Wettbewerbsfähig mit der EU?

Franken führt Schweizer Handwerk an EU

Die Schweizer Notenbank hat vor 2,5 Jahren den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken als Referenzkurs aufgegeben. Binnen Stunden verteuerte sich die Währung um 20 Prozent und löste einen Kaufboom im Euro-Raum aus. Seither machen sich die Schweizer Metallbauer wettbewerbsfähig mit der Euro-Zone. Entlastung kommt nun vom steigenden Euro und von automatisierenden Eidgenossen.

Üblicherweise sind Handwerker weder Finanz- noch Währungsexperten, die globale Einflüsse und Veränderungen interessieren müssen. Doch im konkreten Fall waren die Auswirkungen für die Schweizer Metallbauer zu massiv: Bedingt durch die Verunsicherung um die Stabilität des Euro und sinkende Zinsen im Euro-Raum wurde nämlich über Jahre immer mehr Kapital in die Schweiz transferiert.
„Unter anderem die Angst vor dem Auseinanderbrechen der Eurozone trieb die Anleger in Scharen in den als sicher geltenden Franken“, erklären Wirtschaftsanalysten diesen Trend. Der Ansturm war so groß, dass die Schweizer Notenbank (SNB) auch mit Negativzinsen und massiven Marktinterventionen den Trend nicht stoppen konnte. Letztes Rettungsmittel der SNB war Anfang 2015, den Referenzkurs von 1,20 Franken zum Euro aufzugeben, um damit das Inflationsrisiko an die Anleger aus dem Euroraum zurückzugeben. Bei denen zeigte die Maßnahme Wirkung. Bei den Schweizer Verbrauchern aber löste die Wechselkursfreigabe Goldgräberstimmung aus, weil der grenznahe Euroraum schlagartig nochmals um rund ein Fünftel günstiger wurde.

Lage im Metallbau

„Lohnintensive Arbeiten wie Verzinken oder Galvanisieren vergeben auch die Schweizer Metallbauer seither vermehrt in den grenznahen Euro-Raum“, sagt Thomas Zimmermann. Der 52-Jährige leitet den Fachverband Metallbau, in dem 1098 Schweizer Arbeitgeber mit 16.000 Jobs und 3518 Mio. Franken Umsatz organisiert sind (siehe „Wohin die Reise geht... Seite 5). Zwar ist deren Zahl leicht rückläufig, allerdings sind auch nur 60 Prozent aller Betriebe Mitglied im AM Suisse.
Über alle Umsätze hinweg hat die Lohnsumme der erfassten Betriebe einen Anteil von 30 Prozent. Entsprechend relevant ist, zu welchen Konditionen Material und Maschinen eingekauft werden, die im Euro-Raum im Schnitt zehn und vereinzelt bis zu 30 Prozent teurer sind. Zimmermann erklärt diese Differenz wiederum mit den Personalkosten: „Wenn der Lagerarbeiter in Mecklenburg 1.700 Euro bekommt und in der Schweiz 4.000 Franken, beeinflusst das die Versandkosten.“
Der Fachverbandsleiter relativiert aber auch: Bei einer Blechschere oder einem Laser für 10.000 und mehr Euro fielen solche Kosten nicht mehr sehr ins Gewicht. Während aber die einen Hersteller international an jeden verkaufen, sind andere in Vertriebsgebieten organisiert, die etwa Besteller aus der Schweiz an ihre Repräsentanz in der Alpenrepublik verweisen. So kam es insbesondere während der massiven Währungsdifferenz zu allerhand Tricksereien. Da bestellten Schweizer online bei deutschen Herstellern via VPN-Zugang, um ihre nationale Identität zu verschleiern, oder kauften über deutsche Metallbauer in Grenznähe ein, bei denen sie das Schweißgerät oder anderes Equipment dann abholten.
„Wer bescheißen will, findet immer einen Weg“, sagt dazu Mario Weber. Der 32-jährige Metallbauer hat vor zwei Jahren die etablierte Creametal AG gekauft, die einerseits Repräsentanz deutscher Maschinenhersteller im Schweizer Kappelen ist, andererseits mit drei Mitarbeitern Beschläge und anderes Zubehör montiert, das Metallbaubetriebe bei dem Lieferanten bestellen.

