Schweizer Energy Label

Strenge Kontrolle für die Energieetikette

Eines scheint festzustehen: Der energetische Ansatz mit dem energieäquivalenten U-Wert Uw,eq wird dem Bauelement Fenster in Bezug auf Energieverluste und -gewinne endlich besser gerecht.
„Eine Gesamtlösung bezüglich eines einheitlichen europäischen Energielabels für Fenster ist derzeit nicht in Sicht“, konstatiert Ubald Häring, Leiter der Fachstelle Fenster- und Fassadentechnik bei der SZFF (Schweizerische Zentrale Fenster und Fassaden). Der Schweizer Fachverband ist zusammen mit 16 weiteren Verbänden aus ganz Europa Mitglied von Eurowindoor, dem europäischen Dachverband der Fenster-, Türen- und Fassadenbauer, der auch das Thema Energielabel regelmäßig auf der Agenda hat.
Ein einheitliches Label scheiterte nach Härings Worten bisher vor allem an den unterschiedlichen Optimierungskriterien der einzelnen Länder. „Die Nordländer interessieren sich vorwiegend für energieverlustarme Fenster für den Winterfall, die Südländer haben das gegenteilige Interesse. Deutschland hat beide Varianten im Energy Label abgebildet.“ Und weil bereits viele europäische Länder ein lokales Label verwenden, sah sich die mitten in Europa liegende Schweiz von allen Seiten mit verschiedenen Labels konfrontiert.

Energieetikette eine Initiative des Staats
Das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) beauftragte die beiden Branchenverbände SZFF und FFF (Schweizerischer Fachverband Fenster- und Fassadenbranche), die Energieetikette für Fenster, wie das Label in der Schweiz heißt, zu erarbeiten. Die Schweizer Energieetikette hebt sich grundlegend von anderen Labels ab. „Ein wesentliches Merkmal ist, dass die Energieetikette nicht auf einer Eigendeklaration des Fensterherstellers beruht, sondern der Erteilung der Etikette immer eine Überprüfung durch eine unabhängige Kommission vorausgeht“, erläutert Häring. Mit anderen Worten: Eine Schweizer Energieetikette muss stets beantragt werden und die Zuteilung erfolgt nur, wenn die vom Fensterbauer angegebenen Werte durch eine unabhängige Kommission kontrolliert und bestätigt wurden.
Diese Kommission besteht aus Vertretern von SZFF und FFF, der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) und der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel mit ihrem Labor für Fenster-, Türen- und Fassadentechnik als akkreditiertes Prüfinstitut. „Die Überprüfung unterstreicht das hohe Qualitätsniveau, welches die Schweizer Fensterhersteller und Systemlieferanten haben. Die Schweizer Unternehmen benötigen außerdem eine fremdüberwachte WPK (werkseigene Produktionskontrolle). Unser Ziel ist, Architekten und Bauherren zu garantieren, dass die Zertifikatsvergabe strengen Kontrollen unterliegt.“

Auch für ausländische Hersteller und Systemgeber
Die Schweizer Energieetikette ist nicht nur Schweizer Firmen vorbehalten. Auch Hersteller und Händler, die Fenstersysteme in der Schweiz verkaufen, können ein Label führen, haben dann allerdings die Schweizer Vorschriften zu erfüllen. Eine Verpflichtung ist die Etikette nicht. „Wir haben bereits Anfragen von ausländischen Fensterherstellern und Systemgebern, die die Energieetikette für Schweizer Verarbeiter beantragen möchten“, sagt Häring.
Die Energieetikette wurde zum 1. Januar 2015 freiwillig eingeführt. Doch mit einer breit angelegten Kommunikation und verschiedenen Marketingaktionen haben sich die beiden Fachverbände bisher noch zurückgehalten. Im Mai 2016 wurde erstmals eine Liste der Hersteller veröffentlicht, die die Etikette bereits verwenden. Als Grund für die Zurückhaltung nennt Ubald Häring die Tatsache, dass ein derartig neues Produktmerkmal besser erst dann bekannt gemacht werden sollte, wenn es bereits eine respektable Zahl an Produkten mit Label gibt, damit die Vergleichbarkeit gewahrt bleibt. „Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen das dann bald in ihre Werbung einbinden und die Kundschaft entsprechend darauf hinweisen werden“, betont er.
Dies erklärt, weshalb zur Energieetikette bisher noch wenig über die Landesgrenzen hinaus gedrungen ist. Auch Ulrich Tschorn, Geschäftsführer des deutschen VFF (Verband Fenster und Fassade) war auf Nachfrage wenig zu entlocken: „Bisher liegen uns keine Informationen zur Schweizer Energieetikette vor“, sagt er. Seine Meinung zu Energy Labels für Fenster lesen Sie im Infokasten.

