Rosenheimer Fenstertage

Ein Streifzug durchs Programm

Impluse aus zwei Vortragstagen

22 Referenten präsentierten bei den Fenstertagen 2024 Lösungsansätze für klimasichere, nachhaltige und qualitative Bauprodukte. 650 Zuhörer kamen zur Konferenz nach Rosenheim. Am zweiten Tag konnten die Teilnehmer das ift Schall-, Brand- und Fassadenlabor besichtigen. Einen speziellen Einblick in Cyberkriminalität gab Mark T. Hofmann, der sich im Rahmen seiner Arbeit mit IT-Straftätern austauscht.

Wirtschaftspsychologe Mark T. Hofmann (Crime- & Intelligence Analyst) referierte über technische und psychologische Tricks der Cyberkriminalität. Auch hier gibt es wie bei Naturkatastrophen das Phänomen der „Katastrophendemenz“, das bei Unternehmen zur Vernachlässigung der Vorsorge führt. Dies betrifft vor allem den Risikofaktor Mensch, denn laut Hofmann erfolgen über 90% der erfolgreichen Angriffe auf IT-Systeme durch die Schwachstelle „Mensch“ und weniger über eine unsichere IT-Infrastruktur. Der Vortrag illustrierte wie ein Unternehmen durch eine "menschliche Firewall" besser geschützt werden kann. Hierbei ist die Kenntnis und Beachtung  folgender Aspekte sehr hilfreich:

- 90% der Angriffe erfolgen über Menschen per Phishing Mails, „herumliegende“ USB-Sticks, Telefonanrufe, erbeutete Passwörter, eingeschleuste oder ausspionierte Mitarbeiter.

- Durch Hacker entstehen in Deutschland geschätzte Schäden von ca.206 Mrd. Euro und weltweit von ca. 10,5 Billionen $.

- Zum Ausspionieren von Firmendetails oder Passwörtern von Mitarbeitern (auch bei Zulieferern) wird die ganze Palette von Emotionen professionell eingesetzt. Hierzu zählt der Aufbau von Zeitdruck und Dringlichkeit, Angst, Druck machen, Schmeicheln und vieles mehr. Mittels KI werden immer häufiger Deep-Fakes eingesetzt, bei denen Videos oder Telefonanrufe immer perfekter imitiert werden und die Stimme vom „Chef“, der einen Überweisungsauftrag erteilt, klingt täuschend echt. Daher gilt es, keine Details oder Finanzaktivitäten preis zu geben, ohne sich durch eine 2-Faktor-Autorisierung, ein internes Codewort oder einen Rückruf an die richtige Telefonnummer abzusichern.

- Kein Unternehmen ist sicher oder für Hacker unwichtig, denn insbesondere Ransomware-Angriffe (Verschlüsselung der eigenen Daten und Entschlüsselung gegen Lösegeld) ist ein lukratives Geschäftsmodell, bei dem es um Umsatz geht. Und der ist mit jedem Unternehmen möglich.

- Auch kleine Unternehmen werden angegriffen, wenn der Angriff leicht möglich ist. Die Lösegelder sind nach Firmengröße gestaffelt und betragen ca. 10-20% des Unternehmensgewinns bzw. 5% des Unternehmenswert.

- Die Hacker agieren wie mittelständische Unternehmen mit eigenen Abteilungen für QM, F+E, Finanzen und sogar mit einer Kundenserviceabteilung, die den angegriffenen Unternehmen erklärt, wie der IT-Betrieb wieder in Gang kommt oder eine Bitcoin Zahlung funktioniert.

Mark T. Hoffman forderte eindringlich dazu auf, die Mitarbeiter immer wieder für die Gefahren zu sensibilisieren und Cyberattacken regelmäßig zu simulieren und zu üben, um eine wirksame Firewall der IT und der Belegschaft zu errichten.

