Die Tiroler Edelschmiede

Kunstschmied & Perlenfischer

Der Sohn übernimmt den Laden, im Ruhestand geht es nach Australien und das Einkommen ist gesichert. Was klingt, wie drei Wünsche an die gute Fee, leben Vater Hans und Sohn Stefan Schwentner mit ihrer Tiroler Edelschmiede.

Auf die vorsichtige Frage, ob mit der offiziellen Übergabe der Geschäftsführung an den Sohn in den kommenden fünf Jahren zu rechnen sei, antwortet Hans Schwentner schneller und klarer als erwartet: „Höchstens noch drei Jahre“, sagt er, „dann werde ich richtig viel Skifahren, Motorradfahren und verreisen“. Auf seinem Reiseplan stehen Australien, Amerika und Skandinavien. Weit weg vom Alltag der Kunstschmiede. Aber eine Flucht ist es nicht, denn der Betrieb läuft ganz nach den Erwartungen von Vater und Sohn. Es ist eher so zu verstehen, dass jemand, der satt ist, getrost vom Tisch aufstehen und weggehen kann. Und satt an Glück und Erfolg ist der noch voll beschäftigte Inhaber: „Ich habe in rund 40 Jahren 24 Schmiedegesellen ausgebildet, darunter sechs Meister, von denen wiederum drei eine eigene Firma gegründet haben“, resümiert er stolz und verweist auf sein Glück, stets gute Mitarbeiter gehabt zu haben.

Historie

1984 ging es los mit der Tiroler Edelschmiede, die schon immer am Standort Waidring im Pillerseetal ihren Sitz hatte. Damals gründete der heute 60-jährige Hans Schwentner mit seinem ehemaligen Meister, bei dem er noch als Huf- und Wagenschmied seine Ausbildung gemacht hat, die Kunstschmiede Dürnberger & Schwentner. Geblieben sind der Firmierung das D und das S. Die „Tiroler Edelschmiede“ ist die Marke von Design & Schmiede. Aktuell beschäftigt das Familienunternehmen zehn Mitarbeiter inklusive der Geschäftsleitung. Noch führt Vater Hans die Geschäfte und Sohn Stefan ist Projektleiter und Gesellschafter. Die offizielle Übergabe steht in Kürze ins Haus.

CAD und Lasertechnik eingeführt

Ad hoc ändern wird sich aber eher nichts, denn vieles ist längst auf dem Weg. So hat der gelernte Metallbauer und Metallbau-Meister Stefan nach seinen – wie er sagt „Wanderjahren“ – in diversen größeren Betrieben wie einer Stanzerei oder einer Gießerei gearbeitet und dort viele Erfahrungen gesammelt. Unter anderem mit neuen Technologien aber auch mit betriebswirtschaftlichen Themen. „Ich bin schon ein wenig stolz, dass ich in unserer Kunstschmiede Technologien wie CAD-Konstruktionen oder Laserschnitte integrieren konnte“, sagt er. „Das ist für eine Manufaktur, die individuelle Einzelstücke anfertigt, nicht selbstverständlich.“ Weiter tragen diverse betriebswirtschaftliche Maßnahmen wie das prozessoptimierte Arbeiten die Handschrift des 36-Jährigen.

Produkte, Referenzen, Schwerpunkte

Die Tiroler Edelschmiede hat ein umfangreiches Portfolio. Hauptmärkte sind Hotellerie und Gastronomie im Umkreis von etwa 300 Kilometern. Private Kunden sind eher selten. Die Schwentners werden meistens von Architekten oder Unternehmern aus Österreich, aus dem süddeutschen Raum sowie aus Südtirol beauftragt. Für diese liefert die Schmiede Lösungen für hochwertige Interiors und anspruchsvolle Architektur. Besondere Kompetenzen liegen dabei in der Kombination aus Metall und Glas. Automatiktüren gehören dazu genauso wie modular aufgebaute Systeme, die individuell angepasst werden können. Das können Speisekarten-Vitrinen sein, aber auch der berühmte Bierkrug-Tresor – ein Schließfachsystem für persönliche Krüge von besonderen Hotelgästen. Die Kunden schätzen die Werkstücke und jeder Schmiede-Mitarbeiter kommt mit diesen Kunden in Kontakt, was Junior Stefan als großen Anreiz betrachtet, für seinen Betrieb tätig zu sein. „Wir haben tolle Kunden aus namhaften Hotels zum Beispiel in Kitzbühel, bei denen berühmte Menschen ein und ausgehen“, schildert der Junior-Chef. „Unsere Gesellen arbeiten alle an eigenen Projekten, vom Aufmaß über die Fertigung bis zur Übergabe an den Kunden.“

Die Perlen der Schmiede

Aber nicht nur für die Gesellen, sondern auch für die Lehrlinge bietet die Kunstschmiede ein attraktives Arbeitsumfeld: Bereits 24 Männer und eine Frau wurden erfolgreich zu Schmiede- und Metallarbeitergesellen ausgebildet. Einige von ihnen erhielten sogar Leistungsabzeichen und Begabtenförderungen. Außerdem schickt die Geschäftsleitung ihre Azubis auf berufsbegleitende Seminare, in denen ihr Nachwuchs Fortbildungen über Persönlichkeitsentwicklung und Teamwork bekommt. Jedes Jahr akquiriert der Betrieb einen neuen Metalltechnik-Lehrling im Hauptmodul Schmiedetechnik. „Wir brauchen gut ausgebildete Facharbeiter. Und da solche kaum noch auf dem Markt zur Verfügung stehen, ist unsere einzige Chance, diese selbst auszubilden“, sagt Stefan Schwentner, der auch im elterlichen Betrieb seinen Meister gemacht hat. „Wir brauchen Leute, die die Vielfalt unserer Produkte abdecken können. Unsere Mitarbeiter sind unsere Perlen!“

