Qualität statt Preis
Vergabe-Novelle zugunsten der BestbieterEinkäufer von Großküchen, auch im öffentlichen Dienst, sind dazu angehalten, die billigsten Eier zu kaufen. Nicht die besten. Die österreichische Geflügelwirtschaft bringt das natürlich auf, stehen Käfigeier doch EU-weit längst am Pranger. Auf dem Welt-Ei-Tag, der im Oktober des vergangenen Jahres auf Einladung der Landwirtschaftskammer Österreich ausgerichtet wurde, ging daher eine Forderung um: Bestbieter vor Billigstbieter. Bauern haben ähnliche Sorgen wie Metallbauer. Denn auch das österreichische Metallhandwerk kämpft gegen die Billigkonkurrenz.
Die angespannte Baukonjunktur in Österreich lädt die Billigheimer geradezu ein. „Der Wettbewerb ist schärfer geworden“, konstatierte Karlheinz Rink, Geschäftsführer des Herstellerverbandes AMFT, bereits vor einem Jahr. Nun kann der Verband einen wichtigen Erfolg verbuchen: Zum März wird das Vergaberecht in Österreich neu aufgelegt. Die Novelle soll auch das Bestbieterprinzip stärken. Damit kommt ein zwei Jahre andauernder Prozess endlich ans Ziel. „Das ist eine wichtige Etappe auf einer langen Reise“, sagt Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel. „Nun ist es wichtig, das Bestbieterprinzip in der Praxis so schnell wie möglich anzuwenden.“
In manchen Teilen wird es sogar schon angewendet. „Allerdings geht es im Tiefbau deutlich schneller voran als im Hochbau“, sagt der Bauingenieur Stefan Prem. Er plant mit seiner Firma aus dem niederösterreichischen Herzogenburg vor allem große Infrastrukturprojekte: Schienen und Straßen, bestellt von Staatskonzernen wie der Asfinag, die die österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen baut und betreibt.
Der lange Weg in die Praxis
2013 wurde das Bestbieterprinzip im Regierungsprogramm verankert. Kurz darauf begannen die Beratungen in den Arbeitsgruppen und Gremien. Am 10. Dezember 2015 wurde das neue Vergaberecht im Parlament beschlossen. Es soll Lohn- und Sozialdumping bekämpfen, volle Transparenz bei Subvergaben garantieren und eben auch das Bestbieterprinzip stärken.
„Dennoch wird in vielen Bereichen der Preis das entscheidende Kriterium bleiben“, sagt Karlheinz Rink. Zum großen Teil hänge es daran, wie detailliert Auftraggeber die Leistungen oder die Anforderungen an den Lieferanten beschreiben. Und auch Stefan Prem hebt mahnend den Finger: „Sind die Qualitätshürden zu niedrig, läuft es doch wieder über den Preis.“ Auf der anderen Seite dürfe man jedoch auch nicht zu hohe Regeln setzen, damit nicht zu viele Betriebe durchs Raster fallen.
Mit der Novelle zum Bundesvergabegesetz wird die öffentliche Hand verpflichtet, künftig bei bestimmten Vergaben, etwa bei Bauaufträgen von mehr als einer Million Euro, einen stärkeren Fokus auf Qualitätskriterien und Folgekosten zu legen. Auch soziale Aspekte dürfen berücksichtigt werden. Außerdem sind verschiedene Schranken vorgesehen, um die Weitervergabe von Aufträgen an unseriöse Subunternehmen zu unterbinden.
Für öffentliche Auftraggeber könnte die Novelle zwar einen finanziellen Mehraufwand bedeuten, wie in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf eingeräumt wird, die Politik erwartet sich im Gegenzug aber nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern rechnet mittelfristig auch mit Einsparungen. Vor allem in der Baubranche hat es zuletzt häufig Klagen über Unternehmen gegeben, die durch undurchsichtige Firmenkonstruktionen, durch Weitergabe von Aufträgen an unseriöse Subfirmen und Lohndumping die Preise drücken.
Preise für Bauleistungen konstant
Josef Muchitsch von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) glaubt aber nicht, dass die Bauleistungen durch die neuen Regeln teurer werden. Im Gegenteil. Mit dem Bestbieterprinzip könne man vielmehr sicherstellen, dass man auch die benötigte Qualität zu einem ausgemachten Preis erhalte. „Alle öffentlichen Auftraggeber schweigen über Projekte, die in der Vergangenheit nach dem Billigstbieterprinzip vergeben wurden, bei denen nachträglich viele 100 Millionen Euro an Steuergeldern aufgrund von Nachforderungen und Qualitätsmängeln verschleudert wurden“, so Muchitsch. Der Arbeitnehmervertreter ist überzeugt: Die Novelle rechnet sich für den Steuerzahler vom ersten Tag an.
Das Bestbieterprinzip erlaubt es den Auftraggebern, die Anforderungen an den Metallbauer oder an ein anderes Gewerk klar zu definieren. So kann der Bauherr verlangen, dass das Unternehmen etwa Erfahrungen mit einer gewissen Aufgabe vorweisen muss, einen jährlichen Mindestumsatz oder eine Mitarbeiterzahl nachweist. Unterm Strich kann man sagen, es soll nicht das Unternehmen den Auftrag erhalten, das am billigsten ist, sondern das die Aufgabe am besten erfüllen kann. „Wie sich das in der Praxis bewährt, muss sich erst noch zeigen“, sagt Rink. „Wir stehen ganz am Anfang.“
Ähnlich sieht es Bauingenieur Prem: „In vielen Bereichen fehlen einfach noch die Erfahrungen, um die Vorgaben zu bewerten. Vieles muss sich erst finden. Dann wird man sehen, was über das Ziel hinausgeht und wo noch nachgebessert werden muss.“ Prem hat über einen Ausschuss an der Entwicklung der Vorgaben mitgearbeitet und erinnert sich an lebhafte Diskussionen, wo Regulierungen sinnvoll sind und wo nicht.
