiderte Bauteile erfordern exakte Planung, die wiederum setzt genaues Vermessen voraus. Sobald eine Balkonanlage mit exakt übereinander passenden Anbaubalkonen gebaut werden soll oder eine Fensterfront zu montieren ist, helfen herkömmliche Messmittel nicht mehr weiter. „Da genügen schon einige Grad oder wenige Millimeter Abweichung, und es stimmt nichts mehr“, berichtet Werner Regel, Metallbaumeister aus Nürnberg. Er kann sich erinnern, dass er früher kompliziertere Bauteile wie große Tore oder Spitzbogenfenster manchmal einen Tag lang mit einem Mitarbeiter ausgemessen und dann Schablonen angefertigt hat. Heute, sagt er, nutzt er ein Lasermesssystem, mit dem er innerhalb von ein bis zwei Stunden mit dem Aufmaß fertig ist. Auch verglaste Fassaden wären damals schwierig gewesen: „Die haben wir mit Senklot und Zollstock nur sehr aufwändig vermessen können.“
In der Tat weiß das jeder aus der Praxis: Das Durchhängen des Maßbandes, die Ungenauigkeit des Meterstabs, etwas Wind beim Ausloten oder auch simple Additionsfehler und optische Täuschungen wie der Parallaxenfehler führen schnell zu groben Ungenauigkeiten und am Ende zu nicht passenden Bauteilen. Anders ist es mit einem elektronischen Messgerät. Das Messen geht erheblich schneller und genauer, und der sonst nötige zweite Kollege kann sich anderen Aufgaben widmen.
Aufmaßfehler adé. Für die elektronische Längenmessung werden im Metallbau vorwiegend zwei Messprinzipien verwendet: Das Ultraschallverfahren und das Laserdistanzverfahren. Beide Messmethoden unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten und Genauigkeit. Während Ultraschallverfahren mit einem kegelförmig ausgesendeten akustischen Signal arbeiten, verwendet das optische Laserdistanzverfahren einen gebündelten Laserstrahl. In beiden Fällen wird das Signal am Zielpunkt reflektiert, die Signallaufzeit ausgewertet und daraus die Entfernung ermittelt. Ein charakteristischer Nachteil des Ultraschallverfahrens besteht im Messkegel, der bei wachsender Entfernung immer breiter wird und ungewollt Gegenstände erfassen kann, die dann das Messergebnis verfälschen. Um dies zu vermeiden und den Zielpunkt genau zu fixieren, haben Ultraschallgeräte meist einen Laserpointer integriert. Das Laserdistanzverfahren liefert präzisere Ergebnisse als das Ultraschallverfahren, ist aber mangels Reflexionsflächen untauglich bei der Erfassung von Glas, Flüssigkeiten oder porösen Oberflächen. Eine sogenannte Zieltafel oder ein Zielpunkt kann Abhilfe schaffen, erfordert aber oft den zweiten Mann, der ja normalerweise nicht mehr nötig wäre.
Dem Metallbauer stehen in der Praxis eine ganze Reihe elektronischer Messgeräte nach diesen beiden Messprinzipien zur Auswahl. Die batteriebetriebenen Geräte sind meist nicht viel größer als ein transportables Telefon und unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihrem Funktionsumfang und dementsprechend im Preis. Diese elektronischen Distanzmesser erleichtern das Aufmaß vor Ort beträchtlich, denn sie verkürzen den zeitlichen Aufwand, liefern präzisere Ergebnisse und bieten höhere Sicherheit beim Messen. Vorteile, von denen der Metallbauer von der Angebotsphase bis zum Herstellen und Montieren profitiert. Die Weiterverarbeitung der Messwerte kann nach wie vor unterschiedlich sein. Den Messdaten entsprechend werden entweder auf herkömmliche Weise technische Zeichnungen angefertigt, oder sie werden am Computer in eine CAD-Software eingegeben, die dann die Zeichnungssätze automatisch generiert. Noch zeitsparender ist es, wenn die Daten vom Messgerät über eine Schnittstelle direkt in die Software eingelesen werden können. Auch hierfür bietet der Markt bereits Lösungen an.
Maßgeschneidertes mittels Laser. Ein Beispiel ist das lasergestützte Aufmaßsystem Flexijet vom gleichnamigen Hersteller Flexijet aus Jena, mit dem von der Messwerterfassung bis zur fertigen CAD-Zeichnung sämtliche Arbeitsabläufe durchgeführt werden können. Es eignet sich für das Aufmaß von Treppen, Fußböden, Wänden, Fassaden oder kompletten Gebäuden, auch in polygonaler oder freier Form. Neben dem Aufmaß lässt sich Flexijet auch als Montage- oder Einmesshilfe, zum maßlichen Abgleich von Plan und Ausführung, zur Erfassung von Unebenheiten innerhalb einer Boden-, Wand- oder Deckenfläche oder für die rationelle Schablonenfertigung einsetzen. Da die Messdaten per Funk über eine integrierte Bluetooth- Schnittstelle an die Aufmaßsoftware im PC übertragen und sofort angezeigt werden, kann man noch vor Ort prüfen, ob alles korrekt und vollständig ist.
