Marktlücke privates Passivhaus

Chancen für passivhauszertifizierte Systeme

In Österreich entstand vor acht Jahren ein mehrfach ausgezeichnetes Passivhaus aus Aluminium und sucht bis heute Nachahmer. Über die Herausforderungen eines solchen Projektes für einen Metallbauer und künftige Marktchancen unterhielt sich Fachredakteurin Ulrike Hensel mit dem Geschäftsführer des Aluminium-Fenster-Instituts, Harald Greger, der auch gleichzeitig Bauherr ist.


Wer Harald Greger zuhört, spürt sein Engagement für den Werkstoff Aluminium und die daraus gefertigten Bauelemente. Der Geschäftsführer des österreichischen Aluminium-Fenster-Instituts (AFI) will der Metallbaubranche mehr Mut machen und den auf dem Markt vorhandenen erstklassigen Alu-Profilsystemen zu größerer Verbreitung verhelfen. Leidenschaftlich fordert er: „Der Metallbauer soll aufhören, ein schlechtes Gewissen zu haben, dass er zu teuer ist oder Aluminiumfenster irgendeinen Nachteil hätten. Das stimmt nicht. Die Profilsysteme haben keine schlechteren U-Werte als Bauelemente aus Kunststoff oder Holz, im Gegenteil. Und obendrein sind sie noch sehr viel langlebiger und damit werthaltiger.“ Er wünscht der Branche mehr Selbstbewusstsein, vor allem in den Bereichen des privaten Hausbaus sowie des kommunalen und genossenschaftlichen Wohnbaus. Hier gibt es seiner Ansicht nach sehr viel Potenzial. „Es wird zu wenig informiert und aufgeklärt. Es gibt zu wenig Anzeigen oder Prospekte von Metallbaubetrieben für private Bauherren und Gemeinden“, sagt Greger. Aktuellen Studien zufolge, konnte Aluminium im Bauwesen in den letzten Jahren seinen Ruf als ökologischer Baustoff verbessern. Soll sich dieser Trend fortsetzen, bedarf es sowohl weiterer Anstrengungen in der Ökologisierung der Produktionsprozesse als auch aktiver Öffentlichkeitsarbeit für die ökologische Performance von Aluminium im Bauwesen, erklärt er.

Passivhausstandard dominiert Objektbau

Viel zu lange haben sich Hersteller von Aluminiumprofilsystemen auf den Objekt- und Zweckbau konzentriert. Der Erfolg gab ihnen Recht, denn kaum ein modernes Büro- oder Hotelgebäude wird heute ohne Glas-Aluminium-Fassade errichtet. Möglich wurde das, weil die erste Energiekrise in den 1970er-Jahren zur Entwicklung von wärmegedämmten Aluminiumprofilen führte. Das Alufenster, das bereits um 1950 Einzug in die Baubranche hielt, hatte damals die zehnfach höheren U-Werte als heute. „Da man Fenster und Türen aus Aluminium künftig nicht nur in landwirtschaftlichen Anwesen, Garagen und Industriegebäuden einsetzen wollte, musste man sich über Wärmedämmung mehr Gedanken machen. Und das war damals für die Branche revolutionär“, erklärt Greger. Die konstruktiven Möglichkeiten der Profilsysteme führen bis heute immer wieder zu neuen architektonischen Höchstleistungen, sowohl was die Form als auch was die Funktion betrifft. Die Systemhäuser und auch die Metallbauer waren lange Zeit mit dem Objektbau ausgelastet. Zwar wurden die Aluminiumprofilsysteme stetig weiter entwickelt, beworben wurden aber überwiegend exklusive Gebäude von Stararchitekten. Der normale Wohnbau, der zahlenmäßig ein weit größeres Potenzial für Fenster bietet, stand jahrelang weniger im Fokus. Gefragt, weshalb das Alufenster im Privatsektor in Mitteleuropa keinen relevanten Markt hatte, nennt Greger den höheren Anschaffungspreis, gepaart mit mangelnder Lebenszyklusorientierung der meisten Bauherren sowie den jahrelang etwas schlechteren Dämmwert des Alurahmens und den Trend zum ‚natürlichen‘ Holzfenster. Und das, obwohl auch im Objektbau ein immer höherer energetischer Anspruch gestellt wurde. Hier wurde das Alufenster allerdings verbreiteter Standard. Aspekte wie schmale Rahmenansichtsbreiten, Langlebigkeit und geringerer Wartungsaufwand standen dabei stets im Vordergrund. Und – die Lebenszyklusorientierung gewann zunehmend an Bedeutung.
Genau da setzt das Aluminium-Fenster-Institut an. Geschäftsführer Harald Greger betont: „Unser Ziel war und ist von Anfang an, die Vorteile von hochklassigen Aluminiumprofilsystemen zu kommunizieren und auf die Notwendigkeit des sachgemäßen Einbaus durch qualifizierte Metallbauer hinzuweisen. Diese Aufklärungsarbeit richten wir vor allem an Architekten sowie private und kommunale Bauherren.“ Das Institut wurde vor 27 Jahren von den wichtigsten Anbietern von Aluminium-Profilsystemen in Österreich gegründet und betreibt seither intensive Basisarbeit. Eine gut gegliederte, mit vielen Informationen angereicherte Homepage (www.alufenster.at) der alle zwei Jahre mit 10.000 Euro ausgelobte Aluminium-Architektur-Preis und zahlreiche Fachveranstaltungen bilden die Eckpfeiler. Das AFI hat die österreichische Gemeinschaftsmarke Alufenster geschaffen, ein firmenneutrales Markenzeichen, das für besonders hohe Qualität im Metallbau steht.

