Fassaden sicher verankern

Befestigung von Pfosten-Riegel-Systemen

Magnus Hilger

Der statische Aufbau einer Fassade hat sich mit dem zunehmenden Einsatz von Pfosten-Riegel-Elementen grundlegend geändert. Während in älteren Gebäuden häufig massive Außenwände eine lasttragende Funktion übernehmen, dienen moderne Fassadensysteme nur noch dem Raumabschluss. Eine wichtige Herausforderung ist es dabei, diese Systeme sicher mit dem Baukörper zu verbinden. metallbau zeigt, welche Möglichkeiten es gibt.

Die Konstruktion der Pfosten-Riegel-Systeme besteht aus lastabtragenden, senkrechten Pfosten, die wiederum mit horizontalen Riegelprofilen miteinander verbunden sind. Die Montage der Pfosten, Riegel und Ausfachungen erfolgt dabei entweder direkt auf der Baustelle oder bei der vorelementierten Bauweise bereits im Voraus in der Werkstatt. Somit lassen sich bei Bedarf auch größere Abschnitte schnell montieren.

Die Befestigung der Pfostenprofile am Baukörper erfolgt über Fest- und Loslager. Die Pfosten können entweder über jeweils eine oder als Durchlaufträger über mehrere Etagen hinwegreichen. Die Fassade kann hängend oder stehend, mit dem Festlager wahlweise an der Decke, auf der Decke, unter der Decke sowie vor der Wand oder Brüstung befestigt werden. Die Montage der Pfosten erfolgt entweder mit Hakenteil zum Einhängen in den Basisanker, im Profilschuh mit durchgesteckter Achse oder mittels Schwalbenschwanzschiene in einer Gegenschiene. Die Befestigungselemente bestehen entweder aus Aluminium oder Stahl bzw. Edelstahl. Bei Aluminium werden die Elemente in Kombination mit Strangpressprofilen und Verbindungsmitteln aus Edelstahl montiert, bei anderen Werkstoffen entweder auf der Basis von Halbzeug mit Verbindungsmitteln aus verzinktem Stahl oder Edelstahl oder als Schweißkonstruktion. Eine Verstellmöglichkeit kann sowohl im Befestigungsteil als auch im Pfosten mittels eines Langlochs gegeben sein.

Entscheidungskriterien. Systemhersteller wie Raico oder RP Technik haben in der Regel eigene Konsolen zur Befestigung im Angebot. „Speziell bei Fassaden aus Aluminium kommen Systembauteile des jeweiligen Herstellers zum Einsatz. Im Normalfall sind das Konsolen aus Aluminium, die speziell auf die Profile abgestimmt sind“, erklärt Stefan Sepp, Leiter Technik & Entwicklung bei Raico Bautechnik. Diese Konsolen sind jeweils auf die verschiedenen Montagesituationen abgestimmt. Sepp: „Bei Holz- und Stahlfassaden wird sehr häufig mit angeschweißten Platten oder verschweißten Konsolen bzw. Schlitzblechen gearbeitet.“ Vorelementierte Fassadenelemente dagegen werden häufig in spezielle Montagezargen gesetzt, die bereits im Vorfeld befestigt und genau ausgerichtet werden.

Bei der Wahl des Befestigungssystems spielen sowohl technische, wirtschaftliche als auch optische Kriterien eine Rolle. „Das Befestigungssystem muss so konzipiert sein, dass die Justierbarkeit in allen drei Ebenen (x, y und z) möglich ist“, erläutert Hannes Market, technischer Direktor bei Stahlbau Pichler. „Bautoleranzen müssen aufgenommen werden. Wichtig ist auch ein zwängungsfreies und geräuschfreies Gleiten am Loslager.“

Weitere bedeutende Kriterien sind Platzbedarf, die Belastbarkeit sowie ein angemessener Korrosionsschutz und eine einfache, sichere und flexible Montagemöglichkeit. Der Platzbedarf richtet sich nach der Art der Befestigung. Im Pfosten bzw. Riegel integrierte Konsolen benötigen mehr Platz als aufgesetzte Konsolen. Konsolen, die stirnseitig an der Decke angeschlossen werden, benötigen ebenfalls mehr Platz als solche, die im Fußbodenaufbau oder im Bereich einer abgehängten Decke integriert sind. Die Belastbarkeit hängt wiederum von den Gegebenheiten am Baukörper und der Konstruktion ab und muss mittels der gängigen Normen ermittelt werden. Stefan Sepp (Raico): „Die Belastung der Konsolen kann über die Konstruktion, das Material und Materialstärken sowie über Verstärkungsrippen an die Belastungen des Bauvorhabens angepasst werden. Im Normalfall haben die Konsolen eine ausreichende Stabilität.“

