Mit der Energiewende gewachsen

Schletter macht nun aus der Not eine Tugend

Das oberbayerische Unternehmen Schletter wuchs mit Montagesystemen für Solaranlagen rasant, errichtete vor sechs Jahren einen hochautomatisierten ­Fertigungsbetrieb und hat aktuell stark mit dem fehlenden politischen Konsens in puncto erneuerbare Energien zu kämpfen. Fachredakteurin Ulrike Hensel ­unterhielt sich mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Hans Urban über die Situation im Unternehmen und mögliche Auswege aus der Solarkrise.




Schletter ist ein Vorzeigebetrieb, es gibt wenige von diesem Format. Hochspezialisierte Fertigungsanlagen, ein modernes Logistikzentrum und sogar ein eigenes Presswerk für Aluminiumprofile gehören wie selbstverständlich zur Ausstattung des vor wenigen Jahren neu errichteten Firmensitzes östlich von München. Das vollautomatische Hochregallager wurde teilweise unter der Erde errichtet, um das zweistöckige Gebäude besser in die beschauliche, oberbayerische Landschaft zu integrieren. Es fällt kaum auf, dass hier täglich 24 große Lkw beladen und fast eben so viele entladen werden. Mindestens sechs Container mit Überseefracht verlassen momentan täglich das Werk. Im Jahr 2013 wurden über 40.000 Hochseecontainer verladen. Gegenüber 2012 war das eine Steigerung um 900%. In den Boom-Zeiten der Solarbranche war der Warenumschlag fast viermal so groß. Aktuell muss das Unternehmen mit der stark sinkenden Nachfrage nach Solaranlagen fertigwerden und ist dabei, neue Geschäftsfelder zu definieren.

„Wir machen fast alles selbst“

Schletter wurde 1968 als Handwerksbetrieb gegründet und fertigte zunächst Kleinserien von Fenstern, Fassadenteilen und Konstruktionselementen, vornehmlich aus Aluminium. Ludwig Schletter jun. trat 1984 in das Unternehmen ein und übernahm 1998 die operative Geschäftsleitung. Seit den 1980er-Jahren entwickelte sich der Betrieb immer mehr zu einem Industriebetrieb mit moderner Fertigung. Laufend wurde in neue, meist CNC-gesteuerte Werkzeugmaschinen investiert, um noch flexibler und schneller auf Kundenwünsche reagieren zu können. So kamen auch immer mehr Großaufträge ins Haus, sei es aus der Bahnindustrie, dem Messebau oder zur Lohnserienfertigung.

Seit 1990 werden Montagesysteme für Solarpanels produziert. Vor allem in diesem Produktsegment wuchs Schletter überdurchschnittlich schnell und ist Marktführer bei Schräg- und Flachdachsystemen, Freilandanlagen und auch Sonderkonstruktionen wie z.B. Solar-Carports. Nach eigenen Angaben kann mit den Schletterbaukastensystemen nahezu jede Solarmodulkonfiguration auf jedem Dach befestigt werden. Dazu werden normenkonforme Stützengeometrien in verschiedenen Neigungen und Dimensionierungen sowie eine Vielzahl von Zubehörteilen angeboten. Nach der Ausweitung der Fertigung auf mehrere Teilstandorte errichtete das Unternehmen 2008 in Kirchdorf bei Haag in Oberbayern ein neues Werk und bündelte hier seine Aktivitäten komplett.