Nachhaltigkeit

Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler, der das ift Rosenheim kommissarisch für den erkrankten Prof. Jörn Lass leitet, bezeichnet sich als „unverbesserlichen Optimisten“. Deshalb zeigte er, welche relevanten Veränderungen und Trends die nahe und mittlere Zukunft der Fenster- und Fassadenbranche bestimmen und wie die darin liegenden Chancen genutzt werden können. Er informierte konkret, wie sich bestehende und kommende Gesetze (Europäisches Klimagesetz, Taxonomie-Verordnung, New Circular Economy Action Plan (CEAP-2), Bauproduktenverordnung, EU Directive on Empowering Consumers for the Green Transition (ECGT), Green-Claim Directive (GCD), Ökodesign-Verordnung u.a.) auf die Fenster- und Fassadenbranche auswirken werden. Die Branche wird sich deshalb stärker mit einer nachhaltigen Produktion, funktionsfähigen Recycling-, Wartungs- und Reparaturkonzepten sowie einer transparenten  Dokumentation und glaubwürdigen Nachweisen beschäftigen müssen, beispielsweise mittels einer Ökobilanz oder Umweltproduktdeklaration (EPD). Bei der in Politik und Gesellschaft zunehmenden Diskussion über zirkuläre Wirtschaftskreisläufe riet Prof. Dr. Heusler dazu die Besonderheit von langlebigen Bauprodukten zu betonen. Denn im Gegensatz zu kurzlebigen Konsumprodukten muss bei Bauprodukten der Fokus auf der Verbesserung der Nutzungszeit durch Wartung und Reparatur sowie einer leichten Austauschbarkeit liegen. Eine Teilmodernisierung von Fassaden durch den Austausch und Aufrüstung einzelner Komponenten (Fenster, Beschläge, Glas etc.) ist deshalb eine sinnvolle Maßnahme und kann gleichzeitig ein lukrativer Markt sein. Die Bewertung und der Nachweis dieser verschiedenen Aspekte ist durch die EUGewährleistungsmarke „klima.sicher.bauen“ möglich, die vom ift Rosenheim für die Branche entwickelt wurde, um Hersteller vor Haftungsrisiken zu schützen und Bauherren und Planern transparente und glaubwürdige Informationen zu Klimaresilienz und Nachhaltigkeit zu bieten.

Bauen im Bestand

Juristische und technische Aspekte beim "Bauen im Bestand" diskutierten Prof. Christian Niemöller und Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler. Beide waren sich über das große Potenzial der energetischen Modernisierung des Gebäudebestands einig. Während Prof. Heusler die vorhandenen technischen Möglichkeiten für die Sanierung beschrieb, ermahnte Prof. Niemöller auch die Wirtschaftlichkeit der Fenstersanierung zu prüfen. Hierzu zitierte er ein Urteil des OLG Celle bzw. BGH (15.06.2017, 5 U 92/16; BGH, Beschluss vom 11.03.2020, VII ZR 167/17), bei der das Gericht feststellte, dass es eine Pflichtverletzung ist, wenn ein Planer dem Auftraggeber zu einer Sanierung rät, obwohl die Sanierungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zur verbleibenden Nutzungszeit bzw. im Vergleich zu den Kosten eines Neubaus stehen. Der mit dem Umbau eines Bestandsgebäudes beauftragte Architekt hat daher eine intensive Bauwerkserkundigungspflicht. Er hat zu prüfen, ob die vorhandenen Bauunterlagen und der Zustand des Gebäudes eine sichere Grundlage für das geplante Bauvorhaben sind (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VII ZR 225/14; IBR 2016, 296“). Ein weiteres Problem ist laut Prof. Niemöller die Verantwortlichkeiten aller Baubeteiligten zu bestimmen, denn über Architekt, Planer und Bauherren hinaus kommen auch Dritteinflüsse (z.B. Banken, Versicherungen) sowie die Nutzer mit vielfältigen Ansprüchen und Interessen hinzu. Oft wird dabei vergessen, dass Bauherren und Nutzer erwarten dürfen, dass bei der Modernisierung von Teilen eines Bestandsgebäudes der Neubaustandard eingehalten wird, wenn das möglich ist (BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - VII ZR 75/15; IBR 2016, 154). Die Gerichte räumen dabei ohne weiteres einen Toleranzrahmen für Mehrkosten von 20% und 25% ein (OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2018 - 3 U 36/17; BGH, Beschluss vom 09.10.2019 - VII ZR 167/16). Für die Ausführenden dürfte interessant sein, dass der Auftragnehmer beim Bauen im Bestand dazu berechtigt ist, „pragmatische Lösungen“ zu nutzen und eine „blinde Anwendung der anerkannten Regeln der Technik (...) völlig willkürlich sein kann“ (BGH, Beschluss vom 13.07.2016, VII ZR 280/13; IBR 2017,132). Hier knüpfte Prof. Dr. Heusler an und forderte die Fenster- und Fassadenexperten auf, die aktuelle Baukrise zur Weiterbildung und für Kompetenzgewinn zu nutzen, um somit besser ganzheitliche Modernisierungslösungen und pragmatische Baukonstruktionen zu entwickeln und selbstbewusst zu präsentieren.

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