Walter Gürtner von Neumayr
„Corona ändert die Welt!“Das Unternehmen Neumayr im niederbayerischen Eggenfelden beschäftigt rund 150 Mitarbeiter und hat im Jahr 2019 rund 25 Mio. Euro erwirtschaftet. Wir haben am 23. März mit dem Geschäftsführer Walter Gürtner gesprochen, inwiefern sich die Corona-Krise in der Branche des Fassadenbaus bemerkbar macht.
metallbau: Wurden bei Neumayr durch die Cornona-Krise Aufträge storniert oder sind Umsätze verloren gegangen?
Walter Gürtner: Nein, bis jetzt läuft der Auftragseingang sehr zufriedenstellend. Wir haben auch keine Probleme mit der Materialbeschaffung, können uns auf die Zulieferer verlassen. Allein durch die eingeschränkte Reisefreiheit fehlen uns auf den Baustellen rund 20 Prozent der Monteure. Auch wenn wir diesen Ausfall kompensieren können, sehe ich in diesem Bereich einen gewaltigen Störfaktor, mit dem nicht nur die Metallbaubranche klarkommen muss, sondern alle Baubeteiligten. Es tritt automatisch eine Entschleunigung ein. Dass ein Auftraggeber eine Baustelle geschlossen hätte, habe ich bislang nicht erlebt.
metallbau: Inwiefern hat sich die Normalität im Betrieb durch die Corona-Krise verändert? Welche Maßnahmen wurden getroffen?
Gürtner: Die Mitarbeiter verhalten sich größtenteils diszipliniert. Klar geht bei uns keiner mehr auf die Baustelle, der nicht muss. Wir sparen bis zu einer Million Kilometer im Jahr, das werden wir auch nach der Corona-Krise so beibehalten – digitale Kommunikationsmittel ermöglichen das. Persönliche Kontakte zu Zulieferern und Kunden vor Ort gibt es aktuell keine mehr. Kontakte zu den Außendienstmitarbeitern der Zulieferer halten wir über Videokonferenzen. Auch zwischen Montage und Büro wurde eine Barriere gezogen. Damit wir in der Firma den vorgegebenen Abstand von 1,5 m einhalten, sind wir für Meetings in größere Konferenzräume umgezogen. Übertrieben wird bei uns nichts. Homeoffice für das Technische Büro ist bei uns nicht möglich, die Arbeitsprozesse sind zu stark auf das Miteinander ausgelegt. Aktuell machen viele Techniker Überstunden, es geht eher darum, das Zuhause ins Büro zu verlagern.
metallbau: Die Corona-Krise ist nicht die erste unternehmerische Herausforderung für Neumayr?!
Gürtner: Ich habe mit meiner Belegschaft in den letzten 20 Jahren zwei Krisen erfolgreich gemeistert. Unser Miteinander basiert auf Gottvertrauen. Unser Motto ist Glaube, Liebe, Hoffnung —natürlich auf das Unternehmen und unsere Produkte bezogen. Meine Mitarbeiter sind es gewohnt, auf den Betrieb aufzupassen und sind in der Regel voll motiviert. Es wird auch bei härteren Maßnahmen wie Kurzarbeit, Stempeln oder beim Auflösen von Überstundenkonten keine Probleme geben. Wir machen das immer gemeinschaftlich und im Interesse der Mitarbeiter. Gut ist so eine Situation nicht, aber die Leute kennen das Vorgehen bereits und können damit umgehen. Es ist eine Frage des Vertrauens.
metallbau: Was ist im Fall der Fälle, wenn Sie Ihren Betrieb für ein paar Wochen komplett schließen müssen, wie inzwischen Ihre Unternehmerkollegen in Italien?
Gürtner: Sechs bis acht Wochen würden wir das finanziell durchstehen, aber das würde ich gar nicht ausreizen. Wir würden 14 Tage lang Überstunden abbauen und dann würden meine Mitarbeiter mit Wiedereinstellungsgarantie stempeln. Das hat sich als sicheres, langfristiges Krisenmanagement bewährt.
metallbau: Welche Betriebsstrategie werden Sie in den nächsten zwei Monaten fahren?