Vom MINERGIE-Label zur Energieetikette
In der Schweiz genießt der Baustandard MINERGIE eine breite Akzeptanz, denn er setzt zwar Energieziele, macht aber keinerlei Auflagen, wie diese Ziele zu erreichen sind. Das gibt Bauherren, Architekten und Planern alle Freiheiten, sowohl bei der Wahl der Bauelemente und des Materials als auch der Energieträger oder bei der Gestaltung der Gebäude. Ca. 90 % der in der Schweiz verwendeten Fensterelemente und -systeme sind mit einem MINERGIE-Label zertifiziert.
„Es ist ein verhältnismäßig einfacher Schritt, vom MINERGIE-Label auf die Energieetikette zu wechseln. Die grundlegenden Berechnungen sind gleich, für das Fenster wird zusätzlich der energieäquivalente U-Wert Uw,eq ausgewiesen“, erläutert Häring. Das Bundesamt für Energie schreibt in einer Pressemitteilung: „Die Fenster werden aufgrund des energieäquivalenten U-Werts Uw,eq in sieben Energieeffizienzklassen von A bis G eingeteilt, visualisiert mit grünen bis roten Pfeilen. Die Energieetikette für Fenster informiert damit einfach und verständlich, welche Fenstersysteme besonders gut geeignet sind, Wärmeverluste im Winter zu minimieren. Sie berücksichtigt außerdem auch die Energiegewinne durch die Sonneneinstrahlung. Fenster der besten Energieeffizienzklasse A ermöglichen, über die gesamte Heizperiode betrachtet, sogar einen Energiegewinn, der höher ist als der Wärmeverlust.“

Energieetikette für schmale Fensterrahmen
Die Energieetikette wurde zunächst für 2-flüglige Lochfenster mit dem Referenzmaß (Mauerlichtmaß) von 1,55 m × 1,15 m festgelegt. Da man ein Fenster energetisch am stärksten über den Ug-Wert des Glases optimieren kann, haben Schweizer Fensterhersteller und Systemgeber ihre Fenstersysteme bereits seit Jahren auf einen möglichst großen Glasflächenanteil optimiert. Die Rahmen sind besonders schmal gehalten und können fast vollständig überdämmt werden. Die Fensterflügel verschwinden quasi hinter dem Rahmen und bei mehrflügeligen Fenstern wird auch die Stulppartie äußerst schmal gestaltet.
Bei der Berechnung des Uw-Wertes gehen die Schweizer eigene Wege. „Die Schweiz ist immer noch das einzige Land, das den Nachweis im eingebauten Zustand macht. Wir nehmen also nicht das Rahmenaußenmaß, sondern das der verbleibenden Rahmen-Flügelflächen im eingebauten Zustand und erreichen durch die ausgefeilten, lichtoptimierten Konstruktionen hervorragende Energiewerte“, erläutert Häring.
Bei den meisten Holz- und Kunststoffkonstruktionen verbleiben zurzeit noch 45 bis 55 mm sichtbare Rahmen-Flügelflächen am Bauanschluss. Daraus resultieren Glasflächenanteile zwischen 75 und 80 %. Bei den lichtoptimierten Systemen aus Aluminium oder Holz-Aluminium hingegen verbleibt in der Regel eine sichtbare Rahmen-Flügelfläche am Bauanschluss von max. 20 bis 25 mm. Das ergibt Glasanteile zwischen 85 und 95 %. Diese sogenannten Light-Versionen werden zunehmend exportiert und sind bereits im grenznahen süddeutschen Raum beliebt. Geliefert werden hauptsächlich die Systeme, produziert wird vor Ort in Deutschland.