Die hochwertigen Komponenten aus Aluminium und Edelstahl werden auf automatisierten Maschinen und Anlagen in großer Fertigungstiefe hergestellt. Sogar ein eigenes Aluminiumpresswerk wurde errichtet, um „von den Lieferanten weitgehend unabhängig zu sein“, berichtet Hans Urban, Leiter des Geschäftsbereiches Solar und stellvertretender Geschäftsführer. Dies entspricht dem Selbstverständnis des Unternehmens, nämlich das meiste selbst herzustellen und damit die Qualitäts- und Lieferprozesse fest in der Hand zu behalten. Das Produktionsspektrum reicht vom Alu-Profil bis zur Spezialschraube. „Auch die Wertschöpfung haben wir dann zum großen Teil im Hause und können den Gesamtpreis besser gestalten.“ Am Know-how liegt es weniger, meint Urban. „Unsere Produkte sind nicht besonders hightechlastig. Eher sind dies die intelligente Produktionstechnologie und einige Montagekniffe, mit denen wir am Ende punkten.“

Arbeitsplätze in Gefahr

Wenn ein Unternehmen wie Schletter so eng an die Solarbranche und damit an die Energiepolitik gekoppelt ist, so verwundert es nicht, dass es derzeit im Unternehmen etwas leiser zugeht. Die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung lässt die Investitionen im Solarbereich fast zum Erliegen kommen. Gegenüber 2012 hat sich der Ausbau der Solarenergie in Deutschland beinahe halbiert, weil die finanziellen Anreize ausbleiben. Das spürt man auch bei Schletter. 2010 waren noch weit über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, heute sind es um die 800, und „wir werden sicher auch noch weitere Konsolidierungsmaßnahmen durchführen müssen“, beschreibt Urban die angespannte Situation. „Doch Schletter wäre nicht Schletter, wenn wir nicht kämpfen würden.“

Die Geschäftsleitung hält nicht hinterm Berg und fordert ihre Mitarbeiter sogar über Aushänge und im Internet auf, an Kundgebungen und Demonstrationen für die Energiewende teilzunehmen. So geschehen für die Veranstaltungen im März in München und im Mai in Berlin. 100 Mitarbeiter demonstrierten beispielsweise in München. Hans Urban begründet: „Erstens müssen die Mitarbeiter erkennen, dass ihre Arbeitsplätze direkt von den erneuerbaren Energien abhängen. Und zweitens sind wir absolut überzeugt davon, dass die Energiewende dringend notwendig und auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Das ist ein absolutes Erfolgsmodell, definitiv. Und was gern aus den Augen verloren wird: Der Klimawandel schreitet sehr viel stärker voran, als man es jemals vorausgesagt hat.“

Auswege dringend gesucht

Das neue Werk in Kirchdorf hatte zwischen 2008 und 2011 seine Hochzeiten und maximale Auslastung. Bis zu drei Schichten rund um die Uhr wurden damals gearbeitet, manchmal an der Belastungsgrenze, um die Aufträge der Kunden rechtzeitig fertigzustellen. Heute wird im Ein- und Zwei-Schicht-Betrieb produziert. Neue Geschäftsfelder lassen sich aber nicht so einfach aus dem Boden stampfen, „vor allem, wenn man so ein großer Metallbauer ist wie wir“, erklärt Urban. „Deshalb haben wir Ideen gesammelt und versucht, die bisherigen Geschäftsfelder zu erweitern, zu verbessern und zu stabilisieren.“

Die anderen Standbeine von Schletter sind stabil, allen voran die Produkte für die Bahnindustrie. Sie haben sich gut entwickelt. Aber auch die Internationalisierung im Solarbereich hilft dem Unternehmen momentan sehr, den starken Markteinbruch in Deutschland und anderen europäischen Ländern wie Italien und Spanien etwas abzufangen. Trotzdem kann deren Umsatz die derzeitige Lücke nicht ausfüllen oder gar kompensieren. „Wir haben momentan ein Riesenloch, das wir so nicht füllen können“, sagt Urban. Lohnfertigung ist auch nicht immer eine geeignete Lösung, weil viele Aufträge mit geringen Losgrößen für die hochautomatisierten Produktionsanlagen unwirtschaftlich sind.

