Vom Unternehmer zum Angestellten

Metallbaumeister Bernhard Venter

„Selbstständigkeit ist alles andere als einfach!“

Was muss vorfallen, wenn ein Metallbauunternehmer nach 20 Jahren seinen Betrieb aufgibt? Vor allem bei der aktuell ganz guten Konjunktur? Bernhard Venter hat durchaus gute Geschäfte gemacht, klagt aber vor allem über die Qualität und Motivation seiner Mitarbeiter. Die letzten Berufsjahre wird er angestellt für einen großen Metallbaubetrieb tätig sein. Als wir uns zum Interview verabreden, hängt er noch humorvoll an: „Ich fordere die 60-Stunden-Woche. Meine hatte immer 70 bis 80 Stunden.“ Vielleicht hat er künftig pünktlich Feierabend?!

metallbau: Vor reichlich 20 Jahren haben Sie Ihren Betrieb gegründet, jetzt werden Sie ihn schließen. Was sind Ihre Beweggründe?

Bernhard Venter: Fachkräftemangel, viel Pech mit den Mitarbeitern, Abwerbung durch die Industrie, oftmals schwierige Azubis, niemals Feierabend, der zerplatzte Traum von einem Nachfolger, hohe Lohnnebenkosten — sicher ist es von allem etwas — multikausal eben, wie man so schön sagt.

metallbau: Das sieht nach großer Enttäuschung aus!

Venter: Ja, die ist es. Als ich mich 1998 selbstständig gemacht habe, war ich 35 Jahre alt, hatte Stahlbauer bei der MAN gelernt, war Schweißfachmann, Metallbaumeister und hatte Berufserfahrungen in einer kleinen Schlosserei und bei einem größeren Wintergartenbauer gesammelt. Damals war meine Vorstellung, dass ein eigener Betrieb wie eine große Familie und eine eingeschworene Gemeinschaft funktioniert. Mit viel Spaß an der Arbeit und gemeinsamen Idealen. Meine Mitarbeiter haben das leider anders gesehen.

metallbau: Ihre Vorstellung von einer Belegschaft klingt eigentlich vielversprechend. Wo steckte das Problem?

Venter: Viele haben nur ihren Lohn gesehen und wollten einen geregelten Feierabend. Aber das geht im Handwerk nicht immer. Eine Baustelle muss zu Ende gemacht werden, wir sind abhängig vom Wetter und in Spitzenzeiten fallen Überstunden an. Dafür ist die Arbeit abwechslungsreich, anspruchsvoll und verlangt Verantwortung.

metallbau: Gab es denn wirklich so wenig Begeisterung fürs Handwerk? Könnten Sie uns dies bitte an einem konkreten Beispiel erläutern?.

Venter: In den vergangenen 20 Jahren hatte ich über 100 Mitarbeiter. Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich hatte Mitarbeiter, die noch während der Arbeitszeit in die Kneipe gegangen sind, anschließend ohne Führerschein das Firmenauto gegen ein Brückengeländer gesetzt haben und Fahrerflucht begingen. Mir wurden vom Arbeitsamt Bewerber geschickt, die angeblich Schlosser waren. Im Bewerbungsgespräch erzählte mir einer, er hätte früher geschweißt, er hatte aber mit Holz gearbeitet. Ein anderer war geschätzte 29 Jahre und gab an, schon 17 Jahre als Schlosser gearbeitet und zuvor 10 Jahre Ziegen gehütet zu haben. Zeugnisse konnten sie nie beibringen. Und die meisten sagten mir offen, dass sie sowieso nicht arbeiten wollten. Leiharbeiter waren leider auch keine Alternative.

metallbau: Wen haben Sie dann beschäftigt?

Venter: Bei mir waren sowohl Facharbeiter als auch ungelernte Kräfte. Auch Schreiner habe ich beschäftigt, weil die zum Alubau besser passen als Schlosser. Ich habe nie gesagt, dass ich immer top ausgebildete Metallbauer brauche. Wenn jemand motiviert war, wurde er angelernt und weitergebildet.

metallbau: Ihr Betrieb liegt in der Pfalz, in Obersülzen. Wie haben Sie angefangen? Was wurde produziert?

