Landesuntersuchungsamt Koblenz
Hybride Fassade aus Holz & AluUm das bislang auf vier Liegenschaften verteilte Landesuntersuchungsamt (LUA) Koblenz in einem Gebäude zentral zusammenzuführen, wurde im Gewerbe- und Technologiepark B9 in Koblenz-Bubenheim für rund 70 Mio. Euro ein Neubau projektiert. Die Fassade setzt Neumayr High-Tech-Fassaden aus Eggenfelden um; das Auftragsvolumen für die rund 4.000 m² große Fläche beträgt etwa 6,5 Mio. Euro. Im Mai sollen die Metallbauarbeiten abgeschlossen werden.
Das Landesuntersuchungsamt ist ein staatlicher Dienstleister im Verbraucher- und Gesundheitsschutz von Mensch und Tier. Lebensmittelchemiker, Tierärzte, Ärzte und ihre Laborteams überwachen und testen Lebensmittel, Spielzeug, Medizin und Kosmetik. Zudem geht es um die Bekämpfung von Tierseuchen sowie den Schutz der Bürger vor ansteckenden Krankheiten. In Koblenz arbeiten rund 260 der insgesamt 540 Mitarbeiter des LUA – die Behörde hat darüber hinaus Standorte in Mainz, Landau, Speyer und Trier.
Die neuen Räumlichkeiten des Landesuntersuchungsamts auf einer Netto-Fläche von rund 8.000 m² werden in erster Linie für Laboratorien genutzt. „Laborgebäude setzen wir Architekten grundsätzlich als Funktionsmaschinen um“, konstatiert Andreas Honcamp vom Berliner Büro Sweco. Die Raumgestaltung der fünf Stockwerke dominieren Rasterstrecken. Auf der Südseite ist die Fläche in drei Laborcluster gegliedert, zur Nordseite hin sind die Büros untergebracht.
Im Grundriss ist die Nordseite im Drittelspunkt abgewinkelt und bildet zum Haupteingang hin eine Spange. Die Fläche des Foyers um den Eingang ist in allen fünf Geschossen wie ein Forum angelegt. Es sind dort jeweils Kantine, Konferenzräume, Aufenthalts- und Kommunikationszonen angesiedelt. Das „Herzstück“ des Neubaus soll mit seinen zentralen Treffpunkten den interdisziplinären Austausch der Wissenschaftler fördern.
Das neue Gebäude soll Ende 2023 fertiggestellt sein. Im ersten Halbjahr 2024 erfolgt die aufwändige Inbetriebnahme des hochtechnisierten Gebäudes. Für Arbeitsfelder wie Arzneimitteluntersuchung, den Verbraucherschutz für Lebensmittel oder den Seuchenschutz bei Tieren sind von den Planern hohe Hygieneanforderungen und Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen. Eine Laboreinheit ist mit allen erforderlichen baulichen Maßnahmen für ein Labor der Risikogruppe S3 nach Biostoffverordnung geplant.
Die nachhaltige Fassade
Das Architekturbüro Sweco setzt das Gebäude des Landes Rheinland-Pfalz nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundes um. Ein Bestandteil dieses Systems ist beispielsweise ein ökologischer Katalog für die Baumaterialien. Dafür lassen sich mit der hybriden Elementfassade aus Holztafel-Wandelementen in Kombination mit Aluminiumfenstern Punkte sammeln. Bei einem Rückbau des Gebäudes ist die Hybridfassade in Einzelelemente demontierbar, die Anforderungen für die Entsorgung der Materialien in den Wertstoffkreislauf sind gegeben.
Für den Architekten Andreas Honcamp ist das LUA das erste Projekt mit einer solchen Hybridfassade, Fassadenbauunternehmer Walter Gürtner hat bei der Fassade des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen erste Erfahrungen gesammelt. „Wir haben die Fassade des LGL 2019 erstmals in Holz-Ständer-Wand-Bauweise umgesetzt; die Kooperation seinerzeit mit der Firma Haas in Falkenberg hat sich bewährt, sodass wir die Fertigbauelemente auch für das LUA dort bestellt haben“, berichtet Gürtner. Er hält die Kombination Holz-Aluminium für zukunftsträchtig, mit dieser hybriden Bauweise lassen sich sehr gut Anforderungen für nachhaltige Zertifizierungen erfüllen.
