Abdichten von Baufugen
Ist eine luftdichte Montage an Fenstern und Außentüren nur mittels RAL-Montage möglich? Ausgehend von dieser Frage, unternimmt Dipl.-Ing. (FH) Rüdiger Müller, Leiter des Prüfzentrums für Bauelemente mit Sitz in Stephanskirchen nahe dem oberbayerischen Rosenheim, einen kritischen Exkurs in „die für viele Handwerker fatale Entwicklung des Fugenwahns“, wie er es nennt.
Fenster und Außentüren werden seit jeher in eine Wandöffnung eingesetzt und mechanisch zum Baukörper befestigt. Auch die Fugen zwischen Baukörper und Fenster werden mit den zur Verfügung gestellten Materialien „verschlossen“. Spätestens im letzten Jahrhundert begann man sich dann mit der Frage zu beschäftigen, wie die Baufuge aus wärmetechnischen Gründen besser „abgedichtet“ werden kann. Hierfür wurden sowohl Hanfstricke, Glas- und Steinwolle als auch in schlechten Zeiten Zeitungspapier verwendet. Interessant ist hierbei zweierlei:
* Selbst nach nahezu 100 Jahren konnte im Zuge einer Fenstererneuerung festgestellt werden, dass die eingebrachten Materialien so gut wie nicht angegriffen oder gar zersetzt waren.
* Es konnte hierbei keine von der Baufuge ausgehende Schimmelbildung festgestellt werden.
Dagegen bildete sich Schimmel in stickigen, ungelüfteten Räumen an den Wänden und im Extremfall an den Glashalteleisten, Kittfasern usw. Insbesondere bei nicht wärmegedämmten Aluminiumprofilen trat auch Tauwasser an den Profilinnenflächen auf.
In den letzten 30 bis 40 Jahren fing man an, die Baufuge mit Montageschaum zu schließen. Dies war nicht nur schneller zu bewerkstelligen, sondern führte bei sorgfältiger Arbeit auch zur besseren Wärmedämmung der Baufuge. Bei ordnungsgemäßer Lüftung waren Tauwasser und Schimmel an der Baufuge kein Thema mehr, und das, obwohl die Baufuge nur ausgeschäumt und beigeputzt wurde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sowohl Profile aus Kunststoff als auch insbesondere aus Aluminium eine hohe Wärmedämmung erreichten.
Normatives. Es besteht kein Zweifel daran: Seit die Bauanschlussfuge in die Hände der Theoretiker gelangte, ist der Streit um die Fuge immer heftiger geworden. Man muss nicht bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgehen, um die für viele Handwerker fatale Entwicklung des Fugenwahns feststellen zu können. Die technischen Richtlinien für den Einbau von Fenstern und Außentüren haben für den ausführenden Handwerker einen unzumutbaren Zustand angenommen, der sich wie folgt darstellt:
Im Jahr 1972 wurde die 2. ergänzende Ausgabe II, Holzfenster Handbuch, von E. Seifert und J. Schmid veröffentlicht. Im Kapitel „Einbau“ findet sich auf etwa einer halben DIN-A4-Seite der Hinweis auf die Befestigung und das Abdichten zum Baukörper.
Im Jahr 1975 folgte die Broschüre mit Empfehlungen durch gezielte Forschung usw. von E. Seifert und J. Schmid, auch als Architektenmappe bezeichnet. Hier umfassen die Angaben zum Einbau am Baukörper samt Netzplan, Tabellen und Systemzeichnung ganze vier DIN-A4-Seiten.
Im Jahr 1987 wurde die Technische Richtlinie Nr. 20 „Einbau von Fenstern und Fenstertüren mit Anwendungsbeispielen“ veröffentlicht. Eine Richtlinie im Format DIN A5 mit insgesamt 14 Kapiteln und 53 Seiten. War das nicht schon der Start ins Uferlose? Soll der Handwerker mit guter Facharbeiterausbildung den gesamten Inhalt lesen und beherrschen? Halt: Bereits beim Lesen der Einleitung wird auf „Architekten, Bauingenieure und entsprechend qualifizierte Institute“ hingewiesen. Weshalb noch der Zusatz „…entsprechend qualifizierte Institute“? Gibt es also qualifizierte und nicht qualifizierte Institute?
