Veranstaltung

14. Fachtag Brückenbau

Die Branche zeigt Willen zur Kooperation

Über 100 Teilnehmer kamen zum 14. Fachtag Brückenbau nach Duisburg. Im Anschluss an die Tagung wurde die Baustelle der Autobahnbrücke (A40) Neuenkamp über den Rhein besichtigt. Die Projektbeteiligten haben zudem eine Leit­linie unterschrieben, in der sie sich zum partnerschaftlichen Handeln im Sinne des Bauwerks verpflichten.

„Duisburg hat mit über 700 Brücken deutlich mehr als Venedig! — und er könne sich mit diesem weit überdurchschnittlichen Bestand kaum einen geeigneteren Veranstaltungsort für einen Brückenbautag vorstellen“, stellte Andree Haack fest. Der Beigeordnete der Stadt Duisburg für Wirtschaft, ­Sicherheit und Ordnung verwies in seinem Grußwort darauf, dass die Autobahnbrücke Neuenkamp nicht nur die links- und rechtsrheinischen Kaianlagen des größten europäischen Binnenhafens mit einander verbindet, sondern dass sie zudem auch eine wichtige Fernverbindung zwischen den osteuropäischen Staaten und den Nordseehäfen in Belgien und den Niederlanden darstellt. Aktuell passieren die 1970 fertiggestellte und seinerzeit für 30.000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegte Brücke weit über 100.000 Fahrzeuge. Davon sind 10.500 Fahrzeuge, also mehr als 10 %, dem Schwerlastverkehr zuzurechnen; es handelt sich also um LKW, die mehr als 40 t Gesamtgewicht aufweisen und eigentlich überhaupt nur mit Sondergenehmigung auf die Straße dürften. Deshalb wurde an der Brücke eine entsprechende Waage eingerichtet, die nur bei diesen ohnehin unzulässigen Fahrzeuglasten anspricht.

Bei der Gesprächsrunde zum Thema „Brücken aus Stahl – mit Hightech in die Zukunft“ ging es um die sich stetig drehende Negativspirale in der Bauwirtschaft: Es gebe zunehmend kein Miteinander mehr, sondern nur noch ein Gegeneinander, das vorwiegend im juristischen Bereich ausgetragen werde. Dr. Dieter Reitz wies darauf hin, dass bei dem Projekt Neuenkamp nunmehr der Versuch gestartet wurde, diese Spirale zu durchbrechen: Gemeinsam mit der Bauherrschaft der DEGES, in Person von Dipl.-Ing. Knut Ewald, wurde eine Leitlinie unterschrieben, in der man sich verpflichtet, künftig partnerschaftlich und gemeinsam im Sinne des Bauwerkes zu agieren. Man möchte Probleme frühzeitig thematisieren und diese konstruktiv wie zeitnah lösen. Der Hauptauftragnehmer des Projektes, die Hochtief AG, unterstützt diese Initiative voll umfänglich.

Bestandsanalysen Stahlbrücken

Nach der Mittagspause stellte Herr Dipl.-Ing. Heinz Friedrich von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) seine Bestandsanalyse zu Stahlbrücken im Bundesfernstraßennetz vor.  2.746 der derzeitigen Teilbauwerke sind aus Stahl, also etwa 10 % des rund 28.000 Einheiten umfassenden Bestands. „Teilbauwerke“ beschreibt Brücken, die aus baulich getrennten Fahrtrichtungen bestehen, die für sich genommen standfest sind und mit Einschränkungen das jeweilige Verkehrsaufkommen bewältigen können.

Friedrich stellt fest, dass der niedrige Prozentsatz zwar auf eine geringe Zahl von Brücken hinweist, dass es sich bei diesen aber um die großen und wichtigen Brücken handelt. Stutzig gemacht hätte ihn dann jedoch die mittlere Länge von 38 m. Ursächlich hierfür ist, dass zu den Brücken nicht nur die eigentlichen Autobahnbrücken, sondern auch deren Querungen zählen. Dabei kann es sich zum einen um Fußwege sowie Radfahrbrücken und Wirtschaftswege handeln; zum anderen zählen dazu aber auch die zahllosen Wellstahlbauwerke, mit denen eine Autobahn etwa eine Eisenbahntrasse unterquert oder die einen Autobahndamm kreuzen. Sie gelten vielfach nicht als Tunnel, sondern als Brücken. Nimmt man diese aus der Statistik heraus, erreicht man eine durchschnittliche Länge von 260 m.

Friedrich stellt zudem fest, dass der Erhaltungszustand der Stahlbrücken in dem neu eingeführten Bewertungssystem für Brückenbauwerke in der Regel als schlecht eingestuft wird. Das liegt aber vornehmlich an einer Bestimmung, die regelt, dass alle vor 1978 erstellten Bauwerke nachzurechnen sind. Da dies auf einen Großteil der Stahlbrücken zutrifft, mag sich diese Bewertung mit zunehmender Nachrechnung noch ändern.

