Christian Wurst, Stahlbauer
„Wer bauen will, sollte das jetzt tun!“Christian Wurst führt mit seinen Brüdern Thomas und Michael in Bersenbrück einen Stahlbaubetrieb mit rund 250 Beschäftigten. Die Brüder machen immer wieder von sich reden, beispielsweise wurden sie Anfang dieses Jahres als „Leading Employer 2022“ ausgezeichnet, ein anderes Mal haben wir über ihr Robotersystem in der Fertigung berichtet, das mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Seit Herbst 2021 ist Christian Wurst der Präsident des Deutschen Stahlbauverbandes, wir haben ihn beim Internationalen Architektur-Kongress in Bochum getroffen. Zum Veranstaltungsbericht
metallbau: Von 800 freien Plätzen beim Kongress in Bochum waren ungefähr die Hälfte besetzt, wie bewerten Sie das?
Christian Wurst: Angesichts der Tatsache, dass bauforumstahl pandemiebedingt seit über zwei Jahren überhaupt keine Veranstaltung mehr ausgerichtet hat, sind unsere 400 bis 450 Gäste hier in Bochum ein Erfolg. Die Leute brauchen ein bisschen Zeit, um sich wieder an Veranstaltungen zu gewöhnen. Wir haben das Format von der Wirtschaftsvereinigung Stahl übernommen und werden es im Wechsel mit dem Stahlbautag, der dieses Jahr Ende September in Berlin stattfindet, in einem sinnvollen Turnus fortsetzen – am besten im jährlichen Wechsel.
metallbau: Herr Wurst, weshalb wird der ausführende Stahlbau bei der Darstellung der Stahlbau-Objekte nicht berücksichtigt und allein über die Architektur referiert?
Wurst: Das könnte ein interessanter Ansatz für die nächsten Veranstaltungen sein. Aktuell geht es um den direkten Kontakt und Austausch zu und mit den Architekten; allgemein geht es natürlich darum, das Image des Baustoffs Stahl zu verbessern, auch indem wir auf die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft eingehen. In dem einen oder anderen Fall macht es sicherlich Sinn, ein Blitzlicht auf die jeweilige Konstruktion aus Sicht des ausführenden Betriebs zu geben.
metallbau: Damit würde ja auch das Potenzial für das Publikum etwas größer, zudem gibt es nur wenige Treffs, wohin sowohl Architekten als auch Stahl-/Metallbauer eingeladen werden. Und es ist ja nicht so, dass sich die beiden Gewerke nichts zu sagen hätten.
metallbau: Welche Folgen spürt Wurst Stahlbau infolge der Corona-Krise und des Kriegs in der Ukraine?
Wurst: Ein ganz großes Problem ist der explodierende Materialpreis, das betrifft nicht nur Stahl oder Aluminium. Wir waren in den letzten vier bis fünf Wochen eigentlich nur mit den Kunden in Nachverhandlungen, mit denen wir vor dem Krieg in der Ukraine Verträge abgeschlossen hatten. Es war zeitaufwändig und hat uns intensiv beschäftigt, diese Kunden zu überzeugen, dass sie im Nachgang zu den geschlossenen Bauverträgen mehr Geld ausgeben müssen und dies freiwillig in zusätzlichen Verträgen geregelt wird.
metallbau: Was ist mit den Aufträgen, die jetzt erst vertraglich abgeschlossen werden?
Wurst: Für aktuelle Abschlüsse gibt es verschiedene Ideen: rechtliche wie die Preisgleitklausel oder auch auf die Beschaffung bezogene Möglichkeiten. Diese Vertragssituation halten wir für beherrschbar, aber Bauverträge im Nachgang nochmal zu ändern, das ist ungleich schwerer zu verhandeln und wir werden noch einige Wochen damit beschäftigt sein, bis wir die Risiken einigermaßen für uns ausgemerzt haben.
metallbau: Erzählen Sie doch ein bisschen von diesen Verhandlungen!
Wurst: Zum Glück wurden die Gründe für die außergewöhnlichen Preissteigerungen tagtäglich in den Medien propagiert, das hat uns bei der Argumentation gegenüber den Kunden geholfen und häufig ging es dann nur noch um das Zahlenwerk und um die Nachweise. Natürlich bleibt eine harte kaufmännische Verhandlung nicht aus und ein Kompromiss geht ja immer damit einher, dass es für beide Seiten ein bisschen wehtut. Solche Verhandlungen werden nicht gewonnen, aber wir haben überall Überzeugungsarbeit geleistet. Einige solcher Gespräche haben wir noch vor uns.
metallbau: Dann kommen Sie unternehmerisch mit einem blauen Auge davon?
Wurst: Es wird die Firma Wurst im Jahresergebnis einiges kosten, wie viel das sein wird, können wir jetzt nicht sagen. Natürlich haben wir auch überlegt, Verträge zu kündigen, aber dann hat der Auftraggeber das Recht zu klagen; wie weit das getrieben wird, darüber können wir nichts sagen. Derzeit suchen wir mit den Kunden das Gespräch und zum Glück sind sie auch alle bereit dazu.
metallbau: Wie versuchen Sie unternehmerisch die Einbußen zu kompensieren?
Wurst: Einfach so weiter, das können wir sicherlich nicht leisten. Wir sind in der Firma nach wie vor im Krisenmodus. Der spezielle Arbeitskreis trifft sich wöchentlich, um die rechtlichen Auseinandersetzungen, Materialbeschaffungen und Lieferverzögerungen neu zu bewerten und nach Lösungen zu suchen. Meine Brüder und ich haben uns abgestimmt, dass wir auf Sicht fahren. Schlussendlich ist ein positives Jahresergebnis immer noch unser Ziel für 2022. Inwiefern das möglich ist, zeigt sich in den nächsten Wochen.
metallbau: Wie lange haben Sie vor, noch im Krisenmodus zu bleiben?
Wurst: Wir hatten am 24. Februar eine Betriebsversammlung als Jahresauftaktveranstaltung, wo wir die Mitarbeiter auf die Jahresziele einstimmen wollten. Am selben Tag war die russische Invasion in die Ukraine und Themen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit sind wieder in den Hintergrund gerückt. Wir haben unsere Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass es schwierig wird, wir zusammenhalten müssen und ich habe sie zum Schulterschluss aufgefordert, Krisen bergen immer auch Chancen. Vielleicht begreift so der eine oder andere Mitarbeiter, dass die Extrameile von ihm gefragt ist. Wie lange der Krisenmodus noch anhalten wird, vermag ich nicht zu sagen, weil die Beschaffungsketten so massiv gestört sind, dass wir die nächsten 12 – 24 Monate damit beschäftigt sein werden.
metallbau: Wird Stahl zu einem Luxusgut?
Wurst: Wir werden Stahl immer beschaffen können; zu welchem Preis, ist die Frage. Generell trifft das jedoch die meisten Baumaterialien, insbesondere die mit Energie hergestellt werden – also auch Beton. Eine Prognose, die sich sicher stellen lässt, ist: Das Bauen wird teurer. Wenn jemand vorhat, zu bauen, dann sollte er besser jetzt starten.