Stephan Schmidt, FVSB
Von Schlössern und ChampionsDer FVSB vertritt die Interessen von rund 70 Herstellern der Schloss- und Beschlagindustrie in Deutschland. Stephan Schmidt ist seit 18 Jahren Geschäftsführer des Verbands. Wir haben mit ihm über Mehrfachverriegelungen, veraltete Normen und die Innovationskraft seiner Mitgliedsunternehmen gesprochen.
metallbau: Herr Schmidt, welche Trends sehen Sie in der Beschlagtechnik für Türen?
Stephan Schmidt: Den Markt schätzen wir auf 1,5 Millionen Außentüren, die jährlich verbaut werden. Davon entfallen 66 Prozent auf den Renovierungsmarkt, 34 Prozent auf den Neubau. Im Wohnungsbau werden überwiegend Mehrfachverriegelungen eingebaut, häufig als selbstverriegelnde Lösungen. Mehrfachverriegelungen bieten einen erhöhten Einbruchschutz.
metallbau: In welchen Einbruch-Sicherheitsklassen?
Schmidt: Mindestens in der Widerstandsklasse 2. Es kommt aber immer häufiger vor, dass in Mehrfamilienhäusern bzw. Eigentumswohnungen sogar die inneren Wohnungsabschlusstüren in Klasse 3 ausgeführt werden. Gerade diese sind ja die Schwachstelle im Haus. Bisher wurden Wohnungsabschlusstüren aber meist als normale Wohnungstüren ausgeführt. Da sehe ich noch viel Marktpotenzial.
metallbau: Nennen Sie doch ein paar Zahlen!
Schmidt: Wenn wir von einem Bestand von 40 Millionen Wohnungen ausgehen, dann liegt heute der Anteil an motorisch gesteuerten Schlössern maximal bei fünf Prozent. Da bei Neuanschaffung oder Austausch verstärkt auf elektronische Lösungen gesetzt wird, wird dieser Anteil in den nächsten Jahren überproportional steigen.
metallbau: Ist die Technik darauf ausgelegt?
Schmidt: Durch entsprechend gute Bandtechnik, die beim Öffnen der Tür fast keine Reibung bietet, lassen sich höhere Gewichte, die sichere Türen haben, locker abfangen. Selbst bei innenliegenden, also völlig verdeckt liegenden Bändern funktioniert die Kraftübertragung gut. Mühelos machbar sind hier Türen bis zu 300 Kilo, aber selbst größere Gewichte stellen kein Problem dar, wenn man die Anzahl der Bänder erhöht.
metallbau: Entsprechen die derzeit gültigen Normen den Anforderungen des Marktes?
Schmidt: Da stechen Sie in eine offene Wunde. Denn mit unseren europäischen Normen kommen wir nicht weiter. Das liegt aber nicht an uns, sondern an den Vorgaben der Europäischen Kommission. Seit Längerem werden keine Normen im offiziellen Journal der EU veröffentlicht, sodass wir mit alten Normen arbeiten und teilweise auf nationale Normen zurückgreifen müssen. Wir kriegen das schon hin, aber die Europäischen Normen stellen durchaus einen Hemmschuh dar.
metallbau: Was heißt das für die Beschlagnorm?
Schmidt: Die DIN EN 1935, die Norm für einachsige Tür- und Fensterbänder, ist von 2002. Seitdem haben wir keine Überarbeitung dieser Norm erreicht. In dieser Norm sind nur Türgewichte bis 160 Kilo vorgesehen, und das auch nur für einachsige Bänder. Mehrfach einstellbare Bänder sind nicht vorgesehen! Man kann diese natürlich trotzdem produzieren. Dann arbeitet man in Anlehnung an diese Norm, bezieht sich auf andere Dokumente oder lässt sich sein Produkt von Prüfinstituten bestätigen. Für die Hersteller ist das aber sicherlich ein Mehraufwand.
metallbau: Was fordern Sie als Verband?
Schmidt: Wir sind nicht alleine mit dem Problem! Auch die Norm für Innentüren, die DIN EN 14351-2, ist fix und fertig, und auch diese wird nicht veröffentlicht. Nicht nur unsere Beschlaghersteller, sondern die ganze Türenbranche ist daher betroffen. Die EU muss jetzt klare Regeln aufstellen, wie es weitergehen soll, dass wieder Normen entstehen, mit denen man arbeiten kann und die den aktuellen technischen Stand darstellen! Wir bräuchten eine Produktnorm mit klaren Vorgaben, sodass jedes Land seine eigenen Sicherheitsaspekte daraus bedienen kann.
metallbau: Was bedeutet das konkret?
Schmidt: In der Beschlagnorm müssten mehrfach einstellbare Bänder aufgenommen werden und höhere Gewichtsklassen. Eine Norm, die für alle gilt, schafft mehr Anwendungssicherheit und vereinfacht die Austauschbarkeit. Die Frage des Verarbeiters nach dem jeweiligen Produktnachweis erübrigt sich dann.
metallbau: Wie reagieren Ihre Mitglieder auf die Anforderungen des Markts?
Schmidt: Sie sind sehr innovativ! Es ist beeindruckend, wenn man sich ihre Werke ansieht. Die Technik in den recht kleinen, unscheinbar wirkenden Beschlag-Produkten ist enorm. Die Bandhersteller wie die anderen Beschlaghersteller arbeiten hochautomatisiert, die großen wie die kleinen Unternehmen, die eine vielfach spezialisierte Produktion haben. Wir sind Champions, Tüftler, typisch deutsch. Ich finde, das überzeugt.