Baufeld G, Zürich

Aepli baut Fassade mit Finesse

Eine Fassade, bei der der Sonnenschutz zu einem wohlproportionierten Teil der edlen Metallbaukonstruktion wird, hat es in der Vergangenheit noch nicht in dieser Form gegeben. Es gelingt selten, dass Architektur und Funktion derart gut harmonieren. Dafür war der Aufwand für Entwicklung und Konstruktion etwas größer.

Das Gebiet hinter der Sihlpost in Richtung der Lagerstraße zur Langstraße diente 1959 noch als Filmkulisse für das Kleinbürgerdrama «Hinter den sieben Gleisen» von Kurt Früh. Der Film handelt von drei älteren Clochards, die einer jungen Mutter in ihrem Schuppen am Bahnhof hinter den sieben Gleisen zu helfen versuchen. Lange Zeit behielt das Gebiet diesen Charme, bevor es alphabetisch in Baufelder eingeteilt und als neues Quartier beziehungsweise Stadtteil erbaut wurde. Heute spricht man von Zürichs «Dubai». In diesem Fall wurde für das Baufeld G in der Reihe ein Wettbewerb von SBB Immobilen unter Mitwirkung des Städteplaners Kees Christiaanse ausgeschrieben, der zu Gunsten der Architekturbüros Graber+Pulver mit Masswerk (Zürich und Luzern) knapp vor Burkard+Meyer (Baden) entschieden wurde. Das Siegerteam entwickelte ein ausgeklügeltes Grundrißsystem mit zwei Türmen auf einem verbindenden Sockelbau und Innenhof. Dementsprechend anspruchsvoll erwies sich die Rohbaustruktur, die vor allem bei den Erdgeschossverglasungen als hoch belastete freistehende Stützen in Erscheinung tritt. Nicht minder subtil wurde die Form der Fassade gestaltet. Die ausgeprägte Grid-Form aus vertikalen Lisenen und horizontalen Fensterbänken definiert die Fenster-und Loggiaeinteilungen.

Das Besondere ist der Sonnenschutz, der sich als gestaffelte Schiebeelemente vertikal bewegt und in dieser genauen Form vorher noch nie gebaut wurde. Der Ehrgeiz der Architekten, ihre Vorstellung exakt umzusetzen, erforderte für die Ausschreibung bei Generalunternehmer eine sehr detaillierte Planung und Abklärung der Umsetzbarkeit nebst genauen Kostenermittlungen. Denn die Ausführbarkeit dieser Sonnenschutzanlagen wurde von der Vertretung der Bauherrschaft mehrmals in Frage gestellt. Auch später versuchte der ausführende Generalunternehmer mit einer günstigen, aber eher kurzlebigen Kunststoff-Vertikalmakise, diese Ganzmetallkonstruktion vergeblich auszuhebeln. Die Wettbewerbsvorlage wies auf einen sorgfältigen Umgang mit Ressourcen wie «graue Energie» hin. Das Team ermittelte in  Zusammenarbeit mit der ETH Zürich die effektiven Mengen der Materialien und deren Wiederverwertung und  wie viel rezykliertes Material verwendet werden kann. Es kam zu überraschenden Resultaten. Um es vorwegzunehmen: Aluminium gewinnt stetig an Boden im Vergleich zu Stahl.

Beschreibung der Fassade

Die Fassade ist eine Konstruktion mit hinterlüfteten Aluminiumverkleidungen, die mit einer Unterkonstruktion am Rohbau mit betonierten Brüstungen und Stützen verankert ist. Der Stützenraster und die Stockwerke sind durch vorstehende Lisenen markiert. Die starke Tektonik der Fassade ergibt eine Bautiefe bis zu 900 mm, was einen besonderen Umgang mit den liegenden Flächen erforderte. Während das Projekt noch Verkleidungen aus 3–4 mm Alublech mit Fräsnuten für einen großen Lisenenquerschnitt als Abkantprofil vorsah, gelang es dem ausführenden Unternehmer, diese als außerordentliche Strangpressprofile herzustellen zu lassen. Die Oberflächen der Aluteile wurden im Colinal-Verfahren anodisiert. Die Betonflächen und ein Teil der Fensterrahmenflächen werden mit 200–300 mm Glas oder Mineralwolle isoliert. In der Maueröffnung ist ein Holz-Metall-Fensterelement, das ein oder zweimal unterteilt ist.  Ein Flügel ist als Lüftungsflügel vorgesehen, die anderen sind großformatig und können für die Reinigung geöffnet werden.

