„Ich liebe schwierige Aufgaben!“

Im Gespräch mit dormakaba COO Dieter Sichelschmidt

metallbau: Sie arbeiten seit mehr als 40 Jahren bei Dorma ­heute dormakaba?

Dieter Sichelschmidt: Ich habe 1973 im Bereich des Musterbaus angefangen. Dort, wo neue Produkte oder Prototypen gebaut und getestet werden.1991 bin ich ins Produktmanagement gewechselt und hab dann 1993 die Verantwortung für das Produktmanagement Door Control übernommen und international ausgebaut. 2001 hat die ehemalige Dorma die erste globale Reorganisation durchgeführt und im Zuge dieser Maßnahme 13 Regionen und 5 Divisionen eingeführt. Bis Ende 2010 war ich verantwortlich für die Division Door Control.

metallbau: Dann sind Umstrukturierungen für Sie nichts Neues.

Sichelschmidt: Ja, die Prozesse, die sich damit verbinden, sind mir vertraut. 2010 fand die zweite große Umstrukturierung in Eigenregie statt: Ich wurde zum Projektleiter Organisa­tion ernannt und habe zusammen mit dem damaligen CEO Thomas P. Wagner die Dorma 2020 Struktur entwickelt und eingeführt.

metallbau: Wie geht es Ihnen nun mit der Aufgabe als COO?

Sichelschmidt: Jede neue Aufgabe ist schwierig, weil sie sich grundsätzlich auf Neues einstellen müssen, auch wenn sie Erfahrungen einbringen können. Allerdings liebe ich schwierige Aufgaben! Wenn das nicht so wäre, könnte ich den Job nicht machen. Es muss klar sein, dass Veränderungen notwendig sind und umgesetzt werden müssen. Davon muss man überzeugt sein und dazu auch stehen.

metallbau: Glauben Sie, dass der Zusammenschluss in fünf ­Jahren abgeschlossen ist?

Sichelschmidt: Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir den organisatorischen Teil des Integrationsprozesses gemäß unserer Planung in rund zwei Jahren abgeschlossen haben werden. Das Thema „kulturelle Integration“ ist da sicherlich etwas Anderes, das kann man in der Regel nicht so einfach planen: Angesichts unserer Größe von 16.000 Mitarbeitern braucht das Zusammenwachsen der Betriebskulturen Zeit. Changemanagement kriegen sie nicht in drei oder fünf Jahren erledigt. So ist zumindest die Erfahrung vieler anderer Unternehmen mit ähnlichem Werdegang.

metallbau: Die Kultur in der Schweiz und in Deutschland ist unterschiedlich. Macht sich das bemerkbar?

Sichelschmidt: Die Mitarbeiter der ehemaligen Kaba und der ehemaligen Dorma waren davon überzeugt, dass der Zusammenschluss der richtige Weg ist. Man hatte vom ersten Tag an – das war im September 2015 – das Gefühl, mit dem Zusammenschluss treffen Menschen zusammen, die sich schon jahrelang kennen. Das war eine positive Überraschung!

metallbau: Dorma hat 7.000 Mitarbeiter in den Zusammenschluss eingebracht, Kaba 9.000 Mitarbeiter, wie viele sind ­heute in der D-A-CH-Region beschäftigt?

Sichelschmidt: In Deutschland sind rund 3.500 beschäftigt, in der Schweiz rund 800 und in Österreich rund 600. Insgesamt arbeiten in der D-A-CH-Region ca. 5.000 Mitarbeiter für dormakaba. Allerdings zählen zur D-A-CH-Organisation, basierend auf unserem Organisationsmodell, auch die Mitarbeiter in den Produktionsstätten in Suzhou/China, Singapur und Malakka/Malaysia.

metallbau: Bevor Sie die neue Position als COO Access Solutions D-A-CH übernommen haben, waren Sie für die Märkte in Asien und Australien zuständig. Die Märkte ticken doch nicht gleich?