Speziell für Handwerksbetriebe wird das Komplettpaket Flexijet 3D angeboten, bestehend aus einer Dreh-Schwenk-Einheit mit einem Laserdistanzmessgerät von Leica, ei nem Stativ, einer 3D-Aufmaßsoftware und einem Tablet-PC. Der Anwender bedient die Software intuitiv per Fingergesten wie bei einem Smartphone. Geschäftsführer Daniel Frisch erklärt: „Um zum Beispiel eine Treppe zu vermessen, werden lediglich zwei Punkte an jeder Setzstufe sowie der Höhenpunkt mit dem Messgerät angepeilt. Selbst komplexe Treppen, Betonkerne oder Räume sind so in Sekundenschnelle ausgemessen und werden über die Software ausgewertet.“ Aktuell steht ein neues CAD-Software-Modul für das Treppenaufmaß zur Verfügung, das einfacher zu bedienen ist und mit einigen Spezialfunktionen aufwartet.
Metallbauer Werner Regel arbeitet mit dem Flexijet-System seit über einem Jahr erfolgreich und hat die Investition von knapp 14.000 Euro in Hard- und Software nicht bereut: „Mit dem Laser-Aufmaßsystem haben wir eine neue Qualität erreicht. Die Messgenauigkeit ist mit 0,9 mm auf zehn Meter äußerst hoch, und Messfehler gibt es dank automatischer Kontroll-Algorithmen in der Software einfach nicht mehr.“ In seinem Unternehmen beschäftigt er 15 Mitarbeiter, inklusive drei Auszubildende und fertigt in Stahl, Aluminium oder Edelstahl Treppen, Balkonanlagen, Türen, Tore, Aufzugsschächte, Fassaden und vieles andere. Seine drei Söhne arbeiten ebenfalls mit, Björn als Leiter der Fertigung, Patrick managt als Betriebswirt den kaufmännischen Bereich. Jan Regel, zur Zeit noch Azubi als Technischer Systemplaner, kennt sich mit Flexijet bestens aus. Er hat spezielle Schulungen hinter sich und ist bereits als Aufmaß-Spezialist unterwegs. Denn mit dem Flexijet-System hat das Metallbauunternehmen auch ein neues Geschäftsfeld eröffnet. Es bietet seine Aufmaßdienstleistungen jetzt Architekten, Gebäudeplanern, Bauherren sowie branchenfremden Gewerken an wie Schreinern.
Ein weiterer Vorteil ergibt sich für die Fertigung. Da das Messsystem komplette Werkstattzeichnungen elektronisch generiert, können fremd zu fertigende Bauelemente direkt per Mail beim Partnerbetrieb bestellt werden. Die Daten werden dann in die entsprechenden Fertigungsprogramme der Maschinen geladen. Aufwändige Schablonen und Fertigungsfehler durch falsche Maßangaben sind passé. Flexijet-Geschäftsführer Daniel Frisch nennt einen weiteren wesentlichen Vorzug des Systems: „Auch in kleineren Betrieben wird bereits häufig mit CNC-gesteuerten Maschinen gearbeitet. So ist es im Sinne von Qualität und rationeller Fertigung doch nur logisch, wenn bereits das Aufmaß digital und nicht analog erfasst und automatisch in ein Konstruktionsprogramm geladen wird.“
Treppenkonstruktion leicht gemacht. Einen anderen Lösungsansatz bieten Treppenkonstruktionsprogramme wie das TrepCAD von Graitec. Mit seiner Hilfe zeichnet der Metallbauer die Treppen am PC und erhält Konstruktionszeichnungen, 3D-Ansichten sowie Stücklisten. Für Entwickler und Produktmanager Norbert Schulze-Kahleyß von Graitec liegen die Gründe für eine solche Spezialsoftware auf der Hand: „Im Metallbauhandwerk gibt es viele individuelle Aufträge, vor allem bei Renovierungen. Da ist es eine enorme Erleichterung, wenn die meist aufwändigen Zeichnungssätze eine Software anfertigt.“ Notwendig sind dazu lediglich die Aufmaßdaten, die sowohl herkömmlich analog als auch digital erfasst werden können. In jedem Fall müssen sie anschließend per Hand am PC in die Software eingegeben werden, denn über eine Bluetooth-Schnittstelle für digitale Aufmaßgeräte verfügt die Software (noch) nicht. Vorteil ist, dass das Programm auf typische Metallbau-Treppenkonstruktionen spezialisiert ist. So können Stahlunterkonstruktionen schnell gezeichnet oder Stahlwangen dimensioniert und die Konstruktionsdaten gleich fürs Laserschneiden als DXF-Datei ausgegeben werden. Mit einem optionalen Geländermodul sind verschiedene Konstruktions- und Gestaltungsvarianten wie mitlaufende Stäbe planbar.
Weil die Treppensoftware zwar vieles kann – nur nicht individuelle Treppen, überarbeitet Graitec das Programm zurzeit grundlegend. „Unsere Software spricht auch kleinere und mittlere Metallbauer an, die nicht ausschließlich Treppen bauen. Für sie wollen wir die Software noch flexibler machen“, erläutert Norbert Schulze-Kahleyß. Die Anschaffungskosten belaufen sich auf 980 Euro, mit Geländermodul auf 1.860 Euro. Metallbaumeister Klaus Janßen arbeitet bereits seit zehn Jahren mit TrepCAD und schätzt die einfache Bedienung. „Sie spart mir viele Stunden am Reißbrett und trotzdem brauche ich keine CAD-Spezialkenntnisse. Sehr nützlich finde ich auch die organisierten Anwendertreffen, die Gedankenaustausch und Schulung zugleich sind.“