Verankerungen
Anschlagpunkte redundant sichernDas Überprüfen von Befestigungspunkten an Bauwerken, insbesondere von Anschlagpunkten für Personen, ist eine sehr sicherheitssensible Angelegenheit. Doch nicht immer wird diesem Sicherheitsfaktor die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Der Fachbeitrag spricht sowohl die Betreiber an, die Befestigungspunkte vorhalten müssen, als auch diejenigen, die sie nutzen.
Die Sicherung gegen Absturz von Personen ist einer der wichtigsten Gesichtspunkte bei der Herstellung, Wartung oder Instandsetzung an Bauwerken. Die bekanntesten Lösungen sind Brüstungen wie Geländer, Verglasungen oder Verbauungen, die einen Absturz verhindern sollen.
Nicht in allen Fällen können diese baulichen Gegebenheiten als Absturzsicherung geschaffen werden. Dann kommen häufig Anschlagpunkte und andere Sicherungsmittel zum Einsatz. Anschlagpunkte werden zum Beispiel mittels Klebeanker mit Einhängeöse umgesetzt. Diese Produkte sind bauaufsichtlich geprüft und besitzen ein CE-Kennzeichen für das Inverkehrbringen in den europäischen Markt, inklusive Leistungserklärung nach europäischen Vorgaben und Regelwerken. Das jeweilige Bauwerk muss alle Voraussetzungen erfüllen, die in der Zulassung des jeweiligen Anschlagpunktes beschrieben sind.
Prüfen Sie die Anschlagpunkte
Nehmen wir ein Bauwerk an, in das ein Anker in einen ungeregelten oder nicht bekannten Untergrund eingebaut wurde. Dokumente zum Nachweis der Standfestigkeit liegen nicht vor. Ähnlich schwierig verhält es sich, wenn zwingend nötig in einem ungeregelten oder nicht bekannten Untergrund eine Befestigung installiert werden soll. Formal darf in diesen Fällen ein Anschlagpunkt oder Anker nach DIN EN nicht verbaut werden, da keine Leistungserklärung erstellt werden kann. In den Leistungserklärungen sind nicht nur die Kräfte, sondern auch Langlebigkeit, Verwendungszweck, Wechselwirkungen mit der Umgebung, Montagerichtlinien, Lastannahmen etc. geregelt.
Häufig werden diese Vorschriften und Regelwerke außer Acht gelassen. Gründe mögen Unwissenheit oder ein schlichtes Ignorieren sein. Nach den wenigen Schadensfällen zu beurteilen, scheint diese Vorgehensweise vergleichsweise wenig negative Folgen nach sich zu ziehen. Wahrscheinlich ist dieser erfreuliche Umstand eine positive Konsequenz des Dualen - Ausbildungssystems. Aber die schludrige Arbeitsweise bringt den Sachkundigen oder Sachverständigen bei der jährlichen Turnusprüfung in die Bredouille, er soll den Zustand und die Leistungsfähigkeit des Anschlagpunktes nachweisen.
Im Normalfall würde eine visuelle Prüfung und die Prüfung der Montageprotokolle ausreichen. Seit Kurzem wird von einigen Herstellern neben der Vorgabe „Zugprüfung bei Montage“ auch eine „Zugprüfung planmäßig“ genannt. Die bekannte „Rüttelprobe“ gehört in den Bereich einer gut gemeinten Prüfung nach Gefühl.
Die Anforderung der Zugprüfung bei der Turnusprüfung wird durch die ebenfalls bestehende Vorgabe kontakariert, dass keine Zugprüfungen durchgeführt werden sollen, weil damit eine Beschädigung des Anschlagpunkts risikiert wird. Im Ergebnis können diese widersprüchlichen Regelungen zu einem Sicherheitsmangel führen. Gerichtlich bleibt der prüfende Sachverständige bzw. Sachkundige wegen der widersprüchlichen Vorgaben in jedem Fall belangbar. Rechtssicher fachlich zu handeln ist ihm nicht möglich.
Wegen der Crux, dass ein Sicherheitsmangel nicht auszuschließen ist, setzen Fassadenkletterer meist einen eigenen Anschlagpunkt. Auf sichere Anschlagpunkte angewiesen, verlassen sie sich prinzipiell nicht auf die Befestigung, die sie vorfinden, und setzen redundante Anschlagpunkte.
