Der BVM mit der Soka-Bau
Innungsbetriebe nicht Soka-Bau-pflichtigAls im Februar das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) verabschiedet wurde, entstand parallel eine Initiative: die Verbändevereinbarung. Diese soll Innungsfachbetriebe vor unberechtigten Forderungen der Soka-Bau schützen. Sechs Verbände – darunter der Bundesverband Metall (BVM) – handelten einen Kompromiss mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der IG Bauen-Agrar-Umwelt aus.
Für die Soka-Bau lief es wie geschmiert. Zwar erklärten verschiedene Urteile des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichtes im September 2016 und Januar 2017 die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe aus den Jahren 2008, 2010, 2012, 2013 und 2014 und damit die gängige Praxis als unwirksam. Doch der Gesetzgeber sprang initiiert vom Bundesarbeitsministerium schnell ein und der Bundesrat stimmte am 10. Februar 2017 dem Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) zu, sodass die Soka-Bau vor Rückforderungsansprüchen von Betrieben rückwirkend ab 2006 geschützt ist. Ohne dieses neue Gesetz SokaSiG wäre die Soka-Bau – so die Gerüchte – möglicherweise zahlungsunfähig geworden. Nach Presseberichten bezifferte die Soka-Bau selbst die fraglichen Volumina mit bis zu 650 Millionen Euro.
Die Soka-Bau ist der gemeinsame Name für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes sichert die Urlaubsansprüche von Bau-Arbeitnehmern, beteiligt sich an der Finanzierung der Berufsausbildung und sorgt für eine Rentenbeihilfe. Soka-Bau arbeitet heute – nach eigenen Angaben – für rund 77.000 inländische und ausländische Betriebe mit etwa 740.000 Beschäftigten und 380.000 Arbeitnehmern im Ruhestand.
Willkür der Soka-Bau?
Soka-Bau agiert auf Grundlage von Tarifverträgen zwischen dem Baugewerbe-, Bauindustrieverband und der IG Bau. Jahrelange Praxis war, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Tarifverträge als allgemeinverbindlich erklärte, sodass auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) Beträge in die Soka-Bau einzuzahlen hatten.
Auch fordert die Soka-Bau von Betrieben rückwirkend Beiträge, wenn diese nach ihrer Meinung unter den Tarifvertrag des Baugewerbes fallen. Die Soka-Bau soll die Abgrenzung, wer als Baubetrieb zu gelten hatte, sehr großzügig ausgelegt haben und in der Vergangenheit jährlich bis zu 40.000 Verfahren gegen Unternehmen vor den Arbeitsgerichten geführt haben. So soll die Soka-Bau durch ihr Handeln gar nicht wenige Betriebe in den wirtschaftliche Ruin getrieben haben. Soka-Bau-Pressereferent Michael Delmhorst gibt dazu keine Stellungnahme bis alle wichtigen Detailfragen geklärt sind.
Neu: Verbändevereinbarung
Sechs Verbände – darunter der Bundesverband Metall (BVM) – und die Industriegewerkschaft Metall handelten einen Kompromiss mit der Bauwirtschaft, vertreten durch den Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und die IG Bauen-Agrar-Umwelt, aus. Der BVM vertritt die Interessen von Metallhandwerksbetrieben in 360 Innungen und 13 Landesverbänden. In dem Beschluss heißt es: „Die Bautarifvertragsparteien verpflichten sich, ausschließlich auf Basis der Kriterien Mitgliedschaft und Fachlichkeit eine Einschränkung des fachlichen Geltungsbereiches der Bautarifverträge zugunsten der anderen (...) Tarifvertragsparteien bei der nächsten Allgemeinverbindlichkeitserklärung vorzunehmen.“ Das bedeutet im Klartext: Betriebe, die Mitglied einer Metall-Innung sind, können nicht mehr von der Soka-Bau belangt werden. Die Parteien der Vereinbarung verpflichten sich zu einem transparenten Verfahren, um mögliche Abgrenzungsfragen zu klären und Prozesse zu vermeiden. Die Vereinbarung und Stellungnahme der Verbändeallianz wurde übrigens in der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zum neuen Gesetz explizit aufgegriffen und befürwortet. Zitat: „Die Bautarifvertragsparteien haben sich verpflichtet, beim nächsten Allgemeinverbindlichkeitserklärung-Verfahren eine Abgrenzung entlang der Kriterien Mitgliedschaft und Fachlichkeit vorzunehmen. (...) Die Mehrheit des Ausschusses geht davon aus, dass (...) die Abgrenzungsschwierigkeiten künftig weitestgehend ausgeräumt werden können.“
Abgrenzung vom Baugewerbe nötig
Es geht um eine saubere fachliche Trennung der tariflichen Zuständigkeiten zwischen dem Bauhauptgewerbe und anderen Gewerken. Damit soll die unrechtmäßige Belastung auch der Betriebe des Bundesverbandes Metall (BVM) durch die Soka-Bau verhindert werden. „Die Innungbetriebe des Metallhandwerks sind künftig besser vor unberechtigten Forderungen der Soka-Bau geschützt,“ verlautbart der BVM Anfang Februar. Das System der Soka-Bau war auch deswegen unangreifbar, weil die Abgrenzung zwischen Bauhauptgewerbe und den Baunebengewerben nicht klar geregelt war.
