Sieghard Thomas, Carl Cloos
„Laserschweißen wird stärker nachgefragt.“Carl Cloos Schweißtechnik hat im Mai mit einer Festwoche das 100-jährige Firmenjubiläum gefeiert. Im Interview mit Geschäftsführer Sieghard Thomas haben wir über entscheidende schweißtechnische Entwicklungen der vergangenen 50 Jahre gesprochen.
metallbau: Herr Thomas, 100 Jahre Schweißtechnik ist eine lange, lange Zeit. Soweit möchte ich in diesem Gespräch gar nicht ausholen! Was war denn die entscheidende schweißtechnische Entwicklung vor etwa 50 Jahren?
Sieghard Thomas: Vor 50 Jahren hat Cloos das erste Schweißgerät mit Impulslichtbogen entwickelt. Dies ermöglichte erstmals eine optimale Steuerung des Lichtbogens. Der Einzug der Elektronik in der Schweißtechnik war eine wichtige Voraussetzung für die Automatisierung. Ende der 70er-Jahre setzte unser Unternehmen als einer der ersten Stromquellenhersteller Roboter zum automatisierten Schweißen ein. Seit Anfang der 80er- Jahre entwickeln und fertigen wir eigene Industrieroboter. Mit dem Siegeszug des Roboterschweißens wird bereits zu dieser Zeit das Fundament für die vierte industrielle Revolution gelegt. Auch die Prozesstechnik hat sich in den letzten Jahrzehnten rapide entwickelt. 1996 präsentierte Cloos erstmals das Tandemschweißen, eine Weiterentwicklung des Doppeldrahtverfahrens. Bis heute sind wir darin Weltmarktführer. Anfang des neuen Jahrtausends haben wir das Laserschweißen zur Marktreife gebracht. Neue, innovative Schweißprozesse verbessern sowohl die Qualität als auch die Produktivität der Fertigung. Nicht zuletzt steigt weltweit die Nachfrage nach hochautomatisierten und intelligenten Robotersystemen, bei denen die einzelnen Komponenten einer Schweißanlage und übergeordnete Systeme vernetzt sind. Deshalb setzen wir bei der Produktentwicklung verstärkt auf die Digitalisierung.
metallbau: Welche technologischen Neuerungen haben Ihre Vorstellungskraft des technisch Möglichen überstiegen?
Thomas: Ich begleite Cloos mittlerweile 45 Jahre lang in verschiedenen Funktionen. Es ist faszinierend, welche riesigen Datenmengen inzwischen übertragen werden können. Heute reden wir von Terrabytes, das war damals nicht vorstellbar. Ende der 1970er-Jahre gab es in Schweißstromquellen noch gar keine Software. Erst Anfang der 1980er Jahre hielten die ersten Kleincomputer Einzug. Heute ist Software eine der wichtigsten Komponenten bei der Entwicklung von neuen Schweißstromquellen. Zudem sind die Entwicklungen im Bereich Roboterschweißen beeindruckend. Nach meiner Ausbildung als Energiegeräte-Elektroniker gehörte ich zu den ersten Mitarbeitern in der Roboterabteilung. Ende der 1980er-Jahre war ich maßgeblich an der Gestaltung einer benutzerfreundlichen Bedienoberfläche für Schweißroboter beteiligt. Die vollständige Integration von Technologiedaten in die Bedienoberfläche für Robotersteuerungen war ein bedeutender Meilenstein für das einfache und sichere Programmieren von Schweißrobotern. Die Bedeutung dieses technischen Fortschritts haben wir erst viel später erkannt. Auch im Bereich manuelles Schweißen hat sich die Bedienbarkeit von Schweißstromquellen kontinuierlich verbessert.
metallbau: Welche für den Metallbau entscheidenden Entwicklungen gibt es für die Verfahren WIG und MIG/MAG?
