Interview

Treppenexperte Prof. Robert Kanz

Widersprüche & Lösungen

Prof. Dr. Robert Kanz lehrt und forscht als Professor für Baustatik und Treppenbau an der Hochschule RheinMain und ist Mitglied im Normenausschuss der DIN 18065. Wir haben ihn zu den Änderungen der Norm befragt.

metallbau: Herr Prof. Kanz, die Treppen-Norm, die DIN 18065, wurde kürzlich überarbeitet. Was hat sich geändert?

Robert Kanz: Es gibt eine neue Version mit Stand August 2020. In erster Linie wurden redaktionelle Änderungen vorgenommen und damit der Versuch, Dinge klarzustellen, die immer wieder über- oder falschgelesen wurden. Im Vorwort wurden u.a. die spezifischen Hinweise auf die Musterbauordnung gestrichen. Im Punkt Anwendungsbereich wurde beispielsweise aus dem Begriff „einschiebbare Treppen“ „Bodentreppen“. An mehreren Stellen wurden Textpassagen, die in der DIN 18065 :2015-03 zur Erläuterung dienen sollten, gestrichen. Der „Treppenhandlauf“ hieß früher „angebracht am Treppengeländer und/oder an der Wand“. Jetzt heißt das nur noch „griffsicheres Bauteil als Gehhilfe“. Im Abschnitt 8 wurde eine Textpassage zur Erläuterung der Ermittlung des Gehbereichs gestrichen, im Anhang A wurden die Abbildungen noch besser mit dem Text verknüpft. Damit soll die DIN noch mehr als Vorschrift und weniger als Erläuterung formuliert werden. Inwieweit diese redaktionellen Veränderungen Auswirkungen auf die Ausführungspraxis haben, werden wir sehen.

metallbau: In welchen Fällen treten die DIN 18065 und die Landesbauordnungen in Widerspruch?

Kanz: Die DIN 18065 regelt die sichere Begehung von Treppen, ist aber für Ein- und Zweifamilienhäuser bauaufsichtlich nicht eingeführt. Das birgt Konfliktpotenzial. Einerseits bildet sie den Stand der Technik ab und führt dazu, dass die Treppen sicher zu begehen sind. Andererseits verleitet es einige dazu, von dieser offensichtlich sinnvollen Vorgabe abzuweichen. Da diese Regelung aber aus Gründen der Gestaltungsfreiheit von einigen Baubeteiligten unbedingt gewünscht ist, wird sich an der manchmal missverstandenen Regelung bis auf Weiteres nichts ändern.

metallbau: Sie nehmen hier Bezug auf geländerlose Treppen?

Kanz: Genau. Jede Bauordnung regelt diesen Punkt anders, und in manchen steht geschrieben, wann etwa eine Umwehrung vorzusehen ist, wie sie aussehen und in welcher Höhe sie verlaufen muss. Wollte man aber eine einzige Regelung durchsetzen, würden viele wahrscheinlich sagen, sie sei zu starr. Ein Treppenbauer weist seine Kunden darauf hin, wenn etwas nicht zulässig ist. Im Raum steht allerdings die Frage, was passiert, wenn das Haus mit der geländerlosen Treppe nach fünf Jahren verkauft wird. Damit muss man rechnen. Es gibt Gerichte, die urteilen, dass man sich als Fachperson von einem Laien, also in dem Fall dem Kunden, nicht von der Haftungspflicht freisprechen lassen kann. Wenn ich als Treppenbauer aber mit einem Bauträger agiere, kann ich davon ausgehen, dass dieser kein Laie ist. In solchen Fällen wird zum Teil über Dinge gestritten, die einfach nur fehlerhaft oder nicht gut sind.

metallbau: Aber solche Streitigkeiten sind doch die Ausnahme!

