Keine Quantensprünge
Die Zeit der U-Wert-Verbesserungen ist vorbei, die EnEV 2013 verunsichert – da wünschten sich die Besucher der Rosenheimer Fenstertage vor allem neue Trends und Klarheit.
Jubiläum, Honorarprofessur, ein neues Mitglied für die Geschäftsführung: Auf den 40. Rosenheimer Fenstertagen gab es dieses Jahr für das ift Rosenheim (Institut für Fenstertechnik) einiges zu feiern. „Es ist die geballte Fachkompetenz, die Rosenheim zu internationalem Renommee geführt hat“, gratulierte VFF-Präsident Bernhard Helbing in der Eröffnungsrede des Kongresses. Nicht ohne jedoch auf die unterschiedlichen Interessen von Verband und Institut hinzuweisen, die es in immer wieder galt zu einen: „Wie in einer Ehe kommt es auf den partnerschaftlichen Umgang an. Und in einer guten Ehe bleiben beide ein bisschen unverheiratet“, verglich Helbig ihre langjährige Zusammenarbeit.
Richtwerte. Manche der rund 1000 Teilnehmer aus 26 Ländern nahmen das als Hinweis auf die notwendige Unabhängigkeit dort, wo die Arbeit mit Normen und Regeln für Fenster, Türen und Tore sonst zu enge Grenzen setzt. Kommende gesetzliche Richtwerte wie die noch nicht finale EnEV 2013, die Bauproduktenverordnung oder Energiewende beherrschen derzeit ohnehin die Themen vieler Branchentreffs. „Momentan gibt es keine Klarheit“, meint dazu Dirk Vollmer, Leiter Technik bei dem Aluminiumprofilsystem-Hersteller Kawneer aus der Alcoa-Gruppe in Iserlohn. „In den Unternehmen herrscht deshalb Unsicherheit, weil man sich bei der Entwicklung seiner Produkte auf nichts vorbereiten kann, solange die gesetzlichen Verordnungen nicht verabschiedet sind.“ Das sei eine geschäftsstrategische Frage. Klare Fakten erhofften sich deshalb viele von Redner Peter Rathert. Er ist Referatsleiter im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und hatte in Rosenheim die frisch verabschiedeten Eckpunkte eines Referentenentwurfs zur EnEV 2013 im Gepäck, was zumindest eine Orientierung geben sollte. Das Programm ging mit zahlreichen Vorträgen auf die Auswirkungen der Energieeffizienz-Problematik auf die Praxis ein. Aber nicht nur. In verschiedenen Themenblöcken informierten sich die Fachbesucher auch 2012 wieder über Markttrends, Verfahren und Lösungen einer Branche, die sich enorm weiterentwickelt hat.
Entwicklung. Wie sehr, das wurde vielen der angereisten Fensterbauer, Architekten, Planer und Hersteller noch einmal so richtig bewusst, als ift-Leiter Ulrich Sieberath die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren ließ: „Ein Themenrückblick auf 40 Jahre Rosenheimer Fenstertage zeigt, dass die Technikvielfalt im Bauwesen grenzenlos scheint. Die Technik schreitet rasend voran, die Branche ist innovativ und verfügt über das technische Know-how.“ Die Branche sei also reif für die Zukunft. Allerdings, die Zeit der technologischen Quantensprünge sei vorbei. „Die technischen und damit auch ökologisch und ökonomisch sinnvollen Grenzen sind beim Wärmeschutz (U-Wert) der Produkte erreicht. Die großen Sprünge haben wir hier am Anfang gemacht.“ Diese Ansicht teilten auch einige der Kongressteilnehmer, die in den Pausen diskutierten, wie unsinnig der Wettbewerb um die U-Werte sei, wenn es manchmal nur noch um die zweite Stelle hinterm Komma ginge. Und wie schwierig, das als Alleinstellungsmerkmal dem Kunden zu erklären.
Zukunftsthemen. „Welche Themen suchen wir uns für die Zukunft?“, war deshalb auch die zentrale Frage, die Sieberath stellte. Ihm geht es wie vielen der Verarbeiter nun vor allem um die Gebrauchstauglichkeit der neuen Fenstergeneration, die zunehmend komplexer würde. Ein Ansatz seien geänderte Montagetechniken, für die ein kleiner Werkzeugkasten reiche. „Auch Modularität kann eine Möglichkeit sein, sich mit der zunehmenden Komplexität auseinanderzusetzen.“ Das sei zudem wichtig für die Rückverfolgbarkeit. Universal Design nennt Sieberath das Gesamtgestaltungsprinzip für Produkte, bei denen es künftig eher um eine einfache und universelle Bedienbarkeit gehen sollte. Das ift Rosenheim nutzte auf der Veranstaltung zudem die Gelegenheit, die Vergrößerung seiner Geschäftsführung bekanntzugeben: Dr. Martin H. Spitzner verstärkt künftig das Führungsteam und ist für die Bereiche Produktion und Technik zuständig. Der 47-jährige Bauphysiker verfügt über Erfahrung in den Bereichen Wärmschutz, Vermeidung von Bauschäden und Prüfung von Bauteilen. Ruhm und Ehre gab es dann bei der Abendgala, auf der die Hochschule Rosenheim Ulrich Sieberath zum Honorarprofessor Fenster und Fassaden ernannte. Und damit gab es auf den Fenstertagen 2012 noch mehr zu feiern.