Vier Obermeister im Ehrenamt
Viele Dinge sind konkret umsetzbarDie Mitgliedschaft in einer Innung ist zwar freiwillig im Gegensatz zur Mitgliedspflicht in der Handwerkskammer. Aber nur hier, vor Ort und regional verwurzelt, sind viele Dinge konkret umsetzbar. Eine Innung lebt vom Netzwerkgedanken und dem Engagement jedes Einzelnen. Was treibt also einen vielbeschäftigten Unternehmer an, sich als Obermeister in einer Innung zu engagieren? Wir haben vier Obermeister befragt.
Henryk Ott (57), Inhaber von Metallbau Ott in Bad Doberan, beschäftigt 40 Mitarbeiter und neun Azubis. Ott ist Obermeister der Innung Metallverarbeitendes Handwerk Rostock-Bad Doberan.
„1994 habe ich den Betrieb von meinem Vater übernommen und wurde 2006 zum Obermeister unserer Innung gewählt. Da war ich 44 Jahre alt. Mein Vorgänger wollte das nicht mehr machen, weil er einen kleineren Betrieb hat. Er hat mich angesprochen, ob ich Interesse hätte. Und es gab auch gar keinen Gegenkandidaten. Eine Wahlperiode dauert fünf Jahre, ich bin also schon zum dritten Mal gewählt worden. In der Innung schätze ich sehr den Erfahrungsaustausch unter den Kollegen. Das ist die einzige Plattform, wo man das so hinbekommt. Deshalb habe ich noch ein Metallerfrühstück eingeführt. Wir treffen uns alle zwei Monate am Donnerstagmorgen in einer Rostocker Gaststätte. In den zwei Stunden geht es oft gar nicht um Metallbau, sondern um ganz lockere Themen. Es ist ein loses Zusammentreffen, eine Art Stammtisch, wo auch Projektleiter aus den Betrieben dazukommen.
Als Obermeister habe ich viele Aufgaben, die auch einigen zeitlichen Aufwand und Reisetätigkeit mit sich bringen. Ich werde hier vor allem von der Kreishandwerkerschaft unterstützt. Wir stimmen die Themen ab und organisieren Veranstaltungen, auch im Zusammenspiel mit der Handwerkskammer (HWK). Wir haben zwei Innungsversammlungen und zwei Vorstandssitzungen im Jahr. Manches betrifft nur die Obermeister, zum Beispiel die Landes- und Bundesobermeistertreffen, wo ich auch schon war. Aber das ist größerer Aufwand, das muss zeitlich passen. Manche Aufgaben habe ich abgegeben, zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Prüfungskommission der HWK. Das macht ein Geselle aus meinem Betrieb. Aber ich muss ein Auge darauf haben, denn am Ende leiste ich eine Unterschrift.
Die Mitgliedschaft in einer Innung finde ich ganz wichtig, hier bekommt man die fachlichen Informationen, die Gesetzesänderungen usw. Und im Baurecht ändert sich viel. Auch bei rechtlicher Beratung oder Personalproblemen hilft die Innung, neben dem Fachverband und der HWK. Der Netzwerkcharakter funktioniert aber nur, wenn man selbst aktiv ist. Schade ist, dass wir wenig junge Firmeninhaber haben, die sich für die Innung interessieren. Bei uns ist der Durchschnitt 50plus. Die jungen Leute sind aber auch in anderen Organisationen gering vertreten. Das ist also kein spezifisches Handwerksproblem, das sehe ich als gesellschaftliches Problem.“
Marie-Luise Keller (36), Inhaberin von Skornia Metallverarbeitung in Wächtersbach, beschäftigt 40 Mitarbeiter und 4 Azubis. Keller ist Obermeisterin der Metallinnung Gelnhausen-Schlüchtern.
