Aufhebung des Bestandsschutzes für ältere Tore
Nach der Arbeitsstätten-Richtlinie A1.7 müssen in Deutschland alle kraftbetätigten und gewerblich genutzten Industrietore auf ihren sicheren Zustand geprüft werden. Bestandteil der Prüfung ist die Schließkraftmessung sowie die Überprüfung der Reversierfunktion. Weil der Bestandsschutz für ältere Tore aufgehoben wurde, müssen ab sofort alle gewerblich genutzten Tore nach dem aktuellen Stand der Technik bewertet werden. Welche Folgen das für Händler und Betreiber hat, erklärt Marc Wellerdiek, Leiter Service & Wartung beim Industrietorhersteller Hörmann, im Interview.
Herr Wellerdiek, ist der Wegfall des Bestandsschutzes für kraftbetätigte Tore schon zu allen Kunden durchgedrungen?
Marc Wellerdiek: Das glaube ich nicht. Auch wenn der Gesetzgeber den Betreiber eines gewerblich genutzten Tores in die Pflicht nimmt, die Schließkraftprüfung jährlich zu veranlassen, vertrauen die meisten Kunden in solchen Fällen auf ihren Händler. Der ist jetzt gefordert, seine Kunden rechtzeitig zu informieren und eine entsprechende Prüfung anzubieten.
Was genau wurde denn in der Arbeitsstätten-Richtlinie geändert?
Marc Wellerdiek: Bisher wurden Bestandstore nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme bewertet. Nun gilt für alle Tore, also auch für die älteren, der aktuelle Stand der Technik. In der Konsequenz müssen viele ältere Tore nachgerüstet oder gar ausgetauscht werden.
Was genau wird denn bei welchen Toren geprüft?
Marc Wellerdiek: Geprüft werden bei allen kraftbetriebenen, gewerblich genutzten Toren wie Sectionaltore, Rolltore, Rollgitter und Schnelllauftore die Kräfte an der Schließkante sowie die Reversierfunktion. Dabei sieht die von der Berufsgenossenschaft anerkannte ttz-Verbandsempfehlung mindestens eine Kraft- und Zeitmessung bei der Öffnungsweite von 50 und/oder 300 mm zwischen Haupt- und Gegenschließkantenmitte vor. Bei Auftreffen auf einen Gegenstand oder eine Person, in der Prüfsituation auf die Messkeule, darf die maximal einwirkende Kraft 400 Newton nicht überschreiten und diese Kraft nach spätestens 0,75 Sekunden durch das Reversieren des Tores auf maximal 150 Newton abgebaut werden. Nach insgesamt 5 Sekunden darf die Kraft nur noch höchstens 25 Newton betragen.
Können Sie als Hersteller eine Empfehlung zur Messung geben?
Marc Wellerdiek: Der sicherste Messpunkt ist die Mitte des Tores. Hier wirken die größten Kräfte und man bekommt die zuverlässigsten Ergebnisse, um sicher zu gehen, die Vorgaben einzuhalten. Werden die Messkriterien an dieser Stelle eingehalten, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie auch an jeder anderen Stelle auf derselben Höhe erfüllt werden.
Was raten Sie Betreibern älterer Tore, die nicht mehr den aktuellen Bestimmungen entsprechen? Gibt es für diese auch Möglichkeiten, auf die Schließkraftprüfung zu verzichten?
Marc Wellerdiek: In einem solchen Fall empfehlen wir die Montage einer voreilenden Lichtschranke, mit der die Schließkante berührungslos abgesichert werden kann. Diese Lichtschranke ist außerdem für den Personenschutz zugelassen. Dadurch entfällt auch die Pflicht zur Prüfung der Schließkräfte. Betreiber sparen auf diesem Weg nicht nur die Mehrkosten für diese Prüfungen, sondern können auch einen drohenden Austausch des Tores umgehen. Eine weitere, allerdings weniger komfortable Möglichkeit ist die Umstellung auf den sogenannten Totmannbetrieb.