Schimmelpilz im Fensterfalz
Materialübergreifend resistentNoch immer ist Schimmelpilz im Fensterfalz einer der häufigsten Schadensfälle. Bis auf Holz-Aluminiumfenster sind alle Materialien betroffen. Alle vom Sachverständigen Jürgen Sieber registrierten Häuser waren in Niedrig-Energiebauweise erstellt, Der Schimmelpilz wurde verstärkt auf der Leeseite und bei offener Bauweise in den oberen Geschossen festgestellt. Sie waren mit Fußbodenheizung ausgestattet und verfügten über keine Lüftungsanlagen. Passiv-Häuser waren nicht unter den bekannten Fällen.
Jürgen Sieber beschäftigt sich als Sachverständiger im Glaserhandwerk und selbständiger Glasermeister mit dem Schimmelpilz im Fensterfalz. Seine Recherche ergab: Das Phänomen tritt ausschließlich in Niedrigenergiehäusern auf, bei denen noch dazu der Blower-Door-Test sehr gut bestanden wurde. „Je besser dieser Test ausfiel, desto stärker waren die Kondensat-Ausfälle im Fensterfalz, unabhängig von der Höhe der Raumluftfeuchtigkeit.“ Sein Resümee: Ursache für den Schimmelpilz ist ein Überdruck im Haus, der sich aufbaut, weil ein Dampfdruckausgleich fehlt. Für diese These spricht, dass bei offener Geschossbauweise die Schadensfälle verstärkt in den oberen Geschossen zu finden waren und auf der windabgewandten Seite (Lee). „Der Schimmelpilz lag meist vor der Mitteldichtung. Im Bereich der Mitteldichtung war er wie mit dem Messer abgeschnitten“, berichtet Sieber.
Ursachen für den Schimmelpilz
Für das Phänomen Überdruck lassen sich folgende Ursachen feststellen: Eine dichte Gebäudehülle, mehr Feuchtigkeit innerhalb der Hülle als außerhalb sowie ein Temperaturgefälle von innen nach außen. Untersuchungen der Universität Graz bestätigen einen Überdruck in den oberen Etagen von dichten Häusern von mehr als 25 Pascal. Dieser führt bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 35% zu einer Anreicherung von Feuchtigkeit in den Fälzen.
Einfaches Lüften der Wohnung im Erdgeschoss ist keine Lösung, weil es keinen Einfluss auf den Luftdruck in den oberen Geschossen hat. Sieber erinnert an das sogenannte Seelenloch, das nach alter Bautradition zum Dampfdruckausgleich im Dachfirst seinen Platz hatte. Eine weitere Überlegung gilt den Sog-Kräften am Fenster, die bei Häusern abhängig sind von der Form, dem Gelände und der Windkategorie. Zur Orientierung: Bei 20 km/h ergibt sich eine Soglast von 20 Pascal.
Schimmel bei normativer Undichtigkeit
Am Beispiel eines Fensters der Klasse 3 nach DIN EN 12207, das bei 10 Pascal eine Referenzluftdurchlässigkeit von 0,474 m³ x (Std. x m² Fensterfläche) misst, ergibt sich bei den Fenstermaßen 1230 x 1480 mm ein Luftdurchlass/Tag von 20,7 m³ = 1,82 m² Fensterfläche x 0,474 m³ x 24 Std.
20,7 m³ Luftdurchlass/Tag x 1,0 Gramm Wasser ≈ 20 ml Wasser pro Tag im Fensterfalz bei 10 Pascal Überdruck (ca. ein Schnapsglas)
Sieber kommt also zu dem Ergebnis: „Aufgrund der normativ erlaubten Undichtigkeiten wird die Feuchtigkeit in sämtliche offene Fälze gepresst.“
Höhere Dichtigkeit, stärkerer Schimmel
Mit Verschärfung der EnEV haben sich die U-Werte der Fenster deutlich verbessert, die Dichtigkeit der Häuser wurde optimiert. Schimmelpilz wird immer häufiger hinter der Verglasungsdichtung festgestellt. „Durch den inneren Überdruck dringt Raumluft in den Rahmenfalz und letztlich bis in den Glasfalz“, informiert Sieber. Eine Fußbodenheizung erweist sich als nachteilig, insofern die Fensterkonstruktion kälter und dadurch anfälliger für Kondensat und Schimmelpilz ist. Ein Heizkörper unter dem Fenstersims bringt hingegen Wärme in die Fensterkonstruktion.
Lösung Lüftungssystem
Sieber hat die Erfahrung gemacht, dass der Fensterfalzlüfter keine Lösung ist, um Schimmelpilz zu verhindern. Im Gegenteil, dieser führt nach Information des Sachverständigen zu einer Anhäufung der Feuchtigkeit im Falz. Wasserblasen können sich unter der äußeren Lackschicht bilden. Der Experte für den Glasbau schlägt deshalb den Einbau eines leistungsfähigen Lüftungssystems nach DIN 1946-6 vor. Fensterbauer sollten Planer auf diesen Sachstand zum Thema Schimmelpilz am Fensterrahmen aufmerksam machen.⇥ma