Gemäß der Richtlinie wird mit dem Finger gedroht, wenn der Handwerker die Planung für den Einbau selbst vornimmt. Er soll also die Planung der Bauanschlussfuge z.B. eines Einfamilienhauses „vergeben“. Ausführen soll er aber dann das, was Theoretiker oft ohne hinreichenden Praxisbezug den Einbau nennen. Liest man die Einleitung mit den vier Fragen, die sich der Handwerker vor dem Einbau zu stellen und zu beantworten hat, dann wäre ja alles im Lot und schimmelfrei. Setzen wir einmal voraus, alles wird, wie von den meisten Betrieben, eingehalten, warum steigt dann mit der zunehmenden Dichtheitsdebatte die Schimmelbildung sprunghaft an?
53 Seiten zu lesen und zu verstehen, wäre ja für einen schnell lesenden Handwerker noch in Ordnung. Aber was wird dann elf Jahre später veröffentlicht? Die gleichnamige technische Richtlinie aus dem Jahr 1998 und die 2. Auflage 2002 haben nun eine dreifache Dicke mit insgesamt 112 Seiten. Um es kurz zu machen: Im Jahr 2010 wurde dann - man klopfte sich anerkennend auf die Schulter - diese Richtlinie in der 5. Auflage mit sage und schreibe 277 Seiten veröffentlicht. Und um es ja richtig zu machen, wurden nun auch noch die Haustüren integriert. Jetzt kommt der Trend mit der Luftorgie zur Schimmelorgie - mit Blower Door, Thermografie, Schallpegelmesser usw. sind die „Sachverständigen“ auf der „Lauer“, um irgendwo noch ein kleines Lüftchen zu orten. Warum haben wir überhaupt noch Fenster und Haustüren zum Öffnen? Man holt das Licht am besten mit dem Kübel ins Haus und beamt sich hinein und hinaus. Das heißt dann Energiesparen…
Liest man dann die Einleitung der etwa drei Zentimeter dicken und 277 Seiten umfassenden Richtlinie, so muss man sich fragen, ob bis dahin die gesamte Montage falsch gemacht wurde. Und dabei hat doch die Schimmelbildung schon enorm zugenommen und wird dank unseres Dichtheitswahns mit theoretischem Hintergrund noch weiter ansteigen. Eigentlich wären schon längst die Politiker gefordert, um per Baugesetz wieder zur Praxis zurückzukommen.
In der Einleitung der genannten, 277 Seiten umfassenden Richtlinie heißt es unter anderem: „…Mit der Technischen Richtlinie stehen dem Architekten, Planer und Handwerker wieder aktuelle, praxisbezogene Hilfen für die Planung und Ausführung zur Verfügung…“ Haben wir denn wirklich bis zu diesem Zeitpunkt keinen vernünftigen Einbau geleistet? War das tatsächlich ein Hilferuf der Planer und Handwerker, oder waren andere Interessen für die Herausgabe einer gegenüber 1987 fast sechsfach dickeren Technischen Richtlinie ausschlaggebend? War diese Entwicklung gegenüber der Zeit, als noch alles im Lot war und weder Schimmelbildung noch Sachverständige die Fehlersuche bei der Fuge auslösten, erforderlich? Gerade bei Metallfenstern, wie sie überwiegend in öffentlichen Bauten anzutreffen sind, wird der Montage bereits im Planungsstadium viel Zeit gewidmet. Dabei wäre alles - zumindest für die üblichen Fenster und Haustüren - so einfach…
Begriffliches. In Wikipedia kann man unter anderem nachlesen: „…Der Stand der Technik ist oft nicht hinreichend und langjährig erprobt und oft nur Spezialisten bekannt.“ Entspricht also die RAL-Montage nicht dem Stand der Technik? Dann wird häufig noch der Begriff „Regel der Technik“ - die meist im Bauwesen vertraglich gefordert wird - verwendet. Noch höhere Anforderungen als der Stand der Technik stellt der Begriff „Stand der Wissenschaft“.
Die (allgemein) anerkannten Regeln der Technik sind technische Regeln bzw. Technikklauseln für den Entwurf und die Ausführung von baulichen Anlagen oder technischen Objekten. Es sind Regeln, die in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, in der Praxis bei dem nach neuestem Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt sind und sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben. Sie stellen nach Werkvertragsrecht für den Sollzustand eine Minimalforderung dar, und bei Nichteinhalten liegt ein Mangel vor, soweit die Abweichung nicht zuvor mit dem Auftraggeber vereinbart worden ist. In diesem Zusammenhang ist der Auftraggeber vollumfänglich über die geplante Abweichung zu informieren und auf die daraus resultierenden Folgen hinzuweisen.