Beim Korrosionsschutz ist, wie Hannes Market betont, auf das verwendete Material und die Montagesituation zu achten, also ob die Bauteile noch auf der Baustelle bearbeitet werden müssen. Weitere Faktoren sind die Klimabedingungen, die Korrosion begünstigen können, wie beispielsweise eine chloridhaltige Atmosphäre in Schwimmbädern sowie der Zeitraum, in dem die Bauteile der freien Bewetterung ausgesetzt sind. „Der Korrosionsschutz muss unter Berücksichtigung von korrosiver Beanspruchung und geforderter Schutzdauer – kurz, mittel oder lang – eine angemessene Standsicherheit gewährleisten“, erläutert Harald Schulz, technischer Berater bei RP Technik. „Standardmäßig sollte dabei von einer langen Schutzdauer ausgegangen werden.“ Die korrosive Beanspruchung bzw. Korrosivitätskategorie sowie die Schutzdauer sind in der Normenreihe DIN EN ISO 12944 geregelt, die alle wichtigen Angaben zum Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme beinhaltet. Stefan Sepp: „Der Korrosionsschutz ist in den entsprechenden Normen geregelt und hängt von den Faktoren Material der Konsole, Einbauort – sichtbar oder nicht sichtbar – und von der Nutzung des Gebäudes bzw. des Raumes ab. Diese sind in jedem Fall zu prüfen, um dann das entsprechende Material bzw. die notwendige Oberflächenbehandlung zu wählen.“

Entscheidend für eine unkomplizierte, flexible Montage ist, so Hannes Market, anstelle von Einzelbauteilen die Verfügbarkeit möglichst vieler gleichartiger Bauteile sowie die Möglichkeit, die Montage des Befestigungssystems unabhängig von anderen Gewerken auszuführen. Zudem sollte die Feinjustage der Bauelemente über das Befestigungssystem auch im Nachgang möglich sein. Und die Option, Konsolen über einbetonierte Halfenschienen zu verankern, ist wiederum unkomplizierter als eine Dübelverankerung.

Als weitere Kriterien für die Wahl eines Systems gelten außerdem noch dessen Wirtschaftlichkeit, die Serientauglichkeit und die Erfüllung der optischen Anforderungen. Zu berücksichtigen sind auch länderspezifische Zulassungen. Geregelt werden sowohl die Befestigungen als auch die Verankerungen nach den bauaufsichtlichen Zulassungen des DIBt, den Europäisch-Technischen Zulassungen (ETA) und den Baugesetzen.

Entscheidungsfreiheit. Metallbauer sind bei der Entscheidung für ein Befestigungssystem nicht auf das Angebot des jeweiligen Systemherstellers verpflichtet, so Julia Thiel aus der Marketingabteilung von RP Technik: „Der Metallbauer kann die Befestigung frei wählen.“ Das gilt auch bei Raico: „Die Befestigungen, Befestigungspunkte, die Art der Befestigung sowie das Befestigungssystem sind nach baulichen Gegebenheiten, Wirtschaftlichkeit und nach den Berechnungen eines Statikers zu wählen. Die Varianten sind hier vielfältig“, erklärt Stefan Sepp. Dennoch ist das Standardangebot häufig erste Wahl. „Die vom Systemlieferanten gelieferten Befestigungssysteme reichen für einen Großteil des Einsatzbereiches aus“, berichtet Hannes Market. Ausnahmen gibt es beispielsweise, wenn größere Kräfte als vom Systemgeber zugelassen wirken, zusätzliche Toleranzen erforderlich sind oder ein direkter Anschluss an die Stahlkonstruktion erfolgt. In diesem Fall müssen die nötigen Fassadenanschlüsse bereits bei der Planung der Stahlhauptstrukturen in Form von Anschlusslaschen oder Bohrungen berücksichtigt werden. Auch bei speziellen architektonischen Anforderungen oder bei besonderen Schall- und Brandschutzanforderungen greifen die Fassadenbauer auf Sonderlösungen zurück. Eine zunehmende Nachfrage nach Sonderlösungen in den letzten Jahren kann auch Andreas Schneider, Vertriebsingenieur bei Ejot Baubefestigungen, bestätigen. Um die individuellen Lösungen kümmern sich die Fassadenbauer häufig selbst: „Die Entwicklung der Sonderlösungen und auch die Fertigung, abhängig vom Material, erfolgt bei uns meist firmenintern“, berichtet Hannes Market. Bei bereits bestehenden Sonderlösungen können diese auch vom Systemlieferanten kommen oder die Sonderlösung wird in Kooperation mit dem Systempartner entwickelt“, so Market weiter.