Karlheinz Rink ist jedoch zuversichtlich, dass die erarbeiteten Richtlinien für die Betriebe keine Hürde darstellen: „Für die renommierten Metallbauer in Österreich sollte es kein Problem sein, diese Anforderungen zu erfüllen.“ Die Vorgaben hätten ohnehin weniger den Sinn, den nationalen Wettbewerb zu schwächen, als schwarze Schafe vom Markt fernzuhalten. Transparenz, Verlässlichkeit und Qualität lauten die drei wichtigsten Schlagworte. Stefan Prem stimmt dem zu. „Vorausgesetzt, man hat die Kapazitäten, um den Auftrag zu erfüllen, dürfte es für die angestammten heimischen Betriebe kein Problem sein.“
Wie wichtig der öffentliche Markt ist, zeigt allein ein Blick auf die absoluten Zahlen. Zuletzt hatte die öffentliche Hand in Österreich Aufträge im Gesamtwert von 38 Milliarden Euro vergeben. Allerdings müssen nicht alle Aufträge überhaupt in eine Ausschreibung gehen. Im Bau-, Liefer- und Dienstleistungsbereich kann die öffentliche Hand Aufträge auch direkt vergeben, wenn der Wert maximal 100.000 Euro beträgt. Auch die Wertgrenze für das sogenannte nicht offene Verfahren ohne Bekanntmachung liegt für Bauaufträge weiterhin bei einer Million Euro. Beim Verhandlungsverfahren und beim nicht offenen Verfahren müssen mindestens drei befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
EU-Recht novelliert Vergabe
Auch in Deutschland wurde das Vergaberecht nun überarbeitet. Das ist weder Zufall noch Mittelstandspolitik der schwarz-roten Bundesregierung. Es ist die Umsetzung von EU-Recht. „Genau wie in Österreich wird in Deutschland das Vergaberecht in Reaktion auf die neuen EU-Vergaberechtsrichtlinien reformiert“, erklärt Frank Zopp vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Der Rechtsbeschluss kam kurz vor Weihnachten, die Umsetzung soll bis April folgen. Die Richtlinien sehen vor, dass nicht nur nach Preis, sondern auch nach Wirtschaftlichkeit vergeben werden kann und dazu weitere Kriterien herangezogen werden können.
Restlos begeistert sind die Handwerker deswegen aber nicht. „Allerdings umfassen die Entwürfe auch zahlreiche kritische Rechtsänderungen, die zu einer weiteren Verkomplizierung des Vergaberechts und damit zu wachsenden Barrieren für mittelständische Unternehmen führen können“, so der ZDH-Sprecher. Zudem fordert der Verband einen deutlichen Ausbau der Breitbandversorgung. Denn in drei Jahren soll die Vergabe nur noch elektronisch stattfinden.
Womit Betriebe punkten können
Die Betriebe können bei der Vergabe punkten, indem sie etwa mehr Sicherheit oder zusätzliche Garantien in Aussicht stellen, falls sie den Auftrag erhalten. So ist es in Österreich etwa zulässig, die gesetzliche Gewährleistung von drei bis fünf Jahren um bis zu drei Jahre zu verlängern.
Beim Thema Sicherheit können schon ganz banale Ansätze für ein besseres Standing sorgen, wie Ingenieur Stefan Prem weiß: „Unfälle auf Baustellen lassen sich etwa reduzieren, indem man auf Leitern verzichtet und stattdessen Treppentürme einsetzt.“ Der Aufwand ist überschaubar, der Nutzen immens. Die Erfahrung hat gezeigt, dass immer noch Menschen von Leitern fallen und sich dabei schwer verletzen. Keine Leitern, keine Stürze — so simpel ist die Gleichung. Wer sich also bereit erklärt, auf Leitern zu verzichten, sammelt bei der Vergabe mehr Punkte.
Noch weiter geht die Berufung eines externen Sicherheitsbeauftragten. Dieser darf nicht mit dem Architekten, der Baufirma, dem Handwerker oder dem Auftraggeber assoziiert sein und begleitet das Bauprojekt laufend. Ein externer Berater also, der sicher Geld kostet, aber auch einen unmittelbaren Nutzen verspricht. Ein weiteres Engagement, das bei der Ausschreibung mit Zusatzpunkten belohnt wird.
Ausblick
Doch nicht alle Ideen hinter dem Gesetz sind unumstritten. Der Gesetzgeber hofft, dass durch das Bestbieterprinzip mehr regionale Unternehmen zum Einsatz kommen. Stefan Prem glaubt nicht an diesen Lokalbonus für Handwerker. „Die Transportwege werden sich nur bedingt verkürzen lassen“, sagt der Spezialist für Infrastrukturprojekte. „Auch eine Firma von außerhalb sucht sich in der Regel Zulieferer aus der Region.“ In seinem Fall heißt das: Auch wenn das Planungsbüro von außerhalb ist, kommt der Asphalt von hier.
Und dann bleibt da eben noch die Frage, wie sich das Ganze auch bei Hochbauprojekten etabliert. Denn während Tiefbauer und Tiefbauplaner wie Stefan Prem schon erfolgreich mit dem neuen Verfahren arbeiten, geht es im Hochbau noch zögerlich voran. Auch Stefan Prem sagt daher: Abwarten, neu bewerten. Die gesetzlichen Voraussetzungen mögen da sein. In der Praxis muss sich das Bestbieterprinzip erst noch beweisen.