Die Alternative zu den Holztafeln wäre Beton gewesen. Holz jedoch erhält nicht nur Pluspunkte als nachwachsender Rohstoff, sondern beschert auch ein behaglicheres Raumklima mit Vorteilen für die Akustik.
Die Holzoptik wird wegen der Brandschutzvorgaben für öffentliche Gebäude nicht sichtbar. Der Architekt bedauert dies. „Im privaten Wohnbau könnte man die Holzbauweise auch optisch nutzen, in diesem Sektor gibt es derlei Vorgaben für den Brandschutz nicht.“ Am LUA wird das Holz mit grauen glasfaserverstärkten Betonplatten und grünen Glaspaneelen verkleidet. Im Ergebnis wird eine klassische Vorhangfassade gestaltet.
Die Fenster aus Aluminium passen wegen ihrer Langlebigkeit und dem geringen Aufwand für die Wartung ins BNB-System. Sowohl Fenster- als auch Türelemente wurden aus Raico-Aluminiumsystemen gefertigt. „Der Einfall des Tageslichts wurde ebenfalls nach nachhaltigen Parametern geplant“, berichtet Honcamp. Die Fenster mit Dreifachverglasung (Ug = 0,6 W/m²K) in Größen von 2,5 m² bis 4 m² sind am Achsmaß der Labors und Büros ausgerichtet.
Der Aufbau der Fassade
Acht Monteure von Neumayr sind seit September 2020 auf der Baustelle in Koblenz tätig, die Holztafeln hatten sie innerhalb von zweieinhalb Monaten an Nord- und Südseite montiert. Die Arbeitsabläufe haben einen hohen Wiederholungsgrad. Projektleiter Tobias Falterer steuerte die „just in time“-Lieferung der Aluminiumelemente für Fenster und Türen von Eggenfelden nach Koblenz.
Wenngleich es äußerst praktisch ist, dass sich in den Holztafeln (EI30: 0,040 W/m²K) die bis zu 240 mm dicke Dämmung integrieren lässt − in punkto Bauzeit oder Kosten sieht Honcamp im Vergleich zum Beton keinen Vorteil. Das Dämmpaket jedoch müsste zusätzlich an der Wand befestigt werden. Projektleiter Falterer weist darauf hin: „Aus der Hand nur eines Gewerks ist die Hybridfassade schneller erstellt, zudem braucht die Holz-Alu-Fassade keine Zeit, um zu trocknen – bei Beton verhält sich das anders.“
Um das Holz vor Wasser zu schützen, müssen die Anschlusspunkte etwas sorgfältiger geplant werden. Beispielsweise müssen Fußpunkte mit Abdichtungsfolien versehen werden, wobei zugleich darauf geachtet werden sollte, dass diese im Sinne der Nachhaltigkeit wieder demontierbar sind. Falterer von Neumayr betont: „Das Holz befindet sich hinter der Fassade und ist von außen durch eine schwarze Membran – eine dampfoffene Folie – abgedichtet. Sollte von außen Feuchtigkeit ins Holz gelangen, kann diese wieder nach außen diffundieren.“
In die Holzkonstruktion mit einer Netto-Fläche von 3.100 m² bauen die Monteure ca. 570 Fenster sowie ca. 50 Türen ein. Die Nordfassade mit dem Haupteingang ist als Fensterfront konzipiert, mit den Außentüren wurde vor allem das Erdgeschoss der Südfassade gestaltet – im Erdgeschoss meist in eine großformatige Glasfront mit einer Festverglasung und einem Oberlicht. In den Obergeschossen haben Büros für leitende Mitarbeiter einen Balkon.