Einige davon sind auch lange nach ihrer Ausbildung im Betrieb geblieben, und andere haben sogar ihre eigene Schmiede gegründet. Das Know-how dafür haben sie alle ihrem alten Meister zu verdanken, der übrigens gar nichts davon hält, sein Wissen für sich zu behalten. So auch der Sohn. „Wenn wir als Metallbauer oder Kunstschmiede gute Qualität abliefern möchten, sollten wir unser Dorfdenken ablegen. Es wäre schön, wenn wir alle weniger Angst hätten, unser Know-how untereinander auszutauschen. Dabei können wir alle nur gewinnen“, lautet Schwentners Plädoyer für einen qualitativ hochwertigen Handwerksmarkt. Er betont: „In Zusammenarbeit mit Architekten und Tischlereien ergeben sich kreative Verbindungen. Daher wollen wir Kooperationen intensivieren und gemeinsam mit unseren Projektpartnern Ideen schmieden und von Synergien profitieren.“

Know-how außerhalb der Handwerkskunst

Neben ihrem Kerngeschäft, Lösungen und Produkte aus Metall zu fertigen, nehmen Hans und Stefan Schwentner vor allem die betriebswirtschaftliche Seite ihrer Schmiede sehr ernst. Gerade dem Nachfolger Stefan ist es bei Weitem nicht genug, nur Fachmagazine zu blättern. Nein! Er nutzt beispielsweise Autofahrten zu seinen Kunden, um Handwerker-Podcasts zu hören. Seine Empfehlungen: „Ich finde Thorsten Moortz mit den Handwerksimpulsen interessant, genauso wie den Workerscast von Jörg Mösler, der viele betriebswirtschaftliche Themen bespricht.“ Und klar! Kunstschmiede denken nicht nur eindimensional, sondern sie sind es gewohnt, in mehr als nur eine Richtung zu denken. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die Inhaber der Edelschmiede auch in Netzwerken zum Wissensaustausch engagieren. Ihnen ist vor allem das „Netzwerk Metall“ – der Verein zur Förderung von Stahl- und Glasbau – eine Herzensangelegenheit.

„Das ist quasi unsere Schlosser-Selbsthilfegruppe“, scherzt Stefan Schwentner, wird aber schnell wieder ernst. „Dort sind die Mitglieder sehr aktiv. Sie organisieren zum Beispiel kleinere Austausch-Delegationen, die sich gegenseitig in ihren Betrieben besuchen. Weiter gibt es Schulungen und Diskussionsrunden zu gerade relevanten Themen wie die Schweißnorm EN 1090 oder aktuell die EU-Datenschutz-Grundverordnung DSGVO.“ Ein wichtiger Part ist im Netzwerk das sogenannte „Unternehmenskonzept“, das ein Betrieb mithilfe von konstruktiven Feedback-Runden der Netzwerk-Partner optimieren kann. Ergänzend wird der Vital-Check – eine Mitarbeiterbefragung – durchgeführt. Diese Ergebnisse fließen ebenso in das Unternehmenskonzept mit ein.

Marketing und Vertrieb

Schon zu weit weg vom Handwerk? Au contraire! Die Waidringer gehen noch weiter und haben auch in Sachen Werbung und Marketing nichts verschlafen. Sie haben sogar einen eigenen Slogan: „Amboss für schneidige Ideen“ heißt er. Alleine diese Positionierung am Markt zeigt die Offenheit und Vielfältigkeit der Handwerksmeister. Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Vertrieb gehören zwar ins Portfolio der Schmiede, aber dafür haben sie sich die Unterstützung von Profis geholt, mit denen sie sich regelmäßig abstimmen. „Unsere Zeit ist zu schade dafür, das alles selbst zu machen“, begründet Stefan Schwentner das Outsourcing. Auf diese Weise öffnen sich für die Schmiede immer wieder neue Märkte. Ansonsten ist die Kundenwerbung recht normal: von Bauleiter zu Bauleiter, von Kunde zu Kunde.

Fazit

Klar gibt es auch in der Edelschmiede einen Alltag, der immer wieder Stress und Ärger mit sich bringt. Das räumen die Inhaber ein. Aber in Summe gefällt ihnen, was sie tun und was sie getan haben. Hans Schwentner wird sich bald anderen Dingen widmen, vielleicht sogar am Great Barrier Reef beim Schnorcheln echte Perlen finden, aber er würdigt den Beruf und die Leistungen der Metallbauer und Kunstschmiede: „Wir haben das große Glück, ein sehr schönes Handwerk ausführen zu dürfen. Ich hoffe, dass unsere Arbeit auch finanziell gewürdigt wird und dass sich gute Leute auch trauen, einen ihrem Werk entsprechenden Preis zu verlangen. Denn eigentlich müssen wir uns nicht sorgen. Wir werden als Kunstschmiede am Markt weiterhin problemlos bestehen.“

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