VHF – im Brandfall sehr sicher

Punkten mit Präzision und Fachwissen

Wer vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF) herstellt und errichtet, ­benötigt schon aus rechtlichen Gründen detailliertes Wissen über die zahlreichen Brandschutzvorschriften. Und weil das Herzstück der Fassaden eine exakt ausgeführte metallische Unterkonstruktion bildet, können sich Metallbauunternehmen gleich doppelt profilieren.

Die deutschen Brandschutzbestimmungen für Gebäude und deren Fassadensysteme erweisen sich auf den ersten Blick als mühsam zu durchschauen. Zu viele verschiedene Verordnungen und Vorschriften sind in den 16 Bundesländern gültig. Das trifft auch auf vorgehängte hinterlüftete Fassaden zu, obwohl diese in der Fachwelt als brandschutztechnisch sehr sicher gelten. Hinzu kommt eine Neuregelung der DIN 18516-1 für „Außenwandbekleidungen, hinterlüftet“ vom Juni 2010 und bis jetzt noch nicht absehbare, künftige EU-einheitliche Bestimmungen. Wer sich also als Metallbauer mit der Herstellung, dem Vertrieb oder der Montage von VHF befasst, braucht auch in Bezug auf wirksamen Brandschutz Spezialkenntnisse.

Größtmögliche Anpassungsfähigkeit. Viele Bürogebäude, Hotels, Hochhäuser, öffentliche Gebäude oder Industriebauten werden mit VHF versehen. Gründe liegen unter anderem in der großen Kombinationsfähigkeit möglicher Materialien und Konstruktionsprinzipien, in ihrer Langlebigkeit als Folge der diffusionsoffenen Trennung von Dämmung und Bekleidung sowie im günstigen Brandverhalten.

Im privaten Haus- und Wohnungsbau wurden VHF bisher verhaltener eingesetzt, aber „in der letzten Zeit spüren wir auch im Einfamilienhausbereich eine wachsende Nachfrage“, berichtet Ronald Winterfeld, Geschäftsführer des Fachverbandes FVHF. Zum Beispiel sei der Einsatz im Fertighausbau vorteilhaft, da hier ganze Wandelemente inklusive der Fassade industriell vorgefertigt werden könnten. Er ergänzt: „Beim individuellen Architektenhaus hingegen dominieren eher gewünschte optische Wirkungen, beispielsweise durch außergewöhnliche Konturen. Hier spielen VHF, teilweise auch kombiniert mit anderen Fassadensystemen, ihre Möglichkeiten voll aus.“

Professor Ralf-W. Boddenberg fasst das so zusammen: „VHF ermöglichen nicht nur die unterschiedlichsten Gestaltungswünsche hinsichtlich Architektur, Design und Ästhetik, sondern erfüllen auch bauphysikalisch und brandschutztechnisch höchste Ansprüche. Jede in den Brandschutzbestimmungen geforderte Sicherheit ist mit VHF erreichbar.“ Der Professor für Baustatik und Holzbau an der Hochschule Wismar ist seit vielen Jahren auch Mitglied im Sachverständigenausschuss des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt) und in Brandschutz-Normungsgremien.

Strenge Vorgaben. Die gültigen Landesbauordnungen (gemeint sind Bundesländer) unterscheiden Brandschutzanforderungen für Außenwandbekleidungen je nach Gebäudehöhe. Für Gebäude geringer und mittlerer Höhe bzw. der Gebäudeklassen 1 bis 5 reicht es aus, wenn schwer entflammbare Materialien der Baustoffklasse B1 für die Außenwandbekleidung einschließlich der Dämmung und der Unterkonstruktion verwendet werden. In vielen Bundesländern dürfen Außenwandbekleidungen bei Gebäuden geringer Höhe bzw. der Gebäudeklasse 1 bis 3 auch aus Baustoffen der Klasse B2 – normal entflammbar (z.B. Holz) bestehen. Für Gebäude über sieben Meter Höhe sind schwer entflammbare Dämmstoffe und Unterkonstruktionen vorgeschrieben, über 22 Meter Höhe gelten besonders strenge Auflagen. Diese Materialien müssen der Baustoffklasse A1 bzw. A2 – nicht brennbar – entsprechen. Für Gebäude mit einer Höhe unter sieben Metern oder Gebäude mit etagenweise in sich geschlossener Hinterlüftung und entsprechenden Brandsperren sind normal entflammbare Materialien der Baustoffklasse B2 erlaubt. Letzteres betrifft also vorrangig Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3. Hier dürfen VHF zum Beispiel auf einer Holzunterkonstruktion und mit Holzfaser- oder Korkdämmplatten errichtet werden. Für alle anderen Gebäude müssen die Unterkonstruktionen aus Metall und die Dämmstoffe aus Mineralwolle bestehen. Was die Fassadenbekleidung betrifft, so sollte sie die Baustoffklassen A1 bzw. A2 erfüllen, um eine hohe Brandsicherheit zu erreichen. Somit sind Materialien aus Metall, Glas, Keramik, asbestfreiem Faserzement, Betonwerkstein oder Naturstein bestens geeignet.

