Absturzsichernde Bauelemente

Montage von Fenster, Türen und Verglasungen

Die Montage moderner Fenster und Türen ist mittlerweile eine eigenständige Planungsaufgabe geworden. Gründe dafür sind höhere Fenstergewichte, größere Abmessungen, geringere Tragfähigkeiten hochwärmedämmender Außenwände sowie die Zunahme an Sonderanforderungen wie Einbruchhemmung oder der Einsatz von absturzsichernden Fenstern und Verglasungen.

Metallbauer sind von dieser Entwicklung in besonderer Weise betroffen, da Metallfenster im Wesentlichen im Objektgeschäft und in hochwertigen Immobilien eingesetzt werden, bei denen die moderne Architektur sehr oft bodentiefe Fensterelemente vorsieht und auf eine (getrennte) Absturzsicherung aus Metall oder Paneelen verzichtet.
Durch diesen Trend ergeben sich zunehmend Montagesituationen, für die die bekannten Befestigungsregeln (Anordnung von Tragklötzen, Einhaltung von Befestigungs- und Eckabständen) nicht mehr ausreichen. Eine steigende Zahl von Befestigungsproblemen und Reklamationen zeigt den Handlungsbedarf auf. Nach Muster-/Landesbauordnung (MBO/LBO) und auch der VOB/C ATV DIN18360 Metallbauarbeiten (Abschnitt 3.1.4.2) heißt es „… die Verankerungen der Bauteile im Baukörper sind so anzubringen, dass die Übertragung der Kräfte in den Baukörper gesichert ist“.

Der Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren (LzM) der RAL-Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren e.V., Frankfurt am Main, definiert in Kapitel 5 für die praktische Anwendung deshalb für die Befestigung verschiedene Kategorien (Standardfall sowie Sonderfälle 1 und 2). Absturzsichernde Elemente fallen in den Sonderfall 2, da ein statischer Nachweis zur Tragfähigkeit bei statischen (Holmlasten) sowie stoßartigen (Menschenanprall) Einwirkungen zu erbringen ist. Dieser Nachweis ist von der Einwirkungsstelle (Verglasung des absturzsichernden Bauteils) bis in den tragenden Verankerungsgrund zu führen (Nachweiskette).

Bild 2 zeigt zwei baugleiche Elemente in unterschiedlichen Einbausituationen. Während links für die Fenstertür mit Balkon die erforderliche Befestigung des Fensterelements im Rahmen der Werkstatt- und Montageplanung festgelegt werden kann, ist rechts bei der Fenstertür mit französischem Balkon ein statischer Nachweis vom Statiker erforderlich.

Absturzsichernde Bauelemente

Bauelemente übernehmen die Funktion einer absturzsichernden Umwehrung (Geländer), wenn diese unterhalb der Brüstungshöhe und ab einem bestimmten Höhenunterschied zwischen Fußboden (Raumseite) und angrenzender Geländer-oberkante (Außenseite) eingebaut werden. Dann gelten baurechtliche Anforderungen an die Absturzsicherung (Gefahr für Leben oder Gesundheit, sicherheitsrelevante Eigenschaft), d. h. alle verwendeten Bauteile – inklusive der Befestigungsmittel zum Baukörper – müssen geregelt sein oder einen Verwendbarkeitsnachweis (abZ oder ETA, abP, ZiE) haben.

Die maßgeblichen Brüstungshöhen (zwischen 0,8 m und 1,2 m) und Höhenunterschiede > 1,0 m (in Bayern > 0,5 m) sind in den Landesbauordnungen der Bundesländer geregelt.

Bei Bauteilen mit absturzsichernden Eigenschaften sind immer zwei Nachweise zur Tragsicherheit zu führen:

  • Nachweis der Tragsicherheit gegenüber statischen Einwirkungen
  • Nachweis der Tragsicherheit gegenüber stoßartigen Einwirkungen

einschließlich der Verankerung im tragenden Baugrund. Das gilt auch, wenn Geländer am Fensterrahmen und nicht in der Wand befestigt sind. Die Besonderheit bei der Nachweisführung besteht darin, dass unterschiedliche Regelwerke und Richtlinien (siehe Tabelle) zu beachten sind.

Die Graphik auf Seite 66 zeigt beispielhaft an einer Einbausituation eines bodentiefen Fensterelements die Sicherheitskette der Lastableitung mit den Anwendungsbereichen der zu berücksichtigenden Regelwerke.

Bereits in der Angebotsphase sollte der Metallbauer klären, ob im Leistungsverzeichnis (LV) Fenster oder Türen mit absturzsichernder Funktion gefordert sind. Bei einem Zukauf der Fenster müssen die Nachweise für das verglaste Bauteil nach DIN 18008-4 vorliegen. Bei der Lieferung der Fenster sollte auch geprüft werden, ob die richtige Verglasung eingebaut ist. Bestehen Zweifel, sollten Bedenken angemeldet werden.