Privates Passivhaus aus Aluminium

Als Harald Greger selbst zum Bauherren wurde und sich gemeinsam mit seiner Frau entschloss, für seine fünfköpfige Familie ein eigenes Haus zu bauen, war eines sofort klar: Nur mit Aluminiumfenstern. Was dann aber auch bald feststand, war die Entscheidung, ein Passivhaus zu errichten. „Damals gab es allerdings im deutschsprachigen Raum – und ziemlich sicher auch weltweit – kein passivhauszertifiziertes, reines Aluminiumprofilsystem. Und alle Fachleute, die an der Vorstudie für ein solches Haus arbeiteten, zweifelten insgeheim an der Machbarkeit“, erinnert sich Greger. Das Haus wurde realisiert und heute, acht Jahre später, gibt es selbstverständlich auch für Passivhäuser zertifizierte Aluminiumprofilsysteme mit U-Werten von unter 0,8 W/m²K. Beim Greger’schen Passivhaus sind nicht nur die Fenster sondern auch die Türen, die vorgehängte hinterlüftete Fassade und das Dach aus Aluminium. Das Haus mit Namen ALU MINI UM wurde vor Kurzem mit drei Gebäudezertifikaten ausgezeichnet. Das Gebäude wurde nach dem österreichischen klima:aktiv-Gebäudestandard bewertet und erhielt mit 867 von 1.000 Punkten als klima:aktiv-Haus Silber. Bei der TQB-Zertifizierung (Total Quality Building) der ÖGNB (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) erreichte das Passivhaus 861 von 1.000 Punkten. Die ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) vergab bei der DGNB-Zertifizierung 75 Prozent der möglichen Bewertungspunkte und damit ebenfalls Silber. Für die Pfosten-Riegel-Fassade, die Fenster, die Terrassentüren und die Haustür wurden Aluminiumprofilsysteme verbaut, wie sie im Jahr 2005 marktüblich waren. Ein österreichischer Metallbaubetrieb, der die Gemeinschaftsmarke ALU-FENSTER führt, fertigte und montierte sie. Die geforderten U-Werte wurden durch hochwärmegedämmte Aluminiumprofile, spezielle Paneele und Dreifach-Verglasung erreicht. Bei der südseitigen Pfosten-Riegel-Fassade wurde ein System mit einer Profilbreite von 50 mm und einer Bautiefe von 120 mm verwendet. Der Gesamt-U-Wert der Pfosten-Riegel-Fassade beträgt Ucw=0,82 W/m2k. Die Fassade enthält zwei Balkontüren, für die ein System mit einer Rahmentiefe von 75 mm und mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten Uf = 1,55 W/m2k eingesetzt wurde. Die Fenster weisen je nach Größe und abhängig von Fixverglasung oder Dreh/Kipp-Öffnung Gesamt-U-Werte von Uw=0,96 bis 1,00 W/m2k auf. Die Fensterrahmen  haben U-Werte von Uf=1,3 bis  Uf=1,5 W/m2k. Es wurden Gläser mit Ug=0,6 W/m2k verwendet (Details siehe Kasten). Auch wenn damit die – schon vor acht Jahren – sehr strengen U-Wert-Vorgaben des Passivhaus Institutes Darmstadt (PHI) nicht vollkommen erreicht wurden, funktioniert dieses Passivhaus aufgrund der perfekt abgestimmten Planung und Ausführung bestens. Das Gebäude wurde als sehr kompakter Baukörper geplant, der Energiegewinn durch die Anordnung der Fensterflächen maximiert. Die Fensteranteile an der Fassadenfläche nach Himmelsrichtung betragen nach Norden 0%, nach Osten 10 %, nach Westen 24 % und nach Süden 38 %.

