Das Baurecht in Diskussion
Qualität sichern und europäische Vorgaben gestaltenDie aktuellen Änderungen im deutschen Baurecht wurden beim Fischer-Expertenforum aus dem Blickwinkel von Systemgebern, Verarbeitern und Prüfingenieuren debattiert. Als Resümee der Podiumsdiskussion kann festgestellt werden, dass die Bauwirtschaft hierzulande auf einem Level arbeitet, der angesichts der europäischen Perspektive für die Unternehmen zuträglich ist. In der Diskussion kristallisierten sich auch Schieflagen mit Handlungsbedarf heraus.
Der Präsident der Prüfingenieure für Bautechnik e.V., Dr.-Ing. Markus Wetzel konstatierte: „Der Schutzmantel unserer bauordnungsrechtlichen Gesetzgebung in Deutschland wird durch Vorgaben der EU angeknabbert.“ Das Bauwesen hierzulande bewege sich akut im Spannungsfeld zwischen einer von der EU geforderten absolut offenen Verfügung über CE-gekennzeichnete Produkte ohne ausreichende Kenntnisse der technischen Möglichkeiten dieser Produkte und auf der anderen Seite den Anforderungen an die Standsicherheit, wichtig für Leib und Leben und somit ein originäres Thema der Nationalstaaten. Dieses Wechselspiel gilt es von Seiten der deutschen Baubehörden zügig auszutarieren. „Unsere föderalen Strukturen erschweren aber leider eine schnelle Reaktion, baurechtlich zentral regierte EU-Länder tun sich leichter, solche Spannungsfelder zu lösen“, so Wetzel.
Rechtliche Schieflage für Verarbeiter
Dipl.-Ing. Andreas Reinhardt, CEO von Systea Pohl, wies auf die Reputation des deutschen Ingenieurwesens im Ausland hin: „Es ist eine Chance für die deutsche Bauwirtschaft, ihre Qualitätsmerkmale in europäisch harmonisierte Vorgaben einfließen zu lassen“, und betonte den Fortschritt durch die CE-Kennzeichnung. „Dank CE-Kennzeichen ist es uns gelungen, in europäischen Märkten erfolgreich zu sein“, so Reinhardt. Anderes gilt für die Produkte, die aus dem Ausland in unseren Markt eingebracht werden. Deren Qualität ist nicht prinzipiell mit unseren Standards vergleichbar.
„Ein CE-Kennzeichen erbringt für ein Produkt nicht den notwendigen Verwendbarkeitsnachweis, den das deutsche Baurecht fordert“, hob Wetzel hervor. Den Abgleich, ob das Produkt aus dem Ausland den Anforderungen des Baurechts hierzulande entspricht, kann ein ausführender Betrieb nicht leisten. „Er hat weder strukturell die Zeit dafür noch die notwendige Ausbildung“, stellte Reinhardt fest. Gleichwohl ist er rechtlich in der Verantwortung und im Nachgang können ihm Zahlungen verweigert werden, wenn die erforderlichen Nachweise für das Produkt nicht vorliegen. Das ist derzeit eine der wesentlichen Schieflagen. „Der Abgleich wird in die Planungsbüros verlagert, die rechtlich dafür nicht in der Pflicht sind und keine Verantwortung dafür haben.“
ETAs definieren europäische Fachsprache
Leistungsmerkmale eines Produkts, die nicht durch die harmonisierte Norm abgedeckt sind, können mit ETAs (European Technical Assessment) nachgewiesen werden. Ob über diese Nachweise auch die europäische Fachsprache definiert werde, wollte Moderator Prof. Konrad Bergmeister von Dipl.-Ing. Andreas Kummerow (DIBt) wissen. Der Leiter der Abteilung Konstruktiver Ingenieurbau sprach sich vorab pro Bauproduktenverordnung aus. „Diese ist im Vergleich zur Bauproduktenrichtlinie eine große Chance.“ Seiner Ansicht nach machen weniger die neuen Verordnungen Probleme als die Menschen, die sie interpretieren und diese Verordnungen leben. Wichtigste Botschaft aus Brüssel sei die Aufforderung zu einer gemeinsamen Fachsprache.
„Wir müssen die Dinge erklären, warum wir sie so tun, wie wir sie tun. Dies passiert auch im Zuge der Erarbeitung von Europäischen Bewertungsdokumenten (EAD), die Grundlage für die Ausstellung von ETA sind“, sagte Kummerow. „Wer also die meisten EAD schafft, übernimmt auch die Führung in der Fachsprache?“, fragte Prof. Bergmeister. „Wer schreibt, der bleibt!“, bestätigte der DIBt-Mitarbeiter. Dennoch sollten EAD nicht zum Sport werden, sondern die Hersteller sollten sich vielmehr über Verbände zusammenschließen und übergreifend EAD für gleiche Produkte erstellen lassen.
Professionelle als Vertreter in Brüssel
„Diese Nachweise und Bewertungsmethoden gilt es in die Harmonisierung des europäischen Baurechts einzubringen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Personal, das in Brüssel das deutsche Bauwesen vertritt; es sollte diese Arbeit nicht nur ehrenamtlich machen müssen – das reicht nicht, für die Verhandlungen ist Professionalität nötig. Für eine sorgfältige Vorbereitung, mit der sich in Brüssel punkten lässt, braucht es ein klar definiertes Zeitbudget und Geld.“ Andernfalls seien die deutschen Interessen gegenüber Ländern, die zielgerichteter organisiert sind, nicht durchsetzbar. „Anstatt dass wir gestalten, wird mit uns etwas gemacht.“
Die Welt ist bunter, vielfältiger und fordere von den Planern mehr Verantwortung. „Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass aus den Normen keine aufgeblasenen Lehrbücher resultieren“, so Wetzel. Als plakatives Beispiel berichtete Prof. Bergmeister vom Umgang der Schweizer und der Deutschen mit der EN 206. „In Deutschland sei daraus ein Werk mit 1536 Seiten hervorgegangen, während die Schweizer Fassung zu dieser Norm 56 Seiten zählt.“
Was die Umsetzung der europäischen Vorgaben betrifft, könnten wir auch von Briten und Italienern lernen. „Anstatt alles in Gesetze zu transferieren, formulieren sie einen Teil der Vorgaben als Mitteilungen. Der Spielraum liegt so in der Verantwortung von Planern und Verarbeitern, die dann weniger als Gesetzeserfüller agieren müssen und in Konsequenz ihr Engagement auf die präzise inhaltliche Arbeit richten können“, pflichtete Wetzel bei.