Befestigung zum tragenden Baukörper

Die tragenden Teile der absturzsichernden Konstruktion einschließlich der Befestigung zum Baukörper müssen den einschlägigen technischen Regeln entsprechen (vgl. DIN 18008-1, Abschnitt 8.1.1). Abhängig von der Kategorie der absturzsichernden Verglasung nach DIN 18008-4 sind hinsichtlich der Befestigung, je nach Lage, unterschiedliche Einwirkungen zu berücksichtigen. Die Graphik auf Seite 67  gibt einen Überblick.

Für den Nachweis der Befestigung hinsichtlich statischer Einwirkungen (Windlast, horizontale Nutzlast bzw. „Holmlast“) ist DIN EN 1991-1-1 (EC 1) in Verbindung mit dem nationalen Anhang zu beachten. Die Höhe der Holmlast richtet sich nach der Nutzungskategorie des Gebäudes nach DIN EN 1991-1-1/NA, Tabelle 6.12DE und sieht – vereinfacht ausgedrückt – folgende Einteilung vor:

  • 0,5 kN/m ohne nennenswerten Publikumsverkehr,
  • 1,0 kN/m mit nennenswertem Publikumsverkehr,
  • 2,0 kN/m mit Menschenansammlungen (Sondernutzung).

Bei Arbeitsstätten sind ggf. ergänzende Anforderungen zur Holmlast (mindestens 1,0 kN/m) zu berücksichtigen. Nach EC 1 ist die Holmlast in Absturzrichtung in voller Höhe und in Gegenrichtung zu 50 % mindestens jedoch mit 0,5 kN/m anzusetzen (Lastannahme in Gegenrichtung bei festverglasten Elementen und raumhohen Verglasungen jedoch nicht sinnvoll). Holm- und Windlasten sind mit Kombinationsbeiwerten zu überlagern, wobei zwei Fälle zu untersuchen sind:

  • Die Holmlast wird in voller Höhe und die Windlast zu 60 % mit einem Lastsicherheitsbeiwert von 1,5 angesetzt.
  • Die Windlast wird in voller Höhe und die Holmlast zu 70 % mit einem Lastsicherheitsbeiwert von 1,5 angesetzt.

Für den Nachweis der Befestigung hinsichtlich stoßartiger Einwirkungen ist die ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ anzuwenden. Gefordert wird darin unter Abschnitt 3.2.2.2.3 eine Widerstandskraft der Befestigung von mindestens 2,8 kN je Befestigungselement als statische Ersatzlast aus einem weichen Stoß.

Gleiches gilt sinngemäß für die Befestigung einer absturzsichernden Brüstung (französischer Balkon) am Fensterelement. Da diese Richtlinie aus dem Jahre 1985 stammt, ist das damals zugrunde gelegte Sicherheitskonzept mit dem aktuellen nach Eurocode nicht mehr kompatibel und daher interpretationsfähig. Im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung einer absturzsichernden Fensterelementbefestigung wurde folgende Regelungen getroffen:

  • Von der Lastseite darf eine außergewöhnliche Einwirkung nach DIN EN 1990/NA angesetzt werden. Der Lastsicherheitsbeiwert beträgt 1,0.
  • Von der Widerstandsseite darf ebenfalls ein Teilsicherheitsbeiwert von 1,0 berücksichtigt werden.

Beim Nachweis ist die Tragfähigkeit (= Widerstand) des gewählten Befestigungselements den ermittelten Lasten gegenüberzustellen. Das Verhältnis aus Einwirkung zu Widerstand muss ≤ 1 betragen. Für die Nachweisführung bedeutet dies, es sind Befestigungselemente zu verwenden, die nach eingeführten technischen Baubestimmungen rechenbar sind, oder die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder europäische technische Bewertung (ETA) haben.

Dübelzulassungen decken jedoch nur ganz bestimmte Steine und Einsatzzwecke ab. Insbesondere der Einsatz in der Leibung ist in Zulassungen häufig nicht berücksichtigt. Ergänzende Auszugsversuche am Bau bringen keine Lasterhöhung, da die rechnerische Obergrenze immer durch einen „vergleichbaren“ Stein nach Zulassung gedeckelt wird. Alternativ kann dann der Nachweis im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall auf Basis entsprechender Prüfungen geführt werden (ZiE).

Während beim Nachweis hinsichtlich statischer Einwirkungen die Möglichkeit besteht, die Lasten wegen der Lasthöhe zum Beispiel über zwei Befestigungselemente, symmetrisch mit erforderlichem Achsabstand in Holmnähe angeordnet, in den Baukörper abzutragen, ist eine Aufteilung der Last aus stoßartiger Einwirkung (2,8 kN) nach ETB-Richtlinie nicht zulässig. Dies kann bei hochwärmedämmendem Mauerwerk mit geringer Dübeltragfähigkeit, insbesondere wenn keine Leibungssteine verwendet werden, dazu führen, dass der Nachweis nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand hinsichtlich der Ausführung der Befestigung (Sonderkonstruktionen) geführt werden kann.