Thomas: Bei uns sind in den letzten Jahren eine so große Zahl an neuen, innovativen Schweißprozessen entstanden wie zuvor in 30 Jahren nicht. Egal ob dick oder dünn, ob Aluminium oder Stahl – es findet sich für jede Produktanforderung der richtige Schweißprozess. Spezielle Hochleistungs-Schweißprozesse wie Rapid Weld oder Rapid Pulse Weld erlauben das Durchschweißen von 8-mm-Blechstärken und eine 100-prozentige Wurzelerfassung. Gerade im Metall- und Stahlbau kommen solche Anforderungen sehr häufig vor.
metallbau: Welchen Stellenwert hat das Laserschweißen?
Thomas: Als Zukunftstechnologie ersetzt der Laserstrahl zunehmend den elektrischen Lichtbogen. Der Laser bietet Vorteile bei Geschwindigkeit, Wartung und Toleranz. Weil er immer günstiger wird und die Möglichkeiten steigen, den Laserstrahl für Schweißprozesse zu optimieren, eröffnen sich laufend neue Anwendungsfelder. So lassen sich im Bereich Wärmeleitschweißen zum Beispiel sehr präzise Sichtnähte herstellen, was speziell für den Fassadenbau relevant ist. Das Laser-Hybrid-Schweißen eignet sich überall dort, wo höchste Anforderungen an die Schweißnahtqualität und minimaler Verzug gefragt sind. Insgesamt hat Cloos im letzten Jahr einen erheblichen Zuwachs beim Laserschweißen verzeichnet.
metallbau: Welche Schweißtechnik findet im Metall- und Stahlbau gehäuft Absatz? Lassen sich für die vergangenen fünf Jahre signifikante Änderungen hinsichtlich der Nachfrage feststellen?
Thomas: Im Metall- und Stahlbau sind robuste Schweißanlagen gefragt, die rund um die Uhr im Einsatz sein müssen. Gleichzeitig müssen sie über eine große Prozessvielfalt und eine komfortable, intuitive Bedienung verfügen. Die Job- und WPS-Verwaltung mit Blick auf die geltenden Normen und Regelwerke sind mittlerweile fast Standard. Der Facharbeitermangel, speziell im Schweißbereich, macht es erforderlich, dass einer Stromquelle ein gewisses Know-how mit auf den Weg gegeben werden muss, um den Anwender zu unterstützen. Die CLOOS-Schweißprozesse sind aufgrund ihrer Eigenschaften und der dahinter befindlichen Synergiekonzepte und Regelungsarten leicht und sicher anwendbar. Unsere umfangreiche Produktpalette für das manuelle und automatisierte Schweißen bietet für jeden Anwendungsfall die richtige Lösung. Auch im Metall- und Stahlbau fragen unsere Kunden verstärkt Produkte zur Vernetzung ihrer Schweißfertigung an. So bietet unsere QINEO-Data-Manager-Software (QDM) die Möglichkeit, mehrere Schweißstromquellen über eine Ethernet-Schnittstelle zu bedienen oder gar zu überwachen. Durch die zentrale Datensteuerung stehen Jobs, Kennlinien- und Konfigurationsdaten sowie die WPS-Verwaltung und -Erstellung jederzeit zur Verfügung. Insgesamt ist im Metall- und Stahlbau ein Trend in Richtung Automatisierung und Digitalisierung zu erkennen.
metallbau: Welche schweißtechnischen Themen brennen aktuell den Betrieben unter den Nägeln, was meldet Ihr Support?
Thomas: Wie in anderen Branchen beschäftigen sich unsere Kunden im Metall- und Stahlbau ebenso mit den Themen Produktivitätssteigerung und Flexibilisierung von Fertigungsprozessen. Gefragt sind Lösungen, bei denen auch kleine Losgrößen automatisiert geschweißt werden. Dabei werden Software und Sensorik immer wichtiger. Die Nachfrage nach unserer Offline-Programmiersoftware RoboPlan ist ungebrochen. Mit RoboPlan kann ein neues Programm erstellt werden, während in der Roboteranlage die Produktion läuft. Zudem bieten wir einen neuen 3D-Scanner, mit dem die Schweißnähte eines Bauteils visualisiert und Schweißprogramme vollautomatisch generiert werden. Die zunehmende Digitalisierung beschleunigt Fertigungsprozesse im Schweißbereich enorm.
metallbau: Wie ist eine moderne Schweißabteilung eines Treppenbauers mit ca. 25 Mitarbeitern heute ausgestattet?
