BFM & Corona
Berufliche Weiterbildung aus der FerneAm Bundesfachzentrum Metall + Technik im niedersächsischen Northeim herrscht seit einem Jahr Ausnahmezustand. Covid19 hat die überbetriebliche Bildungseinrichtung fest im Schwitzkasten – doch der Unterricht muss weitergehen. Gut, dass man in Northeim schon Erfahrungen mit Distanzunterricht gesammelt hatte – aus einem völlig anderen Anlass.
Überrascht war Diether Hils nicht. „Es war klar, was passieren würde“, sagt der Geschäftsführer des Bundesfachzentrums Metall + Technik (BFM). Als im März 2020 die Corona-Pandemie so sehr in Deutschland ankommt, dass die Republik in den Lockdown gehen muss, geht es auch am BFM in Northeim nicht weiter. „Wir waren vorbereitet“, sagt Hils.
Das BFM ist ein Fachzentrum im Bildungswerk Metall und bietet bundesweit Aus- und Weiterbildungsprogramme für Fach- und Führungskräfte oder solche an, die es werden sollen. Darüber hinaus engagiert sich das BFM im Bereich der Nachwuchssicherung und unterstützt technisch orientierte Betriebe der Region Südniedersachsen. Zwei Dutzend Weiterbildungsprogramme werden jedes Jahr angeboten, etwa 150 Absolventen gibt es. Diese kommen zum Teil aus der Region aber auch aus ganz Deutschland. Und sogar aus Spanien, doch dazu später mehr.
Der Lockdown: ein Tag wie die Mondlandung
Der 17. März 2020 wird wohl ein Tag in der Geschichte werden wie die Mondlandung, Boris Beckers erster Wimbledonsieg oder der Fall der Mauer. Auch in ein paar Jahren wird sich jeder erinnern, wo er oder sie war, als der erste Corona-Lockdown kam. Als man merkte, dass die Pandemie nicht ein Problem von einem anderen Kontinent oder aus einem anderen Land, einer anderen Region in Deutschland war, sondern dass sie jetzt hier ist. Doch während viele im Moment dieser Nachricht erstmal zu Hause im Sessel versanken oder am Küchentisch die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, war Diether Hils schon im Krisenmodus. „Wir mussten runterfahren“, sagt er. Runterfahren heißt in seinem Fall: Die Menschen aus dem BFM abzuziehen und zu Hause an die Rechner zu setzen, damit der Online-Unterricht ab dem nächsten Montag weitergehen würde. Rund 100 Schüler und Schülerinnen – Fachkräfte aus ganz Deutschland – nehmen zu dieser Zeit ein Weiterbildungsangebot des BFM wahr. Sie machen etwa ihren Abi-Meister nach dem Northeimer Modell, lernen so in drei Jahren nicht nur das Handwerk, sondern werden auf Führungsaufgaben in ihren Unternehmen vorbereitet. Andere machen den Betriebswirt, lassen sich in CNC-Technik, Elektropneumatik, Hydraulik, Schweißtechnik oder als Fachbauleiter weiterbilden. Wer seinen Abschluss aus Northeim in der Tasche hat, der ist wer. Die Akademie hat in der Branche einen guten Ruf. Stillstand kann man sich darum nicht leisten. Hils ist klar: Es muss weitergehen.
Distanzunterricht kannte man am BFM
Klar ist aber auch: Die zwölf festen Mitarbeiter und die rund 100 jungen Männer und Frauen können am folgenden Montag nicht zurück ins Haus. „Zum Wochenbeginn haben wir komplett auf Online-Unterricht umgestellt.“ Das funktioniert, weil das BFM damit Erfahrung hat. Über das EU-Programm MobiPro wurden in der Vergangenheit nämlich bereits junge Menschen aus Spanien per Distanzunterricht geschult. MobiPro soll die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. In Spanien ist die auch infolge der Weltwirtschaftskrise 2009 – als Teile der Finanzwirtschaft kollabierten – besonders hoch. Doch die Spanier, die zum Beispiel das Metallbauhandwerk am BFM lernen, kommen nicht alle physisch nach Northeim. Sie machten ihre praktische Ausbildung in Betrieben in ganz Deutschland und beziehen ihre Theorie aus dem Internet – gesendet vom BFM in Northeim.
„Die Infrastruktur war also da“, sagt Hils. Das Gespräch mit ihm findet natürlich per Computer-Schalte statt. Während des Interviews sitzt er in Essen, wo er im Bundesverband Metall den Bereich Berufsbildung leitet. Die Geschäftsführung des BFM ist quasi sein Zweitjob. Auch jetzt – Ende Januar – kann Hils nicht wie er will in die Akademie. Abstimmung mit den Kollegen vor Ort, Austausch mit Unternehmern, Absprache mit Referenten – alles läuft über den Computer. „Bis Juni waren wir im Lockdown“, erinnert Hils sich. „Dann sah es aus, als ob es besser würde.“ Doch mit der zweiten Corona-Welle Ende 2020 wird auch der Betrieb im BFM wieder, so gut es geht, reduziert.
Jetzt gibt es nur noch Einbahnstraßen
Doch auch als noch Menschen an der Akademie unterrichtet werden durften, war vieles anders. Im ganzen Gebäude gibt es nur noch Einbahnstraßen. „Ein Notausgang wurde zum zweiten Ausgang umfunktioniert“, damit man sich nicht entgegen kommt. Man kann zwar hintereinander laufen, aber nicht aufeinander zu. In der Kantine gibt es nur noch Mahlzeiten, die man auch mitnehmen kann. Also keine Suppe mehr.
Keiner hat auf die Uhr geschaut
„Für die Schüler ist es eine Umstellung, klar. Aber für die Mitarbeiter ist es eine enorme Belastung“, sagt Hils und betont noch mal, wie er stolz auf die Kollegen vor Ort sei. „Alle haben mitgezogen, keiner hat auf die Uhr geschaut, ob schon Feierabend ist.“
Die Erfahrungen mit dem MobiPro-Förderprogramm und den Spaniern helfen auch den Referenten. „Alle sind schon geschult“, sagt Hils. An deutschen Gymnasien gebe es Fachlehrer, die den Unterschied zwischen einem PDF- und einem Word-Dokument nicht kennen. Am BFM Northeim sind im März 2020 alle Digital-Experten geübt im Umgang mit dem virtuellen Klassenzimmer. Natürlich ist es auch etwas anderes, ob man einen Berufsschüler, viele davon mit einem Führungsanspruch in ihren Unternehmen, vor dem Computer sitzen hat oder einen Fünftklässler.
Aber natürlich ist Hils nun vor allem eins: ungeduldig. Er will endlich wieder Menschen auf den Fluren haben, will gefüllte Klassenzimmer und Werkstätten. Er will, dass es endlich wieder Suppe gibt.
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