In der Praxis wird montierten Sicherungssystemen wie Anschlagpunkten kaum Vertrauen geschenkt. Das versichern viele Kontakte aus Fachkreisen glaubhaft. Das Setzen von alternativen Anschlagpunkten ist vernünftig und nachvollziehbar, weil sich hartnäckig die Vorgabe hält, dass wegen der Gefahr der Beschädigung der Anschlagpunkte keine Zugprüfungen durchgeführt werden dürfen.
Diese absurden sich widersprechenden Regelungen werfen die Frage auf: Wer ist im Schadensfall für den Staatsanwalt der relevante Ansprechpartner:
Der Monteur?
Der Betreiber beziehungsweise dessen Erfüllungsgehilfe – der Prüfer der Anschlagspunkte?
Der, der abgestürzt ist, beziehungsweise dessen Firma oder der jeweilige Sicherheitsbeauftragte?
Wer logisch schlussfolgert, nimmt den Betreiber beziehungsweise dessen Erfüllungsgehilfen, die prüfenden Sachverständigen/Sachkundigen, in die Verantwortung. In zweiter Reihe stehen die gesetzlichen Versicherer, wie z.B. die Berufsgenossenschaften, die, wie bekannt, die Gefährdungsanalyse in die Waagschale werfen, ob im Schadensfall gezahlt wird – oder nicht.
Der Grund dafür, dass formal der Betreiber verantwortlich ist, liegt in der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Anschlagpunktes. Ein Montageprotokoll kann dies dauerhaft nicht erfüllen. Es steht fest, ein Korrosionsangriff auf den Anschlagpunkt muss von außen nicht sichtbar sein. Ferner unterliegt das Bauwerk einer Alterung und Veränderung durch äußere Einwirkungen wie Setzungen. Nicht selten werden durch Feuchtigkeitseintrag aggressive Medien an den Befestigungspunkt transportiert oder es findet an der sicherheitssensiblen Stelle eine Aufkonzentration statt, die zu Korrosion oder Zersetzung führt. Auf Rissbildung in Stahlbeton (Mauerwerk) wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
Arbeiten Sie redundant!
Im Schadensfall ist rechtlich konkret der Prüfer verantwortlich. Eine Zugprüfung ist immer ein aussagekräftiges Mittel zur Prüfung eines Anschlagpunktes, besonders im Zweifelsfalle. Denn dann würde bei einem Versagen Klarheit geschaffen.
„Hätte es Möglichkeiten gegeben, den Unfall zu vermeiden…?“ Diese Frage würde im Schadensfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einem Richter oder Staatsanwalt gestellt werden. Zwar arbeiten professionelle Kletterer an Gebäuden und Strukturen grundsätzlich redundant, anders jedoch die Personen, die am Gebäude Dienstleistungen an Rauchklappen, Luft-/Abgassystemen und Wärmeanlagen erbringen; diese sind meist einfach für den seltenen Fall der Fälle gesichert. Für sie kommt es auf den einen Anschlagpunkt an. Der muss halten!
Fazit
Grundsätzlich sind Profis tätig, wenn Menschenleben mit technischen Einrichtungen geschützt wird. Deshalb gibt es keine Alternativen zur Zugprüfung. Exemplarisch für das Geländer in einem Fußballstadion: Jede Woche ein Tor für die eigene Mannschaft könnte von den Fans eine schwellende Last von 2 kN/m auf das Geländer bedeuten – sprich auf die Befestigungspunkte. Warum sollte diese „Normale“ nicht als möglicher Nachweis der Standsicherheit herangezogen werden können? Können nicht Fachkreise im konstruktiven Miteinander praktische Lösungen zur Überprüfung finden, die eine sichere Nutzung der Menschen gewährleistet?
Metallbaumeister Robert Hämmelmann führt in Würzburg eine Schlosserei, die im amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen registriert ist. Leistungsschwerpunkte sind Brandschutz, Einbruchschutz, Befestigungstechnik. Zudem erstellt der Unternehmer als ö.b.u.v. Sachverständiger für das Metallbauerhandwerk Gutachten. Gegründet wurde die Firma Hämmelmann 1859 als Schmiede. Die Firma Hämmelmann Befestigungstechnik ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001. Leser können mich gerne zum Thema kontaktieren: mail@haemmelmann.de