Perfekte Handwerkerleistung

„Die Aufgabenstellung, ein Passivhaus zu errichten, geht ja über die bisherigen Aufgaben für einen Metallbauer deutlich hinaus. Meist baut er „nur“ Alukonstruktionen in ein Gebäude ein. Ich kenne keinen Metallbauer, der auf Passivhäuser spezialisiert ist. Vielleicht ist das eine Marktlücke“, sagt Harald Greger nachdenklich. Er weist allerdings gleichzeitig darauf hin, dass dem Handwerker oft nicht bewusst ist, worauf er sich bei Auftragsunterzeichnung einlässt. Dass es zum Beispiel beim Passivhaus spezielle Einbaukriterien und Luftdichtheitsvorgaben gibt, die strikt einzuhalten sind. Greger meint, „im Kampf um Aufträge behaupten viele Handwerksbetriebe viel zu schnell, dass sie in der Lage sind, auch diese schwierigen Aufgaben problemlos zu meistern. Das kann aber im Fall eines Passivhauses gründlich daneben gehen. Hier geht es nicht nur um die qualitätsgerechte Herstellung der Bauelemente in der Werkstatt, das ist selten problematisch. Es geht vielmehr um den Einbau, der perfekt ausgeführt sein muss. Das betrifft nicht nur den Metallbauer sondern auch den Installateur und den Elektriker – alle Gewerke. Hauptaugenmerk liegt vor allem auf der Luftdichtheit des Gebäudes. Jedes noch so kleine Löchlein kann dann zum Verhängnis werden.

Die Funktion eines Passivhauses wird während der Bauphase mittels Blower-Door-Test überprüft. Das Differenzdruck-Messverfahren liefert den Nachweis der Dichtheit und spürt Leckagen auf. Bei Passivhäusern und zunehmend auch bei Niedrigenergiehäusern ist dieser Nachweis Pflicht. Werden dem Metallbauer Versäumnisse bei der Montage nachgewiesen, kann das ziemlich teuer werden, denn meist sind dann größere Nachbesserungen und auch wiederholte Prüftermine fällig, berichtet Greger. „Außerdem“, sagt er, „ist die Kombination Passivhaus und Privathaus besonders tückisch.“ Denn die hohen Anforderungen kommen von beiden Seiten. Der private Bauherr baut meist nur einmal im Leben und verlangt höchste Qualität. Der Privatmann wird nicht akzeptieren, wenn dem Metallbauer die Baustelle zu schwierig wird: Er will kein Geld zurück, sondern will, dass alles funktioniert. Und leider funktionieren viele Passivhäuser nicht, betont Greger. Sein Fazit: Nur die wirklich besten Handwerker sollten sich ein Passivhaus zutrauen. Jeder darf sich als der Beste fühlen. Allerdings sollte er sich mit den Besonderheiten am Bau und mit einem Passivhaus auskennen. Zum Beispiel: Wie funktioniert ein Blower-Door-Test?

Entscheidend ist die Machbarkeit

Harald Greger, der als privater Bauherr so manche Herausforderung erlebt hat, kennt noch weitere Tücken: So gehört beispielsweise die Eingangstür zu den sensibelsten Bauteilen eines Hauses. Vor acht Jahren gab es nur Alu-Türrahmen mit U-Werten um die 2,0. Mit einem speziellen Vakuumpaneel, das einen U-Wert von 0,2 hatte, erreichte die Tür die geforderten Passivhauswerte. Schwierig für die Luftdichtheit war aber vor allem auch der Schwellenbereich, der nur sehr gut abzudichten geht, wenn man eine Stolperschwelle am Eingang akzeptiert. Oder wenn die Eingangstür aus ästhetischen Gründen zu hoch entworfen wird und der Metallbauer die Umsetzbarkeit nicht unter den Aspekten des Passivhauses prüft, kann es auch nach Jahren zu Schwierigkeiten kommen. Mechanische Verwerfungen, die durch zu schwere Türblätter besonders bei größeren Temperaturunterschieden zwischen Innen und Außen hervortreten, können zum Durchbiegen der Rahmen führen. Greger gibt auch hier dem Metallbauer den Tipp: Die Pläne genau ansehen, mit den Angaben der Systemhersteller abgleichen und auf Machbarkeit prüfen. Man sollte genau wissen, was der Hersteller erlaubt, was im Systemkatalog drin steht. Für Metallbauer, die sich mit Sorgfalt dem privaten Passivhausbau widmen, besteht ein gut ausbaufähiges Marktpotenzial, das in Zukunft sicher an Bedeutung gewinnen wird.

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