Venter: Die Werkstatt war von Anfang an gemietet und ist nur etwa 100 Quadratmeter groß, weitere 50 Quadratmeter sind für Büro- und Sozialräume. Das Materiallager befand sich im großen Hof. Die nötige Grundausstattung war da, was fehlte, waren eine große Abkantbank und Blechbearbeitungsmaschinen. Bei Bedarf habe ich daher bestimmte Arbeiten außer Haus gegeben. Anfangs haben wir in großer Zahl und hauptsächlich Wintergärten gebaut, auch mal eine Treppe, Edelstahlgeländer oder Haustüren. Zwangsläufig kam die Montage von Markisen, Rollläden und Jalousien dazu, auch mit Steuerungen.

metallbau: Wintergärten werden derzeit nicht mehr stark nachgefragt. Was steht heute im Fokus?

Venter: Jahrelang habe ich mich mit Sonderkonstruktionen über Wasser gehalten. Zum Beispiel überdimensionierte Hebeschiebetüren gebaut und dafür eigene Beschläge entwickelt. Oder Kunststofffenster, Ganzglasanlagen und Horizontal-Schiebeanlagen montiert. Auch eine größere Stahlhalle haben wir gebaut.

metallbau: Und das alles auf 100 Quadratmetern?

Venter: Ja, das war machbar. Notfalls haben wir im Hof montiert oder in einer befreundeten Werkstatt. Für einen größeren Maschinenpark mit größerer Halle war das Kapital einfach nie da. Ursprünglich hatte ich den Betrieb mit einem Partner gegründet, der leider relativ schnell das Handtuch geworfen hat. Damit war auch der Finanzplan begraben.

metallbau: Nochmal zum Fachkräftenachwuchs. Haben Sie auch ausgebildet?

Venter: Ja, ich habe insgesamt sechs Lehrlinge ausgebildet. Aber auch hier war es nicht einfach. Ich hatte einen Azubi, der brach viermal in die Werkstatt ein, ein anderer kam mit abgebrochener Lehre aus einem anderen Betrieb. Aber nach drei Monaten schwänzte er wieder die Schule und dann habe ich mich von ihm getrennt. Sogar ein Mädchen lernte hier Metallbauer. Irgendwann sollte sie auf eine Leiter steigen und einen Obentürschließer einstellen. Da erklärte sie mir, dass sie auf keine Leiter und kein Gerüst steigt. Und weil ich mich von diesen Lehrlingen getrennt habe, drohte mir die Handwerkskammer mit dem Entzug der Ausbildungsberechtigung. Seit der Zeit habe ich keinen Azubi mehr genommen. Ich muss das nicht machen.

metallbau: Was sollte sich ändern, damit die Situation besser wird?

Venter: In der Schule sollte man ein praktisches Jahr einführen, damit sich die jungen Leute in der Berufswelt besser orientieren können. Früher haben sich bei uns Jungs beworben, haben ein paar Tage reingeschnuppert. Das gibt es schon lange nicht mehr. Viele wollen nicht mehr ins Handwerk, weil sie falsche Vorstellungen haben. Und theoretisch angelegte Berufsberatung ist auch nicht immer zielführend. Aufklären und mal richtig arbeiten lassen, das halte ich für wichtig.

metallbau: Sie erwähnten, dass auch Leiharbeiter für Sie keine Lösung waren. Warum?

Venter: Leiharbeiter brauchten wir in Spitzenzeiten, also vor allem in der warmen Jahreszeit. Es gab Zeiten, da hatte ich acht eigene Mitarbeiter und 15 Leiharbeiter. Aber das war nichts auf Dauer. Ich habe 10 bis 15 Leiharbeitsfirmen ausprobiert, die immer nur Spitzenfachkräfte anpriesen. Viele hatten nichts gelernt oder bisher nur Hilfsjobs gemacht. Die konnte ich logischerweise nicht als Schweißer einsetzen.

metallbau: Wie schätzen Sie die Abwerbung von Fachkräften durch die Industrie ein?

Venter: Das war bei mir erst in der letzten Zeit ein Thema. Klar gingen früher auch mal Leute fort, entweder waren sie sehr fit und machten sich selbstständig oder hatten keine Lust mehr und wurden Briefträger. Fakt ist, dass in der Industrie ganz andere Löhne gezahlt werden. Und das lockt verständlicherweise.

metallbau: Würde die Lust am Handwerk steigen, wenn es höhere Löhne gäbe?