Die Verglasung erfolgt mit 3-fach Glas mit einem U-Wert 0,6–0,7 W/m². Durch die niedrige Brüstung ist eine Absturzsicherung mit einer VSG-Scheibe eingesetzt. Die Loggien enthalten eine Schiebeverglasung, die auf gleicher Flucht wie die Fensterfronten erscheint. Gegen den Innenraum sind Hebe-Schiebe-Verglasungen in Holz-Metall.

Sonnenschutz

Da Minergiebauten einen g-Wert besser als 10 Prozent für den sommerlichen Wärmeschutz auch bei besonderen Wettersituationen wie Föhn vorschreiben, hat man in der Wettbewerbsphase nach einer geeigneten Beschattung für große Spannweiten gesucht. Herkömmliche Rafflamellenstoren konnten die Vorgaben nicht erfüllen. Die Fassadenplaner hatten schon an anderen Objekten in der Vergangenheit verschiebbare Sonnenschutzelemente entwickelt, von denen einige schon über 25 Jahre im  Einsatz standen. So entstand in relativ kurzer Zeit die Idee mit den drei hintereinander gestaffelten Schiebeelementen, von denen nur ein Element mittels rostfreien Stahlkabeln an einer Seiltrommel mit Rohrmotor hochgezogen oder abgesenkt wird.

Ein spezielles Augenmerk richtete man auf die Sicherheitsvorschriften. Bei Quetsch oder Scherstellen dürfen nach SUVA keine Kräfte höher als 150 N wirken. Die Mehrzahl der Elemente erfüllte diese Vorgabe, sodass nur die speziell großen Elemente zusätzlich überwacht werden mussten. Die anderen beiden Elemente werden mitgezogen oder sie setzen sich auf den zugeteilten Anschlägen seitlich auf. Diese  einfache Form der Mechanik ermöglicht unterschiedliche Beschattungssituationen und Lichteffekte. Mit fotorealistischen Animationen wurde die Wirkung auf einen Raum präsentiert, um die Freigaben für eine  Weiterplanung einzuholen. Der von außen etwas technoid wirkende Sonnenschutz überrascht auf der Raumseite durch einen weichen textilen Charakter. Die einzelnen Elemente bestehen aus einem Aluprofilrahmen mit einer Füllung aus einem fein perforierten Aluminiumblech mit Sinuswellen. Die Stabilität dieser Elemente macht eine Windsicherung überflüssig, was mit umfangreichen Testserien dokumentiert wurde. Nach über 20.000 Bewegungen auf dem Prüfstand im Freien wurden die Verschleißteile wie Gleiter mit positivem Ergebnis überprüft. Hochgezogen sind die Elemente hinter der Brüstung parkiert und durch ein ebenfalls perforiertes Alublech geschützt. In geschlossener Stellung mutieren die gestaffelten Lochblechrahmen zu einer Fassadenkonstruktion, was diesem Gebäude sein typisches Aussehen verleiht. In unteren Geschossen (Sockelbau) wird die Bewegung umgekehrt von unten nach oben vollzogen. Diese simple Möglichkeit der Umkehrung der Bewegungsrichtung macht diesen Sonnenschutz einzigartig.

Reinigung und Unterhalt der Fassade

Die stark vor und rückspringende Fassade enthält eine große Anzahl horizontaler Flächen, bei denen sich auch viel Regenwasser und gelegentlich auch Schnee ansammelt. Man dachte frühzeitig an die Umstände betreffend Nachtropfen im Zusammenhang mit Geräuschbildung oder Verschmutzung der Eloxalfläche. Auch die Entstehung von Eisplatten oder Eiszapfen, die sich womöglich lösen und herunterfallen könnten, wäre bei einem Hochhaus ein eindrückliches Szenario. In einer zusätzlichen Arbeit wurde ein Entwässerungssystem entwickelt, das Oberflächenwasser sammelt und verdeckt abführt, um den Unterhalt zu minimieren. Die Führung der Entwässerungsrohre mit Brandschutzanforderungen erwies sich in der Planung als Herausforderung. Die Abzweigungen und Kollektoren mussten mittels 3D-Zeichnungen auf ihren Platzbedarf berücksichtigt werden. Da jedoch bei den zu erwartenden Starkregen durch die angestellten Berechnungen die Wassermenge plötzlich ansteigen kann, wurde die zulässige Durchflussmenge in die Kanalisation überschritten. Als Antwort wurden die Entwässerungsrinnen als Retentionsbehälter ausgebildet, sodass nach einem starken Gewitter das Regenwasser dosiert innerhalb der vorgeschriebenen Menge ablaufen kann. Die Fassade kann somit viele Kubikmeter Wasser zwischenspeichern. Dabei werden das versickerbare und das verschmutzte Wasser getrennt geführt. Zusätzlich musste stehendes Wasser im Entwässerungssystem wegen Geruchsbildung verhindert werden und ein vertretbarer Aufwand bei der Reinigung des Rohrsystems musste gewährleistet sein.