Nicht brennbare Materialien. „Als Grundregel gilt, dass alle Komponenten der VHF aus nicht brennbarem Material bestehen müssen“, sagt Prof. Boddenberg. „Nur nicht brennbare Materialien widerstehen den hohen Temperaturen von mindestens 1.000 °C, die bei einem Vollbrand entstehen können. Hierbei muss man bedenken, dass wegen der hohen Luftdurchlässigkeit der VHF jede Komponente – auch die Unterkonstruktion – von den Flammen erreicht werden kann.“ Als nicht brennbarer Dämmstoff mit A-Beständigkeit gilt nur Mineralwolle. Polystyrol-Hartschaum (auch als Styropor bekannt) hingegen erfüllt die Baustoffklasse B1 und wird als schwer entflammbar eingestuft. Das ist für VHF unzureichend.

Neue Konstruktionsvorgaben. Die jüngsten Brandschutzanforderungen für VHF sind in der DIN 18516-1:2010-06 aufgeführt. Hier werden vor allem zusätzliche konstruktive Maßnahmen wie Brandsperren erstmals gefordert, um eine Brandausbreitung im Hinterlüftungsspalt durch den sogenannten Kamineffekt abzuwehren. Ob diese Maßnahmen notwendig sind, darüber sind Experten unterschiedlicher Meinung, denn „bei Bränden an VHF aus nicht brennbaren Materialien konnten in der Praxis keine derartigen Phänomene festgestellt werden“, erläutert Prof. Boddenberg. „Nach meiner Kenntnis sehen auch Versicherungen die Brandgefahr von nicht brennbaren VHF entspannt.“ Die jahrzehntelangen Erfahrungen aus der Praxis der VHF-Hersteller, des DIBt, der Feuerwehren von Berlin und Hamburg und des Verbandes der Sachversicherer würden dies bestätigen. 

Auszugsweise hier die wesentlichen Neuerungen der Norm:

Die Tiefe des Hinterlüftungsspaltes darf nicht größer sein als 50 mm (Unterkon-struktion aus Holz) bzw. 150 mm (Unterkonstruktion aus Metall).

In jedem zweiten Geschoss sind horizontale Brandsperren im Hinterlüftungsspalt anzuordnen. Sie sind zwischen der Wand und der Bekleidung bzw. dem Dämmstoff und der Bekleidung einzubauen.

Unter bestimmten Bedingungen sind horizontale Brandsperren nicht erforderlich, z.B. bei öffnungslosen Wänden oder besonderer Fensteranordnung.

Unterkonstruktionen aus brennbaren Baustoffen müssen im Bereich der horizontalen Brandsperren vollständig unterbrochen werden.

Die Größe der Öffnungen in den horizontalen Brandsperren ist insgesamt auf 100 cm2/lfm Wand zu begrenzen. Möglich sind gleichmäßig verteilte Einzelöffnungen oder ein durchgehender Spalt.

