Joachim Schulz, Gutachter IGS
„Schadensfall ‚falsche Planung‘!“Der Architekt Joachim Schulz gründete 1981 in Berlin die Ingenieur Gesellschaft Schulz. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger besteht seine Haupttätigkeit inzwischen in der Beratung rund um Qualität am Bau. Zum Thema Schäden an Balkonen informiert er im Interview über Ursachen und gibt Tipps zur Vermeidung. Wichtigstes Prinzip: „Abdichtungsebene ist Rohbauebene“.
metallbau: Mit welchen Mängeln an Balkonen werden Sie meistens konfrontiert?
Joachim Schulz: Bauen ist ein Kampf mit dem Wasser, die häufigsten Fehler treten in Verbindung mit Feuchtigkeit auf. Meist jedoch nicht in der Fläche, sondern in den Anschlusspunkten, Durchdringungen usw., oftmals verursacht durch eine fehlende Koordination seitens des Planers.
metallbau: Haben Sie Tipps für eine richtige Entwässerung?
Schulz: Bei Balkonen muss zwischen einer offenen und einer geschlossenen Brüstung unterschieden werden, entsprechend braucht man eine oder zwei Fußbodenentwässerungen, die tiefer als die Balkontürschwelle liegen müssen. Ganz nach dem Lehrsatz: Wasser darf nicht ruhen, Wasser muss fließen.
metallbau: Was sind die häufigsten Probleme bei der Entwässerung?
Schulz: Probleme gibt es meist dann, wenn der Ablauf wegen mangelnder Wartung verstopft ist. Und wenn der Balkon zu viele Schichten hat, also Balkondecke, Abdichtungsbahn, Gefälleestrich und Fußbodenbelag. Je mehr Gewerke, umso mehr Koordination ist nötig, umso mehr Risiken gibt es. Deshalb befürworte ich Betonfertigteilwannen aus wasserundurchlässigem Sichtbeton mit vierseitig umlaufender Aufkantung. Die können zum Gebäude hin sicher abgedichtet werden. Leider wird die Abdichtung oft nicht fachgerecht ausgeführt.
metallbau: Welche Entwässerungsprinzipien sind sinnvoll?
Schulz: Entweder umlaufende Rinne oder Fußbodenentwässerung, jeweils mit Anschluss an ein Fallrohr, das am Boden in ein Entwässerungssystem mündet. Jeder Balkon braucht eine Entwässerung.
metallbau: Welche Anschlusspunkte empfehlen Sie fürs Geländer?
Schulz: Geländer-Pfosten sollten niemals von oben auf der Balkondecke angebracht werden, sondern immer an der Stirnseite oder an der Deckenunterseite.
metallbau: Wann lohnt es sich, einen Balkon abzubrechen oder zu sanieren?
Schulz: Abbruch muss sein, wenn er nicht mehr standsicher ist. Das sollte ein Statiker oder Bausachverständiger beurteilen. Für alle anderen Fälle gibt es verschiedene Sanierungskonzepte.
metallbau: Alte Kragplatten sind vom Gebäude nicht thermisch getrennt, d.h. sie bilden immer eine Wärmebrücke. Muss bei einer energetischen Sanierung abgebrochen werden?
Schulz: Wir haben Millionen Balkone, die statisch völlig in Ordnung sind. Die können trotz EnEV nicht alle abgebrochen werden. Es verbleibt also immer das Risiko einer Wärmebrücke. Außerdem kosten der Abbruch und neue Ständerkonstruktionen viel Geld, die der Vermieter umlegen muss. Schon jetzt können viele Menschen die Mieten kaum zahlen. Wo soll das hinführen? Auch wenn Abbruch oft sinnvoll wäre, bleibt das der Ausnahmefall.
metallbau: Welche Alternativen gibt es? Zum Beispiel komplett in Isoliermaterial einpacken?
Schulz: Auch das ist Blödsinn. Beim Altbaubalkon ist normalerweise die Türschwelle sehr niedrig. Wenn man eine Wärmedämmung plus Gefällestrich aufbringt, muss man die Balkontüren austauschen. Die verlieren dann ihre Durchgangshöhe von zwei Metern auf 1,80 Meter und jeder wird sich am Kopf stoßen. Das entspricht nicht mehr der Norm. Und wenn man raustritt, hat man eine Stolperkante.
metallbau: Kommen wir zu Ihrer Gutachtertätigkeit. Wer trägt bei Mängeln die Verantwortung, der Planer oder der ausführende Handwerker?
Schulz: Es gilt das Verursacherprinzip. Der Pfusch beginnt nicht am Bau, sondern in den Köpfen der Architekten und Bauingenieure. Wenn im Rahmen der Planungspflichten entscheidende Details gar nicht dargestellt werden, ist bei Eintritt eines Schadens von einem direkten Zusammenhang mit einem Planungs- und Bauleitungsfehler auszugehen.
metallbau: Wer trägt welche Kosten?
Schulz: Die Kosten für die Fehlerbeseitigung übernimmt der oder die Verursacher, das heißt, im Gerichtsprozess erfolgt gegebenenfalls vom Sachverständigen eine Verursacher-Quotelung − beispielsweise Auftraggeber/ technischer Berater 46%, Architekt/Planer 15%, Architekt/Bauleiter 21%, Auftragnehmer/Handwerker 18%.
metallbau: Welche Schäden sind erfahrungsgemäß richtig teuer?
Schulz: Falls eine Änderung überhaupt möglich ist, wird es besonders schwierig, wenn die Durchbiegung bzw. Schwingungen von weit auskragenden Stahlträgern nicht bzw. unzureichend berücksichtigt wurden. Hier gibt es oft Folgeschäden durch Abriss der Abdichtung, Wassereintritt in die gedämmte Fassade usw.
metallbau: Worauf sollte der Metallbauer bei Sanierung oder Neubau besonders achten?
Schulz: Jeder Metallbauer sollte nur nach der vereinbarten Leistungsbeschreibung arbeiten und auf Ausführungsdetails vom Architekten achten. Baut der Metallbauer nach eigenen Ideen, übernimmt er dafür auch Planungsleistungen, für die er in der Regel nicht bezahlt wird, jedoch haftet.
metallbau: Wie sollte er mit privaten Bauherren verfahren, die mal einen Balkon oder nur ein Geländer
brauchen?
Schulz: Er sollte ein Angebot erstellen, das er sich bezahlen lässt. Am besten per Vorkasse, damit er nicht ewig auf sein Geld wartet. Schließlich muss er Aufmaß nehmen, konstruieren, berechnen, kalkulieren. Den Betrag verrechnet er, wenn er den Zuschlag erhält.