Sichelschmidt: Jeder weiß, dass Märkte unterschiedlich sind. Daher ist es wichtig zuzuhören, wenn man mit den eigenen Mitarbeitern sowie den Kunden über die jeweiligen Märkte spricht. Nur so kann man sich ein eigenes Bild von den Markt- und Kundenbedürfnissen machen und die richtigen Strate­gien für die unterschiedlichen Märkte entwickeln. Wir achten darauf, dass unsere Produkte und Lösungen innovativ sind und investieren in die Weiterentwicklung unseres Angebots. Die Einführung von neuen Produkten muss kontinuierlich stattfinden.

metallbau: Sie haben informiert, dass vier bis fünf Prozent vom Umsatz in die Entwicklung investiert wird? Wie viele Mitarbeiter arbeiten in der Entwicklungsabteilung?

Sichelschmidt: Wir haben etwa 400 Mitarbeiter weltweit in unseren Entwicklungsabteilungen. Das Gros ist in Deutschland etabliert. Insgesamt haben wir einen relativ großen Anteil in der D-A-CH Region, dann in den USA. In Asien bauen wir gerade unser Entwicklungszentrum für die S3- und S4-Produkt­segmente weiter aus. Weil der Standard der Produkte in Europa mit am höchsten ist, wird hier vor allem für den Premiummarkt in den S1- und S2-Segmenten Entwicklungsarbeit geleistet. In den USA herrschen andere normative und technische Voraussetzungen, deshalb gibt es in Nordamerika eine spezielle Entwicklungsabteilung.

metallbau: Wie kommt es zustande, dass für sechs neue Pro­dukte 90 Patente eingereicht werden?

Sichelschmidt: In einem Produkt sind meist viele Patente enthalten, so kommt das zustande. Es ist nicht unüblich, 90 Pa­tente für sechs Produkte anzumelden.

metallbau: Welche Messen sind für dormakaba die wichtigsten in den D-A-CH-Ländern?

Sichelschmidt: Auf der BAU in München sind neben den Ver­arbeitern auch Architekten stark vertreten, diese begleiten wir bei Ausschreibungen, also ist dies eine wichtige Messe für uns. Die Security sowieso und auf der fensterbau frontale in Nürnberg treffen wir in erster Linie Verarbeiter. Die Swissbau ist nicht so relevant für uns, aber in der Schweiz sind wir auf der Fachmesse „Sicherheit“ in Zürich vertreten und auf der Securité in Lausanne. In Österreich gibt es aus unserer Sicht nur Messen mit lokalen Themen, diese sind nicht in unserem Fokus.

metallbau: Wie viele Artikel produziert dormakaba? Werden mit dem Zuwachs an Neuheiten „alte“ Produkte eingestellt? Welche Rolle spielt die Produktion auf Bestellung bzw. auf Lager, ist da etwas in Veränderung?

Sichelschmidt: Insgesamt haben wir bei dormakaba weltweit etwa 150.000 Hauptartikel. Über den Daumen würde ich meinen, 100.000 Produkte aus der ehemaligen Dormawelt und ca. 50.000 der ehemaligen Kaba. Nach den Vorstellungen der Entwickler soll ein neues Produkt drei bis fünf alte Produkte ersetzen. Aber wir sind noch in der Bewertungsphase, welche Produkte wir weiter im Portfolio behalten und von welchen wir uns verabschieden. Das ist nicht einfach, wir haben weltweite Produkte und lokal relevante Produkte. Wir sind kontinuierlich dabei, Bestell- und Lieferwesen zu optimieren. Schlussendlich müssen wir uns nach den Kunden richten, das heißt, Priorität hat unsere Lieferfähigkeit. Natürlich wird die Lagerführung aus Kostengründen vom Fachhandel stärker auf uns übertragen. Für die Hersteller bleibt der Spagat, möglichst wenig auf Lager zu produzieren, aber eben gleichzeitig schnellstmöglich lieferfähig zu sein. Das Thema Lean Management ist ein Dauerbrenner. Bislang hat Dorma mehr Lageraufträge bearbeitet und Kaba mehr Bestellungen, das wird nun synchronisiert.

metallbau: Wieviel der gesamten Produktion findet in den D‑A‑CH-Ländern statt? Wieviel des Gesamtumsatzes wird in den D-A-CH-Ländern erwirtschaftet?