Bei der Ausführung der Befestigung absturzsichernder Bauelemente ist das Merkblatt „Hinweise für die Montage von Dübelverankerungen“; 2010,  Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt), zu beachten. Folgende Anforderungen sind wesentlich:

  • Dübelverankerungen müssen von einem Planer geplant und bemessen werden.
  • Der ausführende Betrieb hat für die Montage von Dübelverankerungen entsprechend geschultes Personal einzusetzen.
  • Abweichungen von den Vorgaben der Konstruktionszeichnungen oder Zulassungen dürfen durch den Monteur nicht eigenmächtig vorgenommen werden.
  • Die Verarbeitungsvorgaben für das Befestigungselement sind zu beachten und einzuhalten (beispielsweise: Bohrverfahren, Bohrerdurchmesser, Bohrlochtiefe oder Ausblasen der Bohrlöcher).

Darüber hinaus sollte die Montage absturzsichernder Bauelemente ausreichend dokumentiert werden.

Klärung in Angebotsphase

Architekten und Bauherren fordern vom Metallbauer immer häufiger bodentiefe Fensterelemente und Festverglasungen, die oftmals auch eine absturzsichernde Funktion erfüllen müssen. Für die Ausführung bedeutet dies, dass ein statischer Nachweis gegenüber statischen und stoßartigen Einwirkungen vom Bauteil bis in den tragenden Verankerungsgrund zu erbringen ist.

Bereits in der Angebotsphase sollte der Metallbauer deshalb klären, ob im Leistungsverzeichnis (LV) Fenster oder Türen mit absturzsichernder Funktion gefordert sind. Beim Fenster müssen die Nachweise für das verglaste Bauteil nach DIN 18008-4 vorliegen. Gleichzeitig müssen Angaben (Leistungserklärung) über die Festigkeit des Verankerungsgrundes eingeholt werden, um prüfen zu können, ob und wie eine Befestigung möglich ist. Gerade bei modernen, hochwärmedämmenden Mauersteinen mit geringer Druckfestigkeit ist eine fachgerechte Befestigung gar nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich.

Bei Zweifel Bedenken anmelden

Bei Zweifel sollten Bedenken beim Bauherren angemeldet werden. Für die Praxis im Metallbaubetrieb ist es sehr hilfreich, einen firmeninternen Standard für den Umgang mit dem Sonderfall 2 nach dem LzM zu definieren, um eine schnelle und sichere (Haftungsrisiken) Vorgehensweise bei der Beschaffung bzw. Kontrolle der erforderlichen Nachweise zu haben. Auf der sicheren Seite ist man, wenn bereits vor der Bauausführung ein objektspezifischer Nachweis erstellt und gegebenenfalls beim Prüfingenieur eingereicht wird.

Literatur

[1] Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren für Neubau und Renovierung (Leitfaden zur Montage/LzM). Erstellt vom ift Rosenheim und der RAL-Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren e.V., Rosenheim/Frankfurt, März 2014

[2] DIN 18360:2016-09, VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Metallbauarbeiten. Beuth Verlag GmbH

[3] DIN 18055:2014-11, Kriterien für die Anwendung von Fenstern und Außentüren nach DIN EN 14351-1. Beuth Verlag GmbH

[4] DIN 18008-1:2010-12, Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen. Beuth Verlag GmbH

[5] DIN 18008-4:2013-07, Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen. Beuth Verlag GmbH

[6]    DIN EN 1627:2011-09, Türen, Fenster, Vorhangfassaden, Gitterelemente und Abschlüsse – Einbruch-hemmung – Anforderungen und Klassifizierung. Beuth Verlag GmbH

[7] DIN EN 1990:2010-12, Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung. Beuth Verlag GmbH

[8] DIN EN 1990:2010-12/NA, Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter. Beuth Verlag GmbH

[9] DIN EN 1991-1-1:2010-12, Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke – Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau. Beuth Verlag GmbH

[10] DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12, Nationaler Anhang –
National festgelegte Parameter; Beuth Verlag GmbH

[11] DIN EN 1991-1-4:2010-12, Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-4: Allgemeine Einwir-kungen auf Tragwerke – Windlasten. Beuth Verlag GmbH

[12] DIN EN 1991-1-4/NA:2010-12, Nationaler Anhang –
National festgelegte Parameter; Beuth Verlag GmbH

[13] DIN EN 1993:2010-12, Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten

[14] DIN EN 1999:2014-03, Eurocode 9: Bemessung und Konstruktion von Aluminiumtragwerken

[15] ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ – Ausschuss für Einheitliche Technische Baube-stimmungen (ETB), Fassung Juni 1985

[16] ift-Richtlinie MO-02/1 Baukörperanschluss von Fenstern – Teil 2: Verfahren zur Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit von Befestigungssystemen. ift Rosenheim, Juni 2015

[17] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Absturzsichernde Fensterelementbefestigung, Z-14.4-728 vom 09.02.2017

[18] Mauerwerk-Kalender 2017, Sonderdruck „Bauphysikalische und befestigungstechnische Anforderungen an die Montage von Fenstern und Türen“, Jürgen Küenzlen, Marc Klatecki, Eckehard Scheller und Rainer Becker

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