„Im elterlichen Betrieb war ich anfangs als Industriekauffrau tätig. Aber mit ausschließlich kaufmännischen Kenntnissen kommt man schnell an die Grenzen, weil man viele technische Dinge nicht weiß. Wenn Kunden anriefen und nachfragten, könnt ihr dieses oder jenes Blech abkanten, drei Meter lang, in einem bestimmten Winkel, war meine Antwort immer ‚einen Moment, ich verbinde‘. Das war für mich irgendwann untragbar, ich wollte das selbst wissen und können. Deshalb habe ich eine Ausbildung zur Metallbauerin gemacht und den Meister draufgesetzt. Fertig war ich mit 25. Durch den frühen Tod unseres Vaters führen mein Bruder Manuel Skornia und ich das Unternehmen seit 2008 gemeinsam. Seit März 2016 bin ich Obermeisterin für ca. 50 Betriebe. Es gab keine anderen Bewerber, nachdem der amtierende Obermeister altersbedingt nach 15 Jahren nicht mehr zur Wahl stand. Dass ich eine Frau bin, macht das Amt weder leichter noch schwerer. Familie, Beruf und Ehrenamt sind vereinbar – man muss es nur wollen und ich spreche aus Erfahrung.
Die Innung ist ein Netzwerk, in dem man nicht nur Neuerungen erfahren, sondern auch Probleme besprechen kann. Probleme, die ein Innungskollege vielleicht schon einmal erfolgreich gelöst hat. Einzigartig in unserer Innung ist es, dass sehr wenig Konkurrenz herrscht, sondern eher ein Gemeinschaftsdenken mit gegenseitiger Hilfestellung. Hatten Sie schon einmal einen Maschinendefekt und einer Ihrer Innungskollegen fertigte Ihnen über das Wochenende Teile? Das ist Gemeinschaft, das treibt mich an. Als Obermeisterin konzentriere ich mich auf Themen, die die Mitglieder bewegen. Zum Beispiel gesetzliche Änderungen, neue technische Richtlinien, Gewinnung von Lehrlingen, Fachvorträge zum Feuerverzinken oder Eloxieren, DSGVO. Auch besteht eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft. Manchmal wünsche ich mir, dass zu bestimmten Veranstaltungen etwas mehr Leute kämen. Manche kann man so ganz schwer hinterm Ofen vorlocken. Und für viele junge Menschen besteht das soziale Netzwerk leider nur noch aus Facebook und Co. Ein richtiges Netzwerk spielt sich aber unter Menschen ab. Das Engagement der Jugend ist leider schon seit Jahren rückläufig und deshalb wird es in der Zukunft sicherlich nicht einfacher.“
Alexander Schröter (40), Betriebsleiter von Sülzle Stahl Ehrenfriedersdorf, beschäftigt 81 Mitarbeiter und zehn Azubis. Schröter ist Obermeister der Innung Schlosser-, Schmiede- und Maschinenbauerinnung Annaberg-Buchholz.
„Die Firmengruppe Sülzle hat in Deutschland und Frankreich 23 Niederlassungen. Der Betrieb im erzgebirgischen Ehrenfriedersdorf kam erst 2018 dazu. Wir sind auf Stahl- und Metallbaukonstruktionen spezialisiert, außerdem gibt es einen Stahlhandel zur Versorgung der regionalen Metallbaubetriebe und Schlossereien. Als Mischbetrieb sind wir sowohl bei der HWK als auch bei der IHK Mitglied. Für den Bereich Stahl- und Metallbau bin ich Betriebsleiter und deshalb auch als Angestellter befähigt, Obermeister zu sein. Dieses Ehrenamt habe ich im November 2018 übernommen, in der Innung sind 28 Betriebe. Unser Durchschnittsalter liegt bei etwa Mitte 50, der Älteste ist über 70 Jahre alt. Als Obermeister kann und möchte ich etwas bewegen, zum Beispiel die Traditionen und den Reichtum der handwerklichen Kunst ins Bewusstsein rücken. Was bedeutet es, Handwerker und nicht einfach nur Fließbandarbeiter zu sein? Dazu nutze ich auch gern die Ansprachen anlässlich von Freisprechungen oder anderen Feierlichkeiten.