Immerhin ist der Maschinenpark sehr modern und bietet Bearbeitungstechnologien, die andere nicht haben und sich auch nicht zulegen werden oder können. Gerade im Bereich Metall-Umformtechnik sind sämtliche Technologien vorhanden. Es gibt eine eigene Qualitätssicherungsabteilung, Schweißzertifizierungen liegen für alle erforderlichen Anwendungen vor. „Wir können recht komplexe Produkte ökonomisch fertigen. Das einzige Erfordernis sind größere Stückzahlen. Kleinaufträge sind bei uns weniger angebracht, da können kleinere Betriebe eher mithalten“, erläutert Urban.

Moderne Fabrikstruktur

Die Fertigung ist bei Schletter stark rationalisiert und nach logistikgerechten Fabrikstrukturen in Segmente aufgeteilt, also in Biegerei, Stanzerei, Kantzentrum, Fräs- und Bearbeitungsabteilung, Laser- und Schweißzentrum, Strangpresswerk, Montage, Logistik und Versand. Der Maschinenpark umfasst hochautomatisierte CNC-Maschinen und Fertigungszentren von namhaften Herstellern wie Trumpf, Haas, ebu Burkhardt, Kuka usw. Bearbeitungszentren gibt es in jeder Form und Größe, auch Langbettbearbeitungszentren, die für größere Dimensionen ausgelegt sind. Im Biegebereich sind 2D- und 3D-Biegemaschinen, für die Blechbearbeitung NC-gesteuerte Kantmaschinen bis hin zum vollautomatischen Kantzentrum vorhanden. Auch in der Lasertechnik stehen alle wesentlichen Maschinen für Rohre und Bleche zur Verfügung. Angeboten werden außerdem Roboterschweißen in einer speziellen Schweißzelle und Laserschweißen. Moderne Montagemaschinen wurden eigens für spezielle Produkte gebaut. Zu jedem Fertigungsbereich gehören automatische Lager für Profile, Rohmaterialien oder Großformattafeln.

Das 2011 eingeweihte, vollautomatische Warenumschlagzentrum entstand auf einer Fläche von 22.000 m². Die elf Regalbediengeräte bewegen Langgut, Gitterboxen und Kleinteilboxen und sind für das Hochregallager mit dem 9.000 Plätze umfassenden vollautomatischen Kleinteilelager sowie für das Palettenlager mit 8.000 Plätzen zuständig. Durch einen unterirdischen Tunnel kommen die Profile vom eigenen Presswerk direkt zur Einlagerung. Kommissioniert wird papierlos mit Barcodes, Scanner und Displays, was sehr schnelle und flexible Auslieferungen ermöglicht.

Intensive Kundenbetreuung

Von Anfang an war dem Unternehmen der enge Kontakt zum Kunden wichtig. Darin sieht Urban auch einen der Gründe, warum sich Schletter sehr gut entwickeln konnte. „Wir verkaufen nicht nur Produkte sondern bieten viele Dienstleistungen.“ Beispielsweise stehen kompetente Ansprechpartner zur umfangreichen Beratung bereit, auch werden Kalkulationsprogramme für die Modulsysteme zur Verfügung gestellt. Damit vor allem Handwerker sachgemäß und effizient mit den Montagesystemen arbeiten können, bietet Schletter regelmäßig Schulungen an. „Wir wollen verhindern, dass auf den Baustellen gepfuscht wird. Denn das fällt immer auf den Hersteller zurück, auch wenn der nicht Schuld ist“, sagt Hans Urban. Das Dienstleistungsspektrum umfasst auch die weltweite Auslieferung der Produkte bis zur Baustelle. Jedem Kunden können laut Urban individuelle und kostengünstige Transportlösungen angeboten werden.

Die Montagesysteme sind ausgeklügelt und können vom Installateur schnell und werkzeuglos auf dem Dach montiert werden. Komponenten wie Modulklemmen werden einfach eingeklickt. Viele Bestandteile sind aus Aluminium, einige aus Edelstahl. Die Vorteile liegen vor allem in der Korrosionsbeständigkeit und der statisch hohen Belastbarkeit. Die Profile bestehen ausschließlich aus Aluminium, weil dieser Werkstoff besonders leicht und in der Formgebung sehr flexibel ist. Schletter hat schon immer eigene Profile verwendet und die Werkzeuge dafür selbst entwickelt. Früher wurden bei verschiedenen Presswerken Kapazitäten eingekauft, seit 2009 werden die Profile überwiegend selbst gezogen.