In der Ausgabe vom Dezember berichtet Architekt Robert Mehl über den Stahlbau der neuen Eisenbahnbrücke Linz.

Rheinbrücke Neuenkamp

Der Vorsitzende der Fachgemeinschaft Brückenbau des bauformstahl, der geschäftsführende Gesellschafter der Linzer MCE Dr.-Ing. Dieter Reitz, hatte als Auftragnehmer eine Baustellenbesichtigung der Rheinbrücke Neuenkamp ermöglicht. Diese entsteht derzeit flussaufwärts neben der Bestandsbrücke, soll 2023 teilweise in Nutzung gehen und 2026 fertiggestellt sein.

Über eine Strecke von 4,5 km soll die A40, der Ruhrschnellweg, bis 2026 zwischen den beiden Anschlussstellen Duisburg-Homberg (linksrheinisch) und Duisburg-Häfen (rechtsrheinisch) 8-streifig mit Seitenstreifen ausgebaut werden. Dazu wird die bestehende Autobahnbrücke durch eine neue ersetzt und 2023, nach der Inbetriebnahme des südlichen Teilbauwerkes, abgerissen. Die neue Trassenführung gestaltete sich schwierig, da aufgrund der beengten Platzverhältnisse die neue Strecke nicht parallel zur alten Trasse  errichtet werden konnte; stattdessen wird die neue Strecke in leichten Kurven die derzeitige Trasse mäandern, sodass möglichst wenig Konflikte mit den Anwohnern entstehen. Die intensive Bürgerbeteiligung war ein großer Erfolg, insgesamt gab es „nur“ 14 Einwendungen und keine einzige Klage. Die Planfeststellung konnte in Rekordzeit vollzogen und der Beschluss erteilt werden. Ein weiterer Vorteil ergab sich durch das Vorziehen der Ausführungsplanung; so konnten schon vier Wochen nach Auftragserteilung Bohrgeräte mit der Gründung beginnen.

Der Bereichsleiter Brückenbau bei der Linzer MCE Dipl.-Ing. Günther Dorrer,  schilderte bei der Tagung das Realisierungskonzept der Brücke Neuenkamp. Demnach wird die zweihüftige Schrägseilbrücke mit zweiteiligem Überbau eine maximale Stützweite von 380 m haben, die lichte Weite wird 800,40 m betragen und die Gesamtbreite – inklusive Zwischenraum – wird 68,25 m umfassen. Das Gewicht der neuen Brücke beläuft sich auf 30.000 t und der Bau wird noch einmal 1.600 t Seile enthalten. Von dem stählernen Überbau sind Anfang September 2021 schon 8.000 Teile gefertigt worden, allerdings lagern 5.000 davon noch in Ungarn, wo MCE in einem Werk in Nyíregyháza die Bauteile fertigt. Die neuen Pylone werden rund 21 m höher als die alten sein, die immerhin 50 m aufweisen.

Der Hohlkasten mit einer Breite von 24 m wird von beiden Uferseiten im Taktschiebebereich vorangetrieben, vorgesehen sind insgesamt 30 Schüsse, die zwischen 18,75 und 30 m betragen werden. Die im Taktschiebeverfahren erstellten Brückenteile werden jeweils 55 m über die Pylone zur Flussmitte hin auskragen, die mittlere Lücke von rd. 290 m wird dann im freien Vorbau geschlossen. Hilfspylone sind hierfür nicht erforderlich, da die endgültigen Pylone mitwachsen werden. Wann immer die Ankerpunkte des im freien Vorbau erstellten Brückenkörpers und der entsprechende Punkt am Pylon erreicht sind, wird dort das endgültige Schrägseil eingehängt. Denn die 71 m hohen, fest in den Überbau eingespannten Seile werden in 12 Schüssen errichtet, die jeweils Gewichte zwischen 50 bis 55 t aufweisen.

Die beiden Taktschiebekeller am Ufer sind in vier Abschnitte geteilt. In ersten Abschnitt wird nur der mittlere Hohlkasten zusammengefügt, im zweiten werden an diesem die beiden Seitenkästen ergänzt, im dritten erfolgt der sogenannte Querschuss und im vierten wird der Korrosionsschutz aufgetragen. Ziel ist, dass die Arbeiter in einen gewissen „Flow“ kommen und ein subtiler Wettlauf unter den Montageteams entsteht – zuletzt hat MCE damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Unterstützt werden die Arbeiter in beiden Taktschiebekellern von zwei Portalkränen mit einer Hubkraft von je 50 t, die ausreicht, um die 100 t schweren Brückenteile bewegen zu können.

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