Kanz: Ja. Wenn gestritten wird, dann in fünf bis maximal zehn Prozent der Fälle. Meistens ist da schiere Boshaftigkeit im Spiel, entweder von Seiten des Treppenbauers, der einen erkennbaren Pfusch vertuschen will, oder auf der Seite des Kunden, der sich irgendwie aus der Zahlungsverpflichtung rauswinden möchte. In ganz vielen Fällen haben wir ein vernünftiges, gemeinschaftliches Miteinander; die Firmen liefern gute Arbeit ab, und die Kunden sind in aller Regel zufrieden. Bei Leuten, die den Streit suchen, gibt es keine Lösung. Es gibt aber auch keine absolut wasserdichte Vorschrift. Ganz allgemein ist noch darauf hinzuweisen, dass die in früheren Jahren geltende Bauregelliste inzwischen durch die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV-TB ersetzt wurde. Bevor man sich auf langwierige Gerichtsverfahren einlässt, sollten mögliche Prozessbeteiligte und Gutachter die gesetzlichen Grundlagen wirklich kennen. Vielleicht können so überflüssige Verfahren zukünftig vermieden werden.

metallbau: Welche Vorschriften gelten beim Brandschutz für Treppen im privaten Wohnungsbau?

Kanz: Treppen in Zweifamilienhäusern und Wohnungen innerhalb von Gebäuden, also in den Gebäudeklassen 1 und 2, müssen keine F30-Anforderungen erfüllen. Die Gebäudeklasse 3 hält für den Metallbauer einen interessanten Aspekt bereit. Hier gelten nämlich zwei unterschiedliche Anforderungen. Die eine besagt, dass die Treppe aus nicht brennbaren Baustoffen der Klasse A1 gebaut sein muss. Theoretisch würde eine Stahltreppe also die Bauordnung erfüllen. Alternativ ist ein Nachweis F30 zu erbringen. Das ist insofern absurd, als eine unverkleidete Stahltreppe die Anforderung F30 nicht erfüllt! Im Realbrandfall wäre die Treppe demnach nicht 30 Minuten lang nutzbar.

metallbau: Wie löst man das Problem?

Kanz: Indem man die Wangen verkleidet oder anstreicht und als Trittstufe ein anderes Material einsetzt oder das Treppenhaus mit einer Sprinkleranlage ausrüstet. Eine Trittstufe ist über den Brandschutzanstrich nämlich mechanisch dauerhaft nicht sicher, weil dieser durch die Nutzung als Trittstufe abgetragen werden würde.

metallbau: Verraten Sie noch bitte eins: Wie kann man leichte Treppen, die Stahltreppen ja sind, schallschutztechnisch entkoppeln?

Kanz: Man kann leichte Treppen relativ gut entkoppeln. Es ist nur ein bisschen aufwändig. Der Trick ist, sie auf oder in Elastomer zu lagern. Das lässt sich durch frühzeitige Planung, die Einbeziehung eines Bauakustikers und mit einem gewissen Budget durchaus umsetzen. Allerdings besteht die planerische Herausforderung darin, dass zwei sich widersprechende Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind: Um den Schallschutz zu erfüllen, ist die Treppe relativ weich zu lagern. Eine weiche Lagerung drückt sich aber unter den normativ vorgegebenen Bruchlasten zu stark zusammen und kann unter Umständen nicht für die im Nachweis der Standsicherheit notwendigen Bruchlasten nachgewiesen werden. Für eine praxisnahe Herangehensweise wäre zu überlegen, ob nicht bei schallübertragungstechnisch optimierten Bauteilen die Anforderungen des Bruchsicherheitsnachweises modifiziert werden könnten.

metallbau: Für welche Bauaufgaben empfehlen Sie diese Lösung?

Kanz: Eine Elastomerlösung bietet sich zum Beispiel für den sehr hochwertigen Wohnungsbau an. Aber auch in Reihenhäusern, die auf einer zweischaligen Bauweise basieren, ist sie vom Aufwand her vertretbar und durchaus sinnvoll.

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