Ich bin der Meinung, dass die jungen Menschen mehr Interesse am Innungsleben haben, als wir wahrnehmen. Viele 20- und 30-Jährige wissen aber nicht, was eine Innung ist. Vielleicht sollten Unternehmer auch mal Mitarbeiter oder die jeweiligen Spezialisten aus ihren Betrieben an den Innungsversammlungen oder Fachtagungen teilnehmen lassen. Ich denke, hier sollten wir uns mehr öffnen. An den Kosten kann es kaum liegen, denn die Veranstaltungen müssen sowieso bezahlt werden. In unserer Innung legen wir viel Wert auf Weiterbildung, da ist auch Bedarf da. Wir organisieren zum Beispiel Fahrten zu Anbietern moderner Werkzeuge, die für unsere Betriebe wichtig sind. Spezialthemen organisiert oft der Landesverband.
In unserer Innung wollen wir den Zusammenhalt noch intensiver pflegen. In der schönen Jahreszeit veranstalten wir unterdessen Grillabende, damit sich die Betriebe besser kennenlernen und austauschen. Das nimmt auch die Skepsis und oft den Konkurrenzgedanken. Nicht selten stellt sich im Gespräch heraus, dass man sich gegenseitig helfen oder sogar kooperieren kann.“
Metallbaumeister Klaus Fürst (50), Inhaber von Fürst Stahl- und Metallbau in Essingen, beschäftigt vier Mitarbeiter und drei Azubis. Fürst ist Obermeister der Innung Metallbau-Feinwerktechnik Ostalb.
„Im Jahr 2004 fusionierten vier eigenständige Innungen, die Schlosserinnungen und die Feinwerkinnungen Aalen und Schwäbisch Gmünd, zur Innung Metallbau-Feinwerktechnik Ostalb. Seit 2008 bin ich ihr Obermeister, zuvor war ich Kassenprüfer. Gewählt wird alle drei Jahre, doch in den letzten elf Jahren gab es keinen einzigen Gegenkandidaten. Aber wir sind zu siebt im Vorstand und es ist für mich ganz wichtig, dass ich das Ganze nicht allein mache. Es gibt zwei Stellvertreter und vier Vorstandsmitglieder, wir teilen uns die Aufgaben. Wir sind zum Beispiel auf Ausbildungsmessen vertreten, machen Öffentlichkeitsarbeit, gehen in Schulen zum Thema Berufsorientierung. Als Obermeister habe ich sehr viele repräsentative Aufgaben, außerdem bin ich im Vorstand der Kreishandwerkerschaft, nehme an Obermeistertreffen teil, bin im Prüfungsausschuss Metallbau und Feinwerktechnik und vieles mehr. Der Aufwand ist hoch, es sind an die 100 Termine im Jahr, die im Schnitt vier bis fünf Stunden pro Woche kosten. Das macht 20 bis 25 Tage im Jahr, an denen ich nicht für den Betrieb da bin. Die Aufwandsentschädigung wird von den Innungsbeiträgen der Mitglieder bezahlt.
Durch unser Engagement haben wir schon eine Menge erreicht. Wir haben zum Beispiel den Berufsschultag eingeführt und 2013 die 1-jährige Berufsfachschule initiiert. Sie ist im Bildungszentrum Ellwangen untergebracht und bietet den Auszubildenden eine betriebsübergreifende, einheitliche Grundlagenausbildung in Theorie und Praxis. Die Metallbaubetriebe profitieren davon sehr, denn sie sind sehr unterschiedlich aufgestellt und oft spezialisiert, zum Beispiel auf Fassadenbau, Blechbearbeitung, Stahlbau oder Ähnliches.
Von der Arbeit der Innungen profitieren viele, auch der Landesverband, der Bundesverband und die Handwerkskammer. Da wünschen wir uns etwas mehr Unterstützung. Manchmal bleibt das Gefühl, dass wir Betriebe nur noch Beiträge zahlen. Auch sollte man kritisch hinterfragen, ob wir in Zukunft so viele Handwerkskammern brauchen. Viele Betriebe geben aus Altersgründen auf, Junge kommen selten nach. Strukturanpassungen werden sinnvoll sein.“