Turmbau mit HiCAD
Stahlbau Nägele baut „Himmelsglück“In neun Monaten entstand mithilfe des mehrfach zertifizierten Ausbildungsbetriebs Stahlbau Nägele in Eislingen und dank finanzieller Unterstützung aus dem Tourismusinfrastrukturprogramm des Landes Baden-Württemberg der höchste Aussichtsturm Deutschlands: das „Himmelsglück“ in Schömberg, Region Nordschwarzwald.
Die auf tragfähigem Stahlbeton ruhende Touristenattraktion, auf deren Grundriss radial 12 witterungsbeständige Lärchenholzstützen angeordnet sind, besitzt vier Besucherplattformen auf 20, 30, 45 sowie 55 Metern Höhe und ist zudem mit einer Fly-Line und einer Flying-Fox- Anlage ausgestattet. Barrierefreiheit ist im Turminneren durch einen Panorama-Aufzug gegeben, dessen Größe sogar die Beförderung einer Krankentrage mit zwei Sanitätern zulässt. Wer zu Fuß nach ganz oben will, muss insgesamt 300 Treppenstufen nehmen, bei Verschnaufpausen können sich Besucher am Staketengeländer festhalten.
„Um die 120 Tonnen feuerverzinkter Stahl wurde verbaut“, so Matthias Greiner, Technischer Leiter von Stahlbau Nägele. Laut Bauprotokoll des Dienstleisters haben sämtliche Stahlteile des Millionenprojekts eine Feuerverzinkung nach DIN EN ISO 1461 mit einer Mindestschichtdecke von 70 µm erhalten, auch die begehbaren, engmaschigen Gitterrostkonstruktionen der Treppenstufen, Podeste und Zwischenplattformen. „Die Maschen-Nennweite beträgt 30 x 10 mm, wobei die Querstäbe rutschhemmend sind. Sämtliche Treppenstufen erhielten außerdem eine Sicherheitsantrittskante“, erklärt der Diplomingenieur.
Der Ausflugsturm entspricht höchsten Sicherheitsstandards, wie sich aus weiteren Details des Bauprotokolls entnehmen lässt: Die Aussteifung der Holzstützen beispielsweise, die über ein Verbandsystem aus umlaufenden Stahlrohrringen mit diagonalen Zugstabsystemen verläuft. „Bei 10 Tonnen Zug, die auf die diagonalen Spannstangen wirken, ist es umso wichtiger, dass Verbindungselemente wie Bolzen und Schrauben eine lebenslange Haltedauer besitzen bzw. das Bauwerk so ausgelegt ist, dass einzelne Stützen während des Betriebs ausgetauscht werden können“, so Matthias Greiner.
Profilverlegung mit HiCAD
Das CAD-System der Dortmunder ISD Group hat die Ausführung des Projekts „Himmelsglück“ erleichtert. „Mit HiCAD lassen sich sowohl individuelle als auch branchenspezifische Konstruktionen sehr einfach umsetzen“, sagt Greiner. Seit dem Jahr 2006 setzt er das CAD-System der ISD Group für das breitgefächerte Leistungsportfolio des Stahlbaubetriebs ein.
„Die Möglichkeit − ohne große Abhängigkeiten zueinander − Profile zu platzieren und damit sämtliche Verstrebungen frei im Raum zu positionieren, war auch bei diesem Projekt sehr hilfreich. Außerdem ließen sich Fehler vermeiden, indem wir Teile in verschiedenen Schnitten und Ansichten bearbeiten und geometrische Abhängigkeiten gut erkennen konnten. Änderungskonstruktionen ließen sich durch Referenzierung einzelner Profile bis zur Referenzierung ganzer Baugruppen unkompliziert bewerkstelligen.“ Die 2D/3D-Durchgängigkeit von HiCAD habe bei der Konstruktion eine erhebliche Rolle gespielt: „So konnten auf einfache Weise Statik- bzw. Architektendetails mit der 3D-Ausführungsplanung ergänzt werden − inklusive Beschriftungen und allgemeinerer Details.“
Mit dem Normteileditor der CAD-Lösung sei es möglich gewesen, Befestigungsdetails individuell zu konfigurieren und somit beispielsweise die Strahlenträger mit hoher Passgenauigkeit zu konstruieren. „Zur Änderung eines Normteils reichte ein Klick mit der Maus, und alle Bearbeitungsmöglichkeiten waren direkt zugänglich sowie alle technologischen Daten wie Gewicht, Länge und Fläche jederzeit abrufbar“, so Matthias Greiner.
Zeitersparnis durch transparente Konstruktion
„Für die Erstellung von Fertigungsunterlagen wie Werkstattzeichnungen, Stückliste, NC-Daten etc. spielt die Automatisierung eine sehr große Rolle“, bestätigt der Ingenieur. „Bei der Planung des Aussichtsturms konnten Automatisierungen aber nur bedingt verwendet werden, da das Projekt höchst individuell war und keinem Standard entsprach. Die Fertigungsunterlagen konnten nach meiner Einschätzung zu 40-50 Prozent automatisch generiert werden, was bei der Komplexität dieses Projekts ein guter Wert ist.“ Unnötige Planungszeit sei definitiv durch die transparente Visualisierung des komplexen Gebildes samt seinen Teilplattformen eingespart worden: „Durch unterschiedliche 3D-Perspektiven konnten zu einem frühen Zeitpunkt Unstimmigkeiten erkannt und Fragen mit den beteiligten Parteien geklärt werden“, so Matthias Greiner.
BIM-taugliche IFC-Schnittstelle
Der Datenaustausch zwischen den Projektpartnern sei über die Open-BIM-taugliche IFC-Schnittstelle erfolgt und habe im gesamten Planungsprozess die lückenlose Informationsvergabe zwischen dem Architekten, dem Statiker und dem Bauherrn gewährleistet. „Dank der IFC-Struktur konnten wir die einzelnen Konstruktionselemente wie z.B. die Stützen einschließlich ihrer spezifischen Eigenschaften umfassend beschreiben, nach den Vorgaben aus Statik und Architektur abgleichen, in die Entwurfsplanung integrieren, diese wiederum mit den Projektbeteiligten abstimmen und dann umsetzen“, erklärt Matthias Greiner. „HiCAD liest das IFC-Modell aus der CAD-Software des Architekten ein, nutzt es als Referenz und wandelt Bauteile in HiCAD-Bauteile um, welche dann weiterbearbeitet werden können.“ Auf die Frage, ob Projekte wie der Aussichtsturm in Schömberg ohne BIM-taugliche CAD-Software realisiert werden können, antwortet der Konstruktionsleiter mit klarem Nein.