Weber kennt beide Seiten, da er seine Produkte zu zwei Dritteln im Inland verkauft und zu einem Drittel im EU-Ausland, allen voran in Deutschland. Und die Komponenten für seine Produkte lässt er wiederum zu 60 Prozent in der Schweiz und zu 40 Prozent in Deutschland fertigen. „Wir haben vor 2,5 Jahren auch die Verlagerung ins günstigere Ausland versucht,“ sagt der Unternehmer. Aber das grenznahe Baden-Württemberg sei trotz Währungsvorteilen zu teuer gewesen und für Osteuropa seine Produktionsmengen zu klein. Weber: „Damit das in der erforderlichen Präzision klappt, braucht man einen eigenen Mann vor Ort.“
Es sei schwierig, pauschale Regeln aufzustellen, sagt der 32-Jährige. Denn wenn der deutsche Hersteller etwa weltweit die Produktwerbung bezahlt, sei die globale Belieferung zum günstigsten Preis naheliegender, als wenn der Schweizer Repräsentant sämtliche Services erbringt. Weber hat auch Absprachen mit Herstellern. Während aber die Wartung einer Maschine, die bei ihm gekauft wurde, im Einzelfall sogar gratis ist, berechnet er einem, der sein Gerät online gekauft hat, „jedes Schräubchen und jeden Handgriff.“
Zwar hat das Thema Beschaffungswesen durch den Wegfall des Referenzkurses von Franken zu Euro an Aufmerksamkeit gewonnen, doch hinter den Kulissen wird eine Liberalisierung und Globalisierung deutlich, die längst auch die Schweiz erfasst hat. Denn Digitalisierung und Internet, die Preise und Kosten abgesehen von Währungsrisiken weltweit nahezu transparent gemacht haben, haben auch im Handwerk der Alpenrepublik dazu geführt, dass Metallbauer zunehmend rationalisieren und automatisieren. Begünstigt wird dieser Prozess von der hohen Engineering-Kompetenz und dem massiven Qualitätsbewusstsein, die die Schweizer mehrheitlich haben. „Hier wurde zuletzt massiv in Robotik und modernste Produktionsprozesse investiert, um den starken Franken bei den Lohnkosten zu kompensieren“, sagt Weber. Das habe so gut funktioniert, dass er Aufträge teils zu günstigeren Konditionen aus Deutschland zurück in die Schweiz holen konnte.
Und im Gegensatz zur EU hat die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit China, was den internationalen Einkauf mit einer starken Währung begünstigt. Auch mit der EU hat der kleine Nachbar knapp 300 Verträge, die den freien Handel von Waren und Dienstleistungen zwischen Firmen begünstigen. Der Zoll, dessen Gebühren sich nach dem Gewicht der Waren berechnen, weil nur diese Kennziffer zweifelsfrei messbar ist, spielt deshalb nur dort eine Rolle, wo private Versender oder Empfänger involviert sind. „Zoll bezahlt man im B2B-Bereich nur, wenn der Versender die Papiere nicht korrekt ausgefüllt hat“, sagt Weber.

Fazit

Nachdem also Automatisierung und freier Handel zunehmend die Handwerkerkosten nivellieren, kehrt sich aktuell auch die Währungsdramatik um. Seit Monaten schwächelt der Franken und liegt aktuell wieder bei 1,15 Franken – also nur fünf Rappen unter dem Referenzkurs früherer Zeiten. Entsprechend atmen die Metallbauer der Alpenrepublik zunehmend auf. Auch der Kontext für diese Entwicklung liegt allerdings außerhalb der Schweiz und zeigt, wie ein gemeinsamer Währungsraum und Binnenmarkt auf eine kleine, benachbarte Volkswirtschaft regelrecht durchschlägt.
Der Euro hat wieder an Wert gewonnen, weil sich die politische Lage beruhigt hat: In Frankreich und den Niederlanden haben sich gemäßigte Parteien und Politiker gegen die Rechtspopulisten durchgesetzt; das überschuldete Griechenland gewinnt wieder an Bonität und der Brexit mit all seinen negativen Auswirkungen auf die Engländer lässt die vermeintlichen Patrioten in Italien oder Osteuropa mit ihren nationalen Alleingängen vorsichtiger werden. Und all das vor dem Hintergrund einer europaweiten stabilen Konjunktur mit meist guten Firmenergebnissen.
„Und jetzt zeichnet sich auch noch ein Ende der lockeren Geldpolitik in der Eurozone ab“, sagt Valentin Bissat. Laut dem Experten der Genfer Finanzgruppe Mirabaud fürchten die Europäer nicht mehr den Zerfall ihrer Währung, weshalb sie in der Devise bleiben. Offenbar hält aber auch die SNB die eigene Währung für überbewertet und kauft deshalb massiv Vermögenswerte im Ausland. Denn der Abfluss des Franken relativiert zugleich dessen Gewichtung.
Aktuell betragen die Devisenreserven der Schweiz 724,1 Mrd. Franken. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt des Landes mit seinen 8,4 Millionen Einwohnern. Finanz- und Währungsexperten, etwa der Commerzbank-Devisenstratege Ulrich Leuchtmann, prognostizieren, dass der Franken bald wieder bei einem Wechselkurs von 1,20 zum Euro liegen wird. Die Schweizer Metallbauer sind froh über diese Aussicht. Ob es sich dabei um das Ende der Stärke oder eine befristete Schwäche des Franken handelt, ist den Handwerkern egal.

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