Anwendung des Labels
Im Faktenblatt zur Energieetikette für Fenster, herausgegeben vom BFE, ist zu lesen: „Die Energieetikette für Fenster beurteilt die energetische Effizienz eines Fensters im Winterfall. Die Bewertung bezieht sich auf Fensterkonstruktionen, die mehrheitlich bei Einfamilienhäusern eingesetzt werden. Der energieäquivalente U-Wert berücksichtigt nebst den Heizwärmeverlusten auch die solaren, nutzbaren Energiegewinne, d.h., die Erwärmung des Raumes durch Sonneneinstrahlung. Damit zeigt die Energieetikette, welche Fenster geringe und welche hohe Wärmeverluste aufweisen. Oder ob mit einem Fenster, über die Heizperiode betrachtet, unter dem Strich sogar Wärmegewinne erzielt werden können. So können verschiedene Fenstersysteme verglichen und auch das Potenzial von Fenstersanierungen konkret aufgezeigt werden.“ Die Beschattung ist in der Energie-etikette nicht mit berücksichtigt. Das gehört in der Schweiz zur Energiebetrachtung des gesamten Gebäudes.
„Die Lesart des Fenster-Labels ist aber eine andere als die eines Waschmaschinen-Labels“, sagt Häring und stellt fest: „Das Label zeigt lediglich die Eigenschaften des Fensters an. Welches Fenster für welche Einbausituation ideal ist, ist differenziert zu bewerten. Ein Fenster der Energieeffizienzklasse A ist beispielsweise in einem schattigen Erdgeschoss oder auf der Nordseite nicht sinnvoll, weil es energiegewinnend arbeitet. Da sollte besser die B- oder C-Klasse eingesetzt werden. Wenn wir diese Beratung in Zukunft perfekt leisten, dann macht die Energieetikette Sinn.“
Dass der Markt ein großes Interesse daran hat, zeigen auch Anfragen zu Energieetiketten für Dachflächenfenster und Hebe-Schiebe-Elemente. Diese Themen stehen künftig auf der Agenda der Schweizer Verbände.

Zwei Schweizer Fensterbauer berichten
Nein, ein besonderer Zusatzaufwand ist der Antrag für eine Energieetikette nicht, bestätigen Bernhard Bieri, Leiter der Technik bei Wenger Fenster und Thomas Wiessmer, Kundenberater Fenster- und Fassadenbau bei Erne. Viele der erforderlichen Werte gehören schon immer zur allgemeinen Zulassung für den Schweizer Markt und zur Einhaltung der Normkonformität. Auch die Kosten für das Label sind überschaubar. Man entrichtet einen Einmalbetrag für ein Fenstersystem mit bis zu sechs verschiedenen Gläsern und eine Jahresgebühr pro System. „Für ein Mitglied in einem Fachverband kostet das pro Fenstersystem 1.500 CHF, je Kalenderjahr pro Firma 300 CHF und für jedes System eine Jahresnutzungsgebühr von 50 CHF“, berichtet Wiessmer.
Die Energieetikette sehen sowohl Bieri als auch Wiessmer als nützliches Verkaufsinstrument, vor allem im Bereich Privatkunden. „Auch wenn man die Werte auf der Energieetikette nur als Anhaltspunkt für die tatsächliche Kundensituation nehmen kann, so kommt man mit dem Bauherrn ins Gespräch und kann recht anschaulich über Energiegewinne und -verluste beraten“, sagt Bieri. Die Einführung der Energieetikette begrüßt er auch deswegen, weil sie einen neuen Blick auf das Bauelement Fenster gestattet. „Bisher war ein Fenster immer mit einem Energieverlust behaftet. Jetzt betrachtet man auch den möglichen Energiegewinn und wird dem Fenster endlich gerecht.“
Außerdem liegen dem Schweizer Label realistische Durchschnittswerte zugrunde, die keine Schönfärberei erlauben. Alle Fenster werden auf das Klima der Stadt Zürich quasi normiert, die mit einem hohen Smog- und Nebelanteil in der Heizperiode keineswegs ein idealer Standort ist. Auch für die Einbausituation wird ein Mittelwert zwischen den Himmelsrichtungen gewählt und die mögliche Beschattung berücksichtigt. Diese Annahmen bilden die Basis für die Energieetiketten sämtlicher Fenstersysteme, damit diese untereinander vergleichbar sind.
Das Unternehmen Wenger Fenster hat für drei Fenstersysteme eine Energieetikette erhalten: für zwei Holz-Metall-Systeme „Eiger Pollux“ in den Rahmendicken 72 und 82 mm und für die Holzfenster „Niesen“. Alle Produkte verfügen über besonders schmale Rahmen und einen hohen Glasanteil für maximalen Lichteintrag. Erne Holzbau hat die Energieetikette für das Holz-Metall-Fenstersystem Vitrum für die drei Ausführungsvarianten Classic, Style und Integral in der Holzrahmenstärke 68 mm erhalten. Die Varianten unterscheiden sich im äußeren Erscheinungsbild: bei Classic sind Flügel und Rahmen flächenversetzt, bei Style sind Flügel und Rahmen außen flächenbündig, und Integral hat kein außen sichtbares Flügelprofil, d.h. der Rahmen überdeckt die Flügel komplett. Eine Ausführung in 78 mm Rahmenstärke mit noch besseren bauphysikalischen Werten ist ebenfalls möglich.

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