International gut aufgestellt

Trotz des Einbruchs in der deutschen Solarbranche sind die Solar-Montagesysteme immer noch Umsatzträger Nummer Eins. Grund sind die Exporte in alle Welt. Schletter hat in den vergangenen Jahren mehrere Tochterunternehmen und Vertriebsgesellschaften gegründet und exportiert zunehmend u.a. nach Japan, Südafrika und Südamerika. Insbesondere auch das Geschäft in den USA hat sich nach Unternehmensangaben inzwischen zu einem sehr starken Standbein entwickelt. In Deutschland und ebenso in den südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien, Griechenland stagnieren dagegen die Aufträge, vor allem für Großprojekte.

Freilandanlagen werden überwiegend mit eigenem Montagepersonal errichtet, im Ausland werden dafür zusätzlich lokale Arbeiter angeheuert. Vom Fundament über die Systemgestelle bis zur Montage der Panels werden sämtliche Bauleistungen und mechanischen Arbeiten erledigt. Viel Bürokratie und lokale Vorschriften sind da zu bewältigen. In Ländern wie den USA, Kanada, China und besonders in Südafrika ist es außerdem Vorschrift, dass ein Teil der Produkte vor Ort gefertigt wird. Darum gibt es dort neben dem Vertrieb auch eigene kleinere Fertigungen. In den USA wird mit Ausnahme des Profilpressens sogar alles hergestellt. Dachanlagen werden üblicherweise einem Installateur vor Ort überlassen. In den Niederlassungen dreht sich alles ausschließlich um den Bereich Solar. Die anderen Segmente wie Bahntechnik, Schiffsausrüstungen, Messestände, Ladeneinrichtungen und Umwelttechnik werden von Bayern aus bedient.

Neuanfang nicht zu empfehlen

Im Interesse der Stabilisierung des Unternehmens und der Erhaltung der Arbeitsplätze setzt Schletter auch verstärkt auf Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Angeboten werden verschiedene Ladesäulen und Wallboxen mit Steckverbindern, Überwachungsbausteinen und Regelkreisen. Die Ladestation Smart PV Charge erhielt auf der Intersolar 2013 einen der Innovationspreise. Der Award wurde vergeben, weil die Ladestation Elektroautos bevorzugt mit Strom aus einer vorhandenen Photovoltaik-Anlage und nicht aus dem Netz speist. Dazu entwickelte Schletter eine intelligente Regelung, die als Energiemanager zwischen Elektroauto und Hausnetz fungiert.

Dieses Produktsegment entwickelte sich aus den Solar-Montagesystemen, wobei das Carport eine mögliche Unterkonstruktion darstellt. Die Solar-Carports werden komplett mit Ladestation angeboten. Abnehmer sind derzeit Kommunen, Firmen oder Banken, die innovativ denken und das auch nach außen mit ihrem Fuhrpark ausdrücken wollen. „Wir erwarten im Bereich der Elektromobilität stetige Weiterentwicklungen und sehen das als Zukunftsbereich. Aus diesem Grund haben wir das System auch auf der diesjährigen Hannover Messe vorgestellt“, berichtet Urban.

Auch wenn sich das Unternehmen optimistisch zeigt, Neueinsteigern kann Hans Urban den Bereich der Solarenergie zur Zeit nicht empfehlen. „Es ist ein schwieriger Bereich geworden und hier neu anzufangen, macht sicher keinen Sinn. Wir wollen aber drin bleiben und uns weiterhin durchbeißen, weil wir hier viel Kompetenz aufgebaut haben.“

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