Thomas Arnold, bei der Soka-Bau Leiter der Unternehmenskommunikation, erläutert, wie sich künftig Kontakt mit Metallbaubetrieben gestalten wird: „Zunächst haben wir keine Informationen vorliegen, ob es sich um einen Innungsbetrieb handelt.“ Also wird das Unternehmen neben einer Information zur betrieblichen Tätigkeit in standardisierter Form um die Angabe einer Mitgliedschaft in einer Innung gebeten.“ Bei einer nachgewiesenen Innungsmitgliedschaft geht die Soka-Bau „im Grundsatz immer“ davon aus, dass die in den sogenannten Einschränkungsklauseln zur Allgemeinverbindlichkeit für das Metallhandwerk zwischen den Verbänden geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. In Konsequenz nimmt dieser Betrieb für die Zeit ab Beginn der Innungsmitgliedschaft nicht mehr an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil. „Dieser Status wird ihm von uns schriftlich bestätigt.“ Arnold verweist auf Ausnahmen: „Wenn uns konkrete Informationen darüber vorliegen, dass die tatsächliche betriebliche Tätigkeit nicht den Inhalten der Einschränkungsklausel entspricht, sondern fachlich einen Bau-Schwerpunkt haben könnte, klären wir dies mit dem Betrieb oder direkt mit seiner Innung.“
Richard Tauber, Hauptgeschäftsführer und Jurist vom Fachverband Metall Bayern sagt: „Eine erhebliche Erleichterung für Mitglieder ist die festgelegte Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, die bislang bei den von uns vertretenen Betrieben lag. Künftig wird die Soka-Bau den Nachweis erbringen müssen, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerkliche Tätigkeiten im Sinne der Bautarifverträge verrichtet werden.“ Durch die neue Vereinbarung ist es die Aufgabe der Soka-Bau, zu beweisen, dass ein Betrieb die überwiegende Arbeitszeit baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (TVT) nachging.
Was ist mit Nicht-Innungs-Betrieben?
Da für einen Nicht-Innungs-Betrieb die bereits erwähnte Einschränkungsklausel zur Allgemeinverbindlichkeit nicht gilt, kommt es für diese allein auf den tatsächlichen arbeitszeitlichen Tätigkeitschwerpunkt an, wie Arnold von der Soka-Bau klarstellt. „Handelt es sich um bauliche Tätigkeiten, die im Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge aufgeführt sind, wird der Betrieb an den Bau-Sozialkassenverfahren teilnehmen.“ Für welche Marktsegmente das Unternehmen bei der HWK oder auch der IHK eingetragen ist, spielt dafür keine Rolle.
Eingriff ins Rechtsstaatsprinzip
Einige Rechtsexperten verstehen das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) als mindestens problematisch, wenn nicht gar als nicht verfassungsgemäß. So der RA und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche: „Da das SokaSiG viele Tarifverträge für vergangene Jahre wieder allgemeinverbindlich in Geltung setzt, hat es Rückwirkung im engeren Sinne, was im Allgemeinen verboten ist. Im Allgemeinen sollten die Bürger in einem Rechtsstaat davor sicher sein, durch rückwirkende Gesetze belastet zu werden.“ Es sei ein „tiefgreifender Eingriff in das Rechtsstaatsprinzip, da ein höchstrichterlich festgestelltes Unrecht nachträglich und rückwirkend rechtens gemacht werden soll,“ urteilt RA Rainer Wertenauer, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dies ist wahrscheinlich verfassungsrechtlich zu überprüfen – und wird die Gerichte weiter mit der Soka-Bau beschäftigen.