Die Alufenster wurden am Standort Eggenfelden gefertigt, dort sind etwa 50 Mitarbeiter von Neumayr tätig. Über den Fenstern (Uw= 0,81 W/m²K und 0,91 W/m²K) mit Dreh-Kipp-Verschluss sind beplankte Klappflügel mit einem E-Motor STG Beikirch 230 V mit Kettenantrieb 500 mm Hub integriert. Diese lassen sich zentral über eine Steuerung zur Lüftung und Nachtauskühlung öffnen und schließen. „Für die Steuerung sind die Elektriker zuständig, wir bauen den Antriebsmotor ein und übergeben das Schnittstellenkabel“, so Falterer. Die Systemelemente Raico Frame +75 WA/WB erfüllen mit 36 dB erhöhte Schallschutzanforderungen und sind einbruchhemmend ausgestattet, im Erdgeschoss mit Widerstandsklasse RC3. Während die RC3 Fenster bereits vorgefertigt mit Verglasung auf die Baustelle geliefert wurden, wurden die anderen Fenster erst auf der Baustelle verglast.
Die 50 Türelemente (Ud= 1,3 W/m²K) an der Südseite sind nicht kraftbetätigt. Ebenso der Windfang am Haupteingang. Die mechanische Drehtüre am Haupteingang wurde aus dem Raico-System Therm SI 56 RC 3 hergestellt.
Ein Mock-up auf der Baustelle zeigt die Hybridfassade, die zwischen den Fenstern mit Alu verblecht wird. Die Vorhangfassade erreicht einen Wärmedämmwert von Ucw= 0,78 W/m²K. Bei den Elementen der vorgehängten, hinterlüfteten Fassade handelt es sich um grüne Glaspaneele aus ESG und Fertigteile aus glasfaserverstärkten Betonplatten mit Relief, die mittels Unterkonstruktion am Holz befestigt werden. Die Fenster an der Südfassade erhalten für den Sonnenschutz Warema-Raffstore.
Fazit
Mit der Montage der Fassade sind acht Monteure rund neun Monate beschäftigt. Das neue Gebäude des Landesuntersuchungsamts soll Ende 2023 fertiggestellt sein. Die Labore werden ab Ende 2022 parallel zur TGA eingerichtet.
Neumayr High-Tech-Fassaden
Walter Gürtner führt ein Unternehmen mit sechs Standorten: Eggenfelden (Fassaden-/Metallbau), Nagold (Türen und Tore), Haarbach-Oberuttlau (Neumayr Asia), Peking (Büros, Lager, Begegnungszentrum), Hongkong (Niederlassung) und St. Georgen (Holz-Alu-Elemente). Der Wirtschaftsingenieur achtet auf ein organisches Wachstum. Jedes Jahr veröffentlicht er einen Jahreszielplan. Im rund 160-seitigen Werk von 2021 ist beispielsweise zu lesen, dass Neumayr im Jahr 2020 Angebote im Wert von 85 Mio. Euro kalkuliert hat, im Jahr 2021 sollen es rund 100 Mio. Euro werden. Am Hauptstandort in Eggenfelden sind ca. 100 Mitarbeiter tätig. Im Jahr 2019 hat sich der Fassadenbauer für die betriebseigene Montage entschieden; das Team von 25 Monteuren soll in diesem Jahr auf rund 40 Mitarbeiter erweitert werden.
Im Dezember 2019 hat Gürtner die Firma Hackenbuchner in St. Georgen übernommen. Der Betrieb ist eine Schreinerei mit einer Metallbauwerkstatt, ca. 15 Mitarbeiter sind an dem Standort etwa 20 Kilometer von Eggenfelden entfernt tätig. Im Jahr 2020 wurde der Betrieb in der Fertigung sowohl im Bereich Metall als auch im Bereich Holz mit neuen Maschinen ausgestattet.
In den nächsten Jahren möchte der niederbayerische Unternehmer die Nachhaltigkeit für Betriebsgebäude sowie –fahrzeuge forcieren: Statt der Erdölheizung soll eine Hackschnitzelfernwärmeanlage installiert werden. 40 Benzin-Pkws werden in den nächsten vier Jahren durch E-Pkws ausgetauscht. Getankt wird dann mit Strom aus der betriebseigenen Solaranlage, die schrittweise ausgebaut wird. Bislang erzeugt Neumayr ca. 200 kW Strom.
Mit Mitarbeitern aus 15 Nationen, europaweiten Aufträgen für Metall- und Fassadenbau sowie einer Niederlassung in China versteht sich Neumayr als internationales Unternehmen. In Konsequenz hat er im vergangenen Jahr seine Website www.neumayr.de dreisprachig (Deutsch, Englisch, Chinesisch) konfigurieren lassen.