Dieser kleine Exkurs in die Regeln der Technik usw. führt durchaus zu der Frage, ob dann die RAL-Montage nicht dem Stand der Technik, aber den (allgemeinen) Regeln der Technik entspricht. So gesehen bedeutet dies: Jeder Bauanschluss, der sich fortdauernd und nach praktischer Erfahrung bewährt hat, entspricht den Regeln der Technik. Und wer kann überhaupt von praktischer Erfahrung sprechen? Doch nur die Handwerker, also die Ausführenden am Bau, und nicht die Theoretiker.
Wenn daher Schäume und/oder Kleber auf dem Markt sind, die den Prüfnachweis einer Eignung nach DIN 4108, Teil 3, erbracht haben, können sie auch eingesetzt werden. Die „baurechtliche“ Dichtheitsanforderung an die Fuge bedeutet 0,1 m3 Luftdurchgang auf einen Meter Fuge bei 10 Pa Druckdifferenz = 1/10 Luftdurchgang. Da insbesondere Metallfenster eine gegenüber dem Wertstoff Holz wesentlich höhere, temperaturbedingte Längenänderung aufweisen, ist gerade bei größeren Abmessungen neben dem Klebeschaum noch mit Dichtbändern oder Folien zu arbeiten.
Ein Praxisbeispiel. Im November 2010 wurden in einem Bauvorhaben in Rosenheim etwa 250 Holzfenster und Holzfenstertüren ausgetauscht und durch Kunststofffenster und Kunststofffenstertüren ersetzt. Bei den Kunststofffenstern handelte es sich nicht nur um Fenster aus der Fertigung eines RAL-geprüften Betriebes, sondern zudem um zweifarbige Produkte, raumseitig weiß und außenseitig mahagonifarbig. Also eine geradezu extreme Belastung, was die thermische Aufheizung anbelangt. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Fenster- und Türentechnik hat das Projekt von der Auftragsvergabe bis zur Abnahme fachlich begleitet.
Auf eine RAL-Montage wurde verzichtet. Kann doch in engster Auslegung die RAL-Montage nur von einem Betrieb durchgeführt werden, der auch Mitglied der betreffenden RAL-Gütegemeinschaft ist. So gesehen darf die RAL-Montage für öffentliche Bauvorhaben nur als Alternative ausgeschrieben werden, da sie alle Bieter zu berücksichtigen hat und nicht nur Mitgliedsbetriebe der zuständigen RAL-Gütegemeinschaft. Anstelle der RAL-Montage wurde mit dem geprüften BELU-Schaum abgedichtet.
Nach der förmlichen Abnahme erfolgte eine Überprüfung der Luftdurchlässigkeit nach DIN EN 1026 vor Ort. Bis zu einer Druckdifferenz von ca. 100 Pa konnte noch keine messbare Luftdurchlässigkeit festgestellt werden. Die Luftdurchlässigkeit der Bauanschlussfuge lag in allen zu erwartenden Druckstufen weit unter 0,1 m3/hm. Um zu wissen, wie sich die Bewitterung und das Außen- und Innenklima auf den BELU-Schaum auswirken, erfolgt etwa nach einem Jahr Nutzung an demselben Fenster eine weitere normative Überprüfung vor Ort.
Fazit. Handwerklich betrachtet, ist die Bauanschlussfuge in allen Ebenen und Übergängen zu Mauerflächen oder Leibungen mit Schaum und spritzbaren Massen besser und einfacher zu verarbeiten als mit nicht spritzbaren Materialien. Zusammenfassend ist zu sagen, dass es den Handwerkern überlassen ist, mit welchem Material die Fuge luftdicht (= luftdurchlässig mit 0,1 m3/hm) abgedichtet wird. Ob Kleben mit Bändern, Abdichten mit Kompribändern, Versiegelungsmassen und mit Schaum bzw. schäumendem Kleber: Generell ist alles möglich, wenn mit dem Material die geforderte Luftdurchlässigkeit erreicht wird. Seine Eignung hat das dazu verwendete Material durch Nachweise bei notifizierten Prüfstellen zu belegen. Bei Metallfenstern ist je nach Wandart häufiger mit Bauanschlussfolien zu arbeiten als bei den Rahmenmaterialien Holz und Kunststoff.
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