Sichelschmidt: Etwa 60  Prozent der gesamten Produktion wird in D‑A-CH Ländern gefertigt, von 2,3 Milliarden Schweizer Franken Umsatz, machen wir knapp 800 Millionen im Segment Access Solutions D-A-CH, also ca. ein Drittel vom Umsatz. Auf Gruppenstufe sind wir mit der Umsatzsteigerung von 2,6  Prozent im ersten gemeinsamen Geschäftsjahr zufrieden, auch mit unserer Eigenkapitalquote von 43,2 Prozent.

metallbau: In welchen Produktionssegmenten konnten Sie in den vergangenen zwei Jahren den Absatz steigern?

Sichelschmidt: In den Produktbereichen Electronic Access and Data und Master Key Systems haben wir in der D-A-CH-Region prozentual im zweitstelligen Bereich zugelegt. Im Produktbereich Entrance Systems konnten die elektronisch gesteuerten Drehflügeltürantriebe, Schiebetürantriebe und Kompletttüren im hohen einstelligen Bereich zulegen.

metallbau: Welche Rolle spielt Ennepetal und Deutschland im Zukunftsplan?

Sichelschmidt: Ennepetal ist die Zentrale für die AS D-A-CH Organisation. Teile unserer übergeordneten dormakaba Gruppenfunktionen sitzen ebenfalls in NRW – und das wird auch in Zukunft so bleiben. In der Fertigung soll es in Ennepetal vor allem um Mechatronik gehen. Hochtechnologische Produkte werden hier gefertigt. Notwendige Veränderungen treffen nicht nur Ennepetal. Aber zum Umbau in Deutschland können wir noch keine Einzelheiten veröffentlichen. In Ennepetal werden die drei Segmente Door Hardware, Entrance Systems und Interior Glass Systems im Vordergrund stehen, und zwar in globaler Verantwortung. Investieren werden wir in Ennepetal vor allem in die Entwicklung.

metallbau: Die Kommunikation mit dem Markt differenziert sich ja nach Planern/Architekten, Verarbeitern und Händlern. Welche Geschäftsstrategie gibt es für die Partnerschaften zu den Verarbeitern?

Sichelschmidt: Für mich ist der Verarbeiter, ob nun Schreiner oder Metallbauer eine ganz wichtige Zielgruppe. Sie leisten Projektarbeitet, erstellen Ausschreibungen und berücksichtigen darin Produkte ihrer Wahl. Der Architekt ist auch ein wichtiger Mitentscheider, weil er ebenfalls unsere Produkte in seinen LVs ausschreiben kann. Und auch der Händler als Absatzmittler ist ebenfalls ein wichtiger Partner für uns.

metallbau: Aber Verarbeiter sollen mit zunehmender Komplexi­tät BIM-fähiger Planungsunterlagen immer weniger über die Auswahl der Produkte entscheiden können.

Sichelschmidt: Ich glaube nicht an diese Zukunft. Das mag für Großprojekte stimmen, aber nicht prinzipiell. Die guten Metallbauer bleiben die Hauptentscheider. Sie haben die Verbindungen zu ihren Kunden und entscheiden, welches Produkt in das LV aufgenommen wird. Deswegen sehe ich die Zielgruppe als enorm wichtig an, leider ist sie in den letzten Jahren etwas vernachlässtigt worden, aber das werden wir ändern. Vor einem Monat haben wir das dormakaba Partnerprogramm neu aufgelegt, das 700 Dorma Systempartner und 250 Kaba Partner zusammenführt. Mit dem neuen Leadership Programm werden wir uns hinsichtlich unserer Partnerunternehmen neu positionieren.

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