Sicher im Baukörper. Besonders wichtig ist die sichere Verankerung der Konsolen als Verbindungselement zwischen Fassade und Baukörper. Diese Verankerungen zählen zur Gruppe der Schwerlastbefestigungen. Dabei können sowohl chemische Verfahren als auch Stahlanker zum Einsatz kommen. Beim chemischen Verfahren wird nach der gründlichen Reinigung des Bohrlochs ein Zwei-Komponenten-Spezialmörtel eingebracht, entweder per Patrone oder aus einer Kartusche. Anschließend wird die Ankerstange gesetzt, die sich dabei sowohl im Bohrloch verkantet als auch vollflächig verklebt wird. Stahlanker wiederum werden zunächst mit Hammerschlägen ins Bohrloch gesetzt und anschließend angezogen, sodass sie sich in der Bausubstanz verspreizen.

Baustoffe ausgereizt. Konstruktiv ist die Befestigungstechnik in den letzten Jahren laut Systemhersteller RP Technik weitgehend unverändert geblieben. Ausgebaut wurde aber die Tragfähigkeit der Fassadenanker, um die größer werdenden Formate und die steigenden Gewichte aufnehmen zu können. Das kann auch Dr. Klaus Fockenberg, bei Fischer Pressereferent für Befestigungssysteme, bestätigen: „Die Technik ist sehr weit fortgeschritten. Heute sind wir in der Lage, die maximale Belastbarkeit der Baustoffe komplett auszureizen. Bei Auszugsversuchen bricht eher der Baustoff als der Dübel.“

Julia Thiel von RP Technik stellt zudem einen deutlich erhöhten Aufwand bezüglich der Nachweise fest. So müssen die Standsicherheitsnachweise den Vorgaben der Eurocodes bezüglich Einwirkungen und Rechenmethoden sowie der demnächst erscheinenden Neufassung der Produktnorm Vorhangfassade EN 13830 entsprechen. Den zunehmenden Bedarf an Nachweisen und die zunehmenden Qualitätsanforderungen registrierte auch Andreas Schneider bei Ejot in den letzten Jahren.

Innovationsbestrebungen bei Fischer zielen auf Baustoffe wie WDVS oder Porenbeton, auf Arbeitserleichterung sowie Materialeinsparung ab, beispielsweise durch die Verwendung kürzerer Verankerungstiefen. Dies gelingt durch geringere Bohrlochtiefen, „wenn dann beispielsweise zwei Hammerschläge ausreichen, wo zuvor drei benötigt wurden“, so Dr. Fockenberg. Ein weiterer Punkt ist die Reinigung der Bohrlöcher, bislang Voraussetzung für sicheren Halt. So kann ab Herbst bei Verwendung des Highbondankers FHB II in Verbindung mit der gläsernen Mörtelpatrone auf die Bohrlochreinigung verzichtet werden.

In die Berechnungen werden zunehmend auch Erdbeben miteinbezogen, da diese weltweit bereits seit Längerem verstärkt Thema sind und auch in Deutschland inzwischen in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller mehr berücksichtigt werden. Befestigungsmittel werden daher sowohl verstärkt als auch für dynamische Belastungen ausgelegt.

Qualifizierte Mitarbeiter. Voraussetzung für eine sachgemäße und fachlich korrekte Montage der Fassaden und Verankerungselemente sind qualifizierte Mitarbeiter. Dafür gibt es beispielsweise den Sachkundenachweis Befestigungstechnik der deutschen Handwerkskammern. Dessen zentrale Inhalte sind Wissen über Bauteile, Baustoffe, Bohrverfahren, Montage, statische Einwirkungen, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. „Darüber hinaus ist eine direkte Schulung vom Befestigungslieferanten wichtig, da die verschiedenen Systeme unterschiedliche Verarbeitungsrichtlinien und Einsatzmöglichkeiten haben“, weiß Hannes Market aus eigener Erfahrung. „Die Schulungen werden bei Großprojekten idealerweise ­direkt vor Ort durchgeführt.“ Zudem führen Befestigungslieferanten auch Schulungen bei Stahlbau Pichler im Unternehmen selbst durch. Zielgruppe sind dabei nicht nur die Monteure, sondern auch die Konstrukteure und Statiker. Während erste vor allem in den Verarbeitungsvarianten geschult werden, erhalten die Techniker eine Einweisung in das theoretische Grund­wissen, beispielsweise die richtige Dübelwahl je nach Einbausituation. Die sichere und ordnungsgemäße Befestigung der Fassade verlangt umfangreiches Know-how und zuverlässiges Arbeiten von allen Beteiligten.

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