Erdgeschoss – Vordächer und Verglasungen

Das statische Konzept der Vordächer musste sorgfältig ausgedacht werden. Die Verankerung der Vordächer ist an den höchstbelasteten Bauteilen dieses Objekts, nämlich an den Gebäudestützen. Sie tragen über größere Spannweiten ein Hochhaus und sind deshalb intensiv armiert. Zusätzliche Momente und Querkräfte mussten mit Bedacht an diese Stützen eingeleitet werden. Es erforderte auch ein Sicherheitsdenken betreffend alle möglichen Risiken. Da die Vordächer am Gebäudekomplex in der Ausladung und in der Form abweichen, wurde ein Baukastensystem entwickelt, das alle Vordächer im Grundsatz verbindet. Um die Momente in die Stützen zu minimieren, wurde der mittleren Aufhängung mehr Beachtung geschenkt. Die resultierenden Momente werden über einen vertikalen Hebel an die Betondecke respektive Brüstung übertragen, der gleichzeitig ein Biegemoment auf die horizontalen Tragprofile überträgt. Die Verankerung in den Stützen geschieht mit eingelegten Gewindestangen und in speziellen Fällen mit einer  Winkelstahl-einfassung ohne Eingriff an der Stütze. Die leichtere Tragstruktur des Vordachs wird am Schluß montiert, was verschiedene Gründe hat. Es enthält bewegliche Sonnenschutzelemente mit  Mechanik, die zu einem Teil werkseitig eingebaut werden müssen. Im Fall einer Kollision mit einem Fahrzeug dient das äußere Element als schützendes respektive absorbierendes Bauteil, das mit überschaubarem Aufwand demontiert und repariert werden kann. Die Erdgeschossverglasungen bestehen aus großformatigen Verglasungen mit Pfosten-Riegel-System zum Teil in doppelgeschossiger Form als Mezzanin. Sie enthalten 3-fach Isolierglas für unterschiedliche Ansprüche wie Schaufensteranlagen, Restaurants und Sicherheitszonen. Es kommen verschiedene Türsysteme zur Anwendung. Türautomaten mit Windfang, Drehtüren für unterschiedliche Nutzung sowie Notausgänge. Für den Betrachter nicht sichtbar sind die Zuluftöffnungen, die im Brandfall gezielt angesteuert werden.

Dachaufbau

Der Dachaufbau von beiden Türmen hat eine Pyramidenstumpf-Form und stand unter Beobachtung der Stadtbildkommission. An den kürzeren Seiten sind Dachbalkone eingelassen, die zu den sehr exklusiven Attikawohnungen gehören. Sie sind mit einem separaten Lift erschlossen und protzen mit je 300 m² und 3,5 m Raumhöhe. Die Schrägflächen sind mit Aluminiumblech verkleidet, wobei die meisten als bewegliche Elemente aus einem Stahlrahmen, die mit einem Linearantrieb aufschwenken und eine Gasse freigeben können. Das ermöglicht einen Umlauf der Befahranlage. Diese kann in einer Nische parkiert werden, wo sie ebenfalls durch schwenkbare Elemente geschützt und außer Sicht ist. Die Bedienung dieser Elemente erforderte eine steuerungstechnische Choreografie mit allen Sicherheitsauflagen. Die Technikzentrale bildet die Spitze der Dachform. Auf allen geeigneten Schrägflächen wie auf den beweglichen Verkleidungen wurden Photovoltaikelemente in einer strengen Geometrie montiert.

Zusammenfassung

Die Fassade des Baufelds G hat nicht nur einen sehr eigenständigen Charakter, sodass man vergeblich nach Vorbildern sucht. Sie ist auch sehr hochwertig auf eine lange Lebensdauer ausgerichtet. Alle Bauteile lassen sich im Notfall einzeln ersetzen. Als schwächstes Teil könnte man ausnahmsweise anstelle des Sonnenschutzes die Holz-Metallfenster einstufen, die für den Hochhausbau an ihre Grenzen gekommen sind.

Info & Kontakte

Aepli Metallbau AG
Industriestrasse 15
CH-9200 Gossau
Tel. 0041 (0)71 388 82 82

www.aepli.ch

Bautafel

Bauherr: SBB Immobilen
Architektur: Graber + Pulver, Zürich und Masswerk Luzern
Generalunternehmer: HRS Real Estate AG
Fassadenplaner: Mebatech AG, Baden
Fachbauleitung Fassade: AP3, Zürich
Fassadenbau: Aepli AG / Gossau SG
Sonnenschutzanlagen: Sunplan AG, Littau LU

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