TYNe Mikro-Van
Wie viel Auto braucht der Metallbauer?Wer mit Transporter oder Van zur Kundschaft düst, und das künftig emissionsfrei tun möchte, überspringt die 50.000 Euro-Latte der Anschaffungskosten. Wem das zu viel ist, für den könnte die schwäbisch-chinesische Kooperation des TYNe eine Alternative sein. Mit der „First Edition“ kommt der Mikro-Van mit einem Einstiegspreis von unter 20.000 Euro auf den Markt. Wir sind den Prototyp zur Probe gefahren.
Ein Auto, das seinen Platz zwischen Lieferwagen und Lastenrad sucht. Handlich und wendig kommt er daher, der Lieferzwerg mit E-Antrieb an der Hinterachse. Mit einer Länge von 3,49 m, einer Breite von 1,49 m und einer Höhe von 1,70 m flutscht der Mini-Van durch die engen Gassen der Waiblinger Altstadt. Hierher wird das erste Modell geliefert, das sein „Erfinder“ in China fertigen lässt. Denn der Firmensitz der TYNe Europa GmbH ist im Mutterland von Gottfried Daimler und Ferdinand Porsche. Hinter dem Projekt stehen die Weber Mobility GmbH und die shareX Mobility AG. Hauptaktionär und Vorsitzender des Aufsichtsrats von shareX ist Ulrich Villinger, Zeitungsverleger aus Waiblingen. Und damit keine zehn Kilometer vom Stuttgarter Ortsteil Untertürkheim entfernt – von dem der Mercedesstern grüßt.
Beim Hochschlängeln auf die Korber Höhe entpuppt sich die Federung des TYNe als zeitgemäß. Hinten an der Antriebsachse sorgt eine Blattfeder für mehr Komfort, je mehr Ladung der kleine Kerl schultert. Wobei die Zuladung bei 565 kg liegt. Vorne mildert eine Mc-Pherson-Einzelradaufhängung Unebenheiten der Straße ab. Der Wendekreis mit 9,20 m ist passend gering. Ein Plus für die Innenstadt. Dort fällt der Mini-Van in Erlkönig-Beklebung etlichen Passanten auf.
Ladevolumen liegt bei 2,3 m³
Dabei ist die erste Ausgabe eine internationale Kooperation: Entwickelt wurde das Auto in Bernau bei Berlin und Markdorf am Bodensee. Das Design stammt aus Turin. Optisch ist die Nähe zur Fiat-Heimat unverkennbar. Der Leichtbau wird in Barcelona und Shanghai entwickelt. Wobei dem Chassis eine Leiterkonstruktion als Basis dient. Produziert wird der Mini-Van in Shandong. Das dortige Werk ist auf eine Produktionskapazität von 100.000 Fahrzeugen im Jahr ausgelegt.
Die erste Charge, die noch dieses Jahr geliefert werden soll, beträgt allerdings nur 100 Vans. Ergo kann das knuffige Auto mit einer Ladefläche von 1,50 m auf 99 cm (zwischen den Radkästen) derzeit online bestellt bzw. reserviert werden. Das Ladevolumen liegt bei 2,3 m³. Die Serie 1 hat dennoch einiges zu bieten: Klimaanlage in der Fahrerkabine, Zentralverriegelung, Seitenaufprallschutz, ABS (vorn Scheiben- und hinten Trommelbremsen), LED-Lichter, einen Synchron-Motor mit 15 kW Leistung und elektrische Fensterheber. Das Interieur: Hartplastik, sparsam gehalten und durch die schmale Fahrzeugbreite sitzen Fahrer und Beifahrer kuschelig beisammen.
71 Stundenkilometer Spitze
Ob auch ein Radio mit an Bord ist, kann bei der Probefahrt nicht abschließend geklärt werden. Der LED-Touchscreen „spricht“ noch nur chinesisch. Das soll sich aber bis zur Lieferung der ersten Serie ändern. Das Infotainment mit Smartphone-Anbindung gelingt via Bluetooth. Über das Handy soll auch navigiert werden. Dafür ist eine Rückfahrkamera an Bord. Genauso wie drei USB-Anschlüsse und eine 12-V-Steckdose.
Die 20-kW-Lithium-Ionen-Batterie liefert Saft für eine Reichweite von bis zu 230 km, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 71 km/h. Klingt erst mal wenig. Doch der Klein-Van ist für die letzte Meile konzipiert. Handwerker, die einen Aktionsradius von 15 Kilometer um den Betrieb haben, dürften damit gut zurechtkommen. Zumal zum Laden eine Haushaltssteckdose reicht, wie sie in fast jeder Garage zu finden ist. Und nach sechs Stunden ist der Akku voll.
Abo-Modell für Gewerbetreibende
Der Hersteller bietet eine fünfjährige Garantie bis zu einer Laufleistung von 60.000 km. Sympathisch ist die Räderwahl. Mit der Reifengröße 165/70 R13 ist eine Massengröße gefunden worden, die oft für Anhänger verwendet wird. In China ist das Fahrzeug als Leichtmobil bereits auf dem Markt, die Adaption an europäische Standards, wie die Crashnormen der N1-Zulassung, seien aber aufwändig gewesen.
Damit der TYNe bekannt wird, bietet der Hersteller ein Abo-Modell, das für Gewerbetreibende interessant sein dürfte. Für 390 Euro im Monat ist alles bezahlt – außer dem Strom. Der Einstiegspreis für die First Edition liegt unter 20.000 Euro (netto). Und weil Umweltbonus inklusive Innovationsprämie für Gewerbekunden Ende August 2023 auslaufen, rabattiert der Hersteller das Einführungsmodell um den staatlichen Bonus von 2.250 Euro.
Schnell-Check
Erster Eindruck: Der TYNe ist eine Antwort auf die letzte Meile. Konzipiert für Stadt und kurze Wege chargiert er zwischen Van und Lastenfahrrad. Die Optik ist gelungen, erinnert ein wenig an den legendären Fiat 238 (oder den Renault Estafette, bekannt aus Louis de Funès-Filmen wie „Balduin, der Heiratsmuffel“).
Fahr(er)gefühl: Lange Fahrten wünscht man im Mini-Van keinem. Trotzdem flitzt der Kleine schnittig um die Ecken der Altstadt und zügig den Berg hinauf. Die Rückfahrkamera (Serienausstattung) hätte man ihm gar nicht zugetraut.
Öko-Check: Mit 20-KW-Motor und 71 km/h Spitze hat der TYNe Potential als urbaner Gewinner. Er liefert die Antwort auf wie viel oder wenig Auto ein Mensch braucht. Ist es weniger, spart dies Ressourcen und schont das Klima.
Hands-on: Die Zuladung von 565 kg ist überraschend hoch. Zum Vergleich: Der eVito hat 913 kg, kostet aber das Vierfache. Auch ist der Laderaum nichts für sperrige Güter. Aber handliche Klappboxen, bestückt mit Werkzeug und Ersatzteilen lassen sich damit gut transportieren.
Was haften bleibt: Der schwäbisch-chinesische Mikro-Van liefert ab. Er ist durchdacht und auf die definierten Ansprüche reduziert. Vom Laden an der Haushaltssteckdose bis zur Reifengröße wirkt das Konzept stimmig. Könnte ein „Urban-Hero(le)“ zum günstigen Preis werden.