Dem Bauherrn nicht dienlich. Der Fassadenbauspezialist Stefan Thiel aus Feucht ist mit dem Thema Brandschutz in der täglichen Arbeit konfrontiert. Bei den meisten Bauprojekten gibt es zwar einen Brandschutzsachverständigen, der die Planungen hinsichtlich Einhaltung der Brandschutznormen überprüft, aber dies entbindet ihn nicht von seinen Pflichten, so Thiel. Fachwissen bis in die Landesbauordnungen hinein ist auch von ihm verlangt, „schon allein wegen der Sorgfaltspflicht“. Besonders hinderlich findet er die jüngste Norm DIN 18516-1. „Hier wurde der Branche eine europäische Norm aufs Auge gedrückt, die zwar bei Wärmedämmverbundsystemen WDVS sicherlich erforderlich, aber bei der VHF kontraproduktiv ist“, empört sich Thiel. Ihm sei kein Schadensfall mit Brandausbreitung im Hinterlüftungsraum bekannt, sagt er, im Gegenteil: Ein Brandschott in jedem zweiten Geschoss bedeutet lineare Wärmebrücken, Behinderung der Hinterlüftung und konstruktiver Zusatzaufwand. Unterm Strich sei das weder wirtschaftlich, noch bauphysikalisch oder konstruktiv sinnvoll. Als Fassadenbauer steckt Thiel dadurch in einer „ganz schwierigen Situation“, wie er selbst sagt. Er muss dem Bauherrn einerseits die Pflichten nach heutiger Gesetzeslage erläutern, ihm aber auch gleichzeitig alle Unzulänglichkeiten für die VHF offenbaren. Da eine endgültige Entscheidung darüber letztlich beim Bauherrn liegt, versucht Thiel ihn zu ermutigen, sich kritisch mit dem Brandschutzsachverständigen auseinanderzusetzen und eine konforme Lösung zu finden. „Dem Bauherrn ist das leider nicht dienlich“, findet er.

Im Brandfall sicher. Sind VHF nun als mehr oder weniger brandgefährdet im Vergleich zu anderen Fassadenkonstruktionen einzuschätzen? Die Bewertung von Professor Boddenberg fällt eindeutig aus: „VHF und Wärmedämmverbundsysteme sind in gleicher Weise brandsicher, wenn sie aus nicht brennbaren Baustoffen hergestellt werden.“ Kamineffekte der VHF führen nach umfangreichen Praxiserfahrungen nicht zu einer Brandausbreitung, wie es Laborversuche unterstellen. „Wärmedämmverbundsysteme mit einer Dämmung aus Schaumpolystyrol halte ich trotz positiver Beurteilung durch eine Brandschutzprüfstelle für gefährlich, da über die gesamte Fassade brennbares Material verteilt wird“, konstatiert Boddenberg und betont:  „Wenn in eine solche Konstruktion die Flammen eindringen, dann brennt möglicherweise die gesamte Fassade.“

Plus für Metallbauer. Brandschutzmaßnahmen sollen vor allem die rasche Ausbreitung eines Brandes verhindern. Darum kommt nicht nur den verwendeten Baumaterialien an einem Gebäude, sondern auch der Kon-struktion der Fassade eine große Bedeutung zu. Bei einer VHF betrifft das vor allem die Unterkonstruktion und deren Befestigungs-, Verbindungs- und Verankerungselemente. Aus Gründen der Nichtbrennbarkeit werden im Zweckbau ausschließlich Unterkonstruktionen der Baustoffklasse A1 aus Aluminium- oder verzinkten Stahlprofilen verwendet, selten auch aus Edelstahl. Am häufigsten ist Aluminium im Einsatz.

Von der Qualität der Unterkonstruktion hängt also sowohl die Funktionsfähigkeit als auch die perfekte Ausführung einer VHF ab, denn Fassadenbauweisen und -technologien werden immer aufwändiger. „Von der Unterkonstruktion wird in Sachen Brandschutz, Statik und Präzision viel verlangt. Hier steckt das ganze Know-how für eine anspruchsvolle und ästhetisch ansprechende Fassade“, betont Prof. Boddenberg und ist überzeugt: „Ein Plus für den Metallbau, denn aufgrund der hohen Anforderungen an die exakte Ausführung der Metallunterkonstruktion eignen sich Metallbauer für die Fertigung und Verlegung solcher Fassaden besonders gut.“

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