Thomas: Ohne Automatisierung kommt eine moderne Schweißabteilung heute kaum mehr aus. Unsere kompakten Roboterzellen sind insbesondere gefragt, um kleine Stückzahlen flexibel automatisiert zu schweißen. Sie benötigen wenig Platz und lassen sich einfach in jede Fertigung integrieren. Von der Sensorik bis zur Steuerung bildet jede Kompaktzelle eine maßgeschneiderte Einheit mit perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten. Im Handschweißbereich haben wir kürzlich die neue QINEO NexT vorgestellt. Diese Premium-Schweißstromquelle zum manuellen Schweißen deckt die komplette Bandbreite der Prozesstechnologie ab. Dabei profitieren unsere Kunden insbesondere von den ausgezeichneten Lichtbogeneigenschaften, den flexiblen Einsatzmöglichkeiten und der Wartungsfreundlichkeit.
metallbau: Wie schaut die moderne Schweißabteilung eines 10-Mann-Betriebs mit klassischem Metallbauportfolio — Fenster, Türen, Fassaden, Geländer — aus?
Thomas: Es wird zunehmend schwieriger, qualifizierte Handschweißer zu bekommen. Dies bringt zusätzliche Impulse, das Schweißen zu automatisieren. Für die Entscheidung zur Automatisierung kommt es auf die individuellen Aufgabenstellungen an. In unserem Kundenkreis gibt es durchaus Kleinstbetriebe, die kompakte QIROX-Roboterzellen zum Schweißen unterschiedlicher Bauteile nutzen. Nicht alle Schweißaufgaben können durch das automatisierte Schweißen ersetzt werden, Roboter können einen Großteil der Schweißaufgaben abdecken. So wird immer häufiger versucht, auch Kleinstlosgrößen bis hin zu Losgröße 1 mit dem Roboter zu schweißen.
metallbau: Auf welche neuen Schweißtechnologien sollten kleine 10-Mann-Metall- oder Stahlbaubetriebe nicht verzichten?
Thomas: Auch kleinere Metallbaubetriebe profitieren von der zunehmenden Digitalisierung. Das neue Cloos-Gateway C-Gate ermöglicht zum Beispiel eine anwenderspezifische Darstellung, Analyse und Weiterverarbeitung von Betriebs- und Schweißprozessdaten. Das neue System besteht aus der anlagennahen Hardware und verschiedenen Softwaremodulen. Mit dem Modul Produktion können Anwender die Performance und Wirtschaftlichkeit ihrer Roboteranlagen darstellen, Engpässe lokalisieren und die Effizienz steigern. Das Modul ermöglicht ein umfassendes Online-Monitoring der Roboteranlagen mit einem detaillierten Reporting zu Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. So werden etwaige Schwachstellen im Produktionsablauf frühzeitig erkannt. Darüber hinaus reduzieren sich Anlagenausfälle oder Wartezeiten durch Rüsten und Einrichten sowie sonstige Leerlaufphasen deutlich. Ab Ende des Jahres können auch unsere Schweißstromquellen mit dem C-Gate vernetzt werden.
metallbau: Inwiefern hat sich die Wartung und Reparatur an Schweißgeräten in den vergangenen fünf Jahren vereinfacht?
Thomas: Im Bereich Wartung, Reparatur und After-Sales-Service bietet Digitalisierung enormes Potential. Servicetechniker können über die Team-Viewer-Funktion von Haiger aus direkt mit unseren Kunden vor Ort kommunizieren. Etwaige Schwierigkeiten können so meist schnell und einfach gelöst werden.