Venter: Nein, das glaube ich nicht. Das muss man anders hinbekommen. Vielleicht über eine andere Form der Motivation.

metallbau: Heißt das für Sie, der Markt ist für das Handwerk leergefegt?

Venter: Das muss man wohl so sehen. Der Nachwuchs ist jedenfalls alles andere als gut ausgebildet. Ich habe sogar mal einen Jahrgangsbesten eingestellt, der von der Handwerkskammer Bad Dürkheim ausgezeichnet wurde. Aber er hatte solche Wissenslücken, dass ich mich fragte, wie man damit überhaupt eine Prüfung bestehen kann. Er kannte kein Dornmaß, kein Abstandsmaß und wusste nicht, welchen Bohrerdurchmesser er für ein M4-Gewinde braucht.

metallbau: Waren all diese Erfahrungen eine Ansammlung von persönlichem Pech?

Venter: Ich weiß es nicht. Denn ich hatte auch treue und gute Mitarbeiter, die viele Jahre da waren. Und im Winter habe ich niemanden in Kurzarbeit geschickt, sondern immer geschaut, dass Arbeit zum Überwintern da war.

metallbau: Hätte es für Ihren Betrieb keinen Nachfolger
gegeben?

Venter: Nein. Eigentlich gab es einen Kandidaten, aber der ist dann nach vielen Jahren in die Industrie gegangen. Ich bin jetzt 55 Jahre und habe keine Ambitionen mehr, nochmal jemand aufzubauen.

metallbau: Welche Optionen kamen für Sie noch in Betracht?

Venter: Ein Stahlbauunternehmen wollte mich haben, da hätte ich aber eine Abteilung aufbauen sollen, quasi von vorn anfangen müssen und wieder Leute ausbilden. Die nächste Option wäre gewesen, mich selbst zu verleihen, da ich für viele Metallbauer den Glasbau gemacht und für einen Rollladenbauer sämtliche Wintergartenmarkisen montiert und repariert habe. Oder ich hätte eventuell als Verkaufsaußendienst bei einem Aluminiumprofilhersteller oder im Stahlhandel arbeiten können. Es gab viele Optionen.

metallbau: Wie sieht nun Ihre berufliche Zukunft aus, für welches Angebot haben Sie sich entschieden?

Venter: Seit Juni 2019 arbeite ich als Projektleiter im Metallbau bei Metall und Glas in Bingen. Ich mache Aufmaße, fertige Zeichnungen und überwache mit zwei Kollegen die Fertigung. Die Projekte sind sehr designorientiert und individuell, die Arbeit wird also anspruchsvoll und abwechslungsreich sein. Da freue ich mich schon drauf. In Obersülzen werde ich meinen Betrieb im Sommer schließen, die Firma Venter wird es aber weiterhin geben. Das ist auch eine gewisse Sicherheit, es kann immer mal was schiefgehen. Schließlich bekomme ich kein Arbeitslosengeld. Den Maschinenpark werde ich aufgeben und nur eine kleine Ausstattung behalten. So kann ich Bestandskunden bedienen, die zum Beispiel Fenster- oder Türenservice anfragen. Das habe ich mit meinem neuen Chef bereits abgeklärt.

metallbau: Unterm Strich: War es als Unternehmer eine gute oder eine schlechte Zeit?

Venter: Naja, die Jahre haben mich geprägt. Ich habe vor 17 Jahren das letzte Mal Urlaub gemacht, zwischen Weihnachten und Neujahr war die Buchführung dran. Meine erste Ehe ist dabei kaputtgegangen und meine Tochter habe ich nicht aufwachsen sehen. Trotzdem — wäre alles schlecht gewesen, hätte ich es nicht gemacht. Und wäre ich nicht selbstständig gewesen, hätte ich meine jetzige Frau nicht kennengelernt. Also unterm Strich war es dann doch gut!

Info + Kontakte

Metallbau Venter
Grünstadter Straße 12
67271 Obersülzen
Tel. 06359 960 815
bmventer@icloud.com

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