Gürtner: Wir haben durchgehend die Losung ausgegeben, soviel Arbeit wie möglich ins Haus zu holen, um reagieren zu können. Neue Aufträge sollen gestartet werden, wie wenn nichts passiert ist. Falls wir in unseren Werken produzieren können und dann alles auf Halde stellen müssen, haben wir trotzdem schon 80 Prozent geleistet. Die angestauten Montagearbeiten holen wir dann zeitlich wieder auf. Prinzipiell gilt: An uns soll es nicht liegen, wenn sich Bauvorhaben verzögern.
metallbau: Was halten Sie von den Staatshilfen wie Kurzarbeitergeld und schnelle KfW-Kredite für die Liquidität?
Gürtner: Wir wollen nicht bei den Banken vorstellig werden und uns um Notkredite für die Finanzierung der Aufträge kümmern müssen. Wir treten an unsere Kunden heran und versuchen über Vorauskassen gegen Bürgschaften die Liquidität frühzeitig zu holen. Jeder sollte zuerst im Betrieb alle Möglichkeiten ausloten, bevor man gleich um Hilfe bittet.
metallbau: Die noch neuen Unternehmenstöchter Hackenbuchner und GÜWA bescheren in der Zeit der Übernahme zunächst Aufwand, wie funktioniert das neben dem Krisenmanagement für den Unternehmensmittelpunkt Neumayr?
Gürtner: Mit dem Kauf von Hackenbuchner Ende 2019 haben wir 45 Mitarbeiter übernommen, inzwischen ist das Unternehmen integriert und läuft als weitere Produktionsstätte. Die jüngste Tochter GÜWA macht natürlich Probleme, weil wir derzeit auf dem chinesischen Markt keine Aufträge akquirieren können. Da haben wir Leerlauf, den wir mit Musterkollektionen und Marketing füllen. Zwei Mitarbeiter im gewerblichen Bereich arbeiten auf einer unserer Baustellen im Stuttgarter Raum und werden dort weitergebildet.
metallbau: Zwei Unternehmenseinkäufe innerhalb weniger Monate, haben Sie sich gezielt nach Zukäufen umgeschaut?
Gürtner: Nein, der Erwerb von Hackenbuchner in St. Georgen war eher zufällig. Wir wurden von der Insolvenz im Oktober 2019 überrascht und hatten nur ein kurzes Zeitfenster für den Kauf. Unser Einstieg in eine Holz-Aluminium-Produktion war allerdings schon länger im Gespräch. GÜWA sollte für ein Großprojekt in China die Türfüllungen liefern und wir waren uns schon handelseinig. Auch dort wurden wir von einer Insolvenz überrascht und haben kurzfristig das Unternehmen übernommen. Wir brauchen es, um unsere Position auf dem chinesischen Markt auszubauen, was momentan etwas schwierig ist.
metallbau: Im Jahr 2017 hat Ihr Unternehmen in China mit acht Mitarbeitern einen Umsatz von zwei Mio. Euro erwirtschaftet, wo stehen Sie heute? Inwiefern sind Ihre Geschäfte dort von der Corona-Krise betroffen?
Gürtner: Die Umsätze werden verschoben, aber die 2 Mio. werden wir auch dieses Jahr machen. Prognostiziert hatten wir aber 5 Mio. Euro, die verschieben sich eben. Aktuell ruhen die Baustellen dort, für unsere Privatkunden ist das kein Problem. In China ist durch die Corona-Krise für Folgeobjekte ein Jahr verloren gegangen. Viele Chinesen haben das Land längst verlassen und verfolgen die Projekte nur noch am Rande. Das ist ein Rendite-Problem für Neumayr. Aber wir kalkulieren nicht mit diesen Renditen. Kommen sie, ist es schön – falls nicht – haben wir auch kein Problem.
metallbau: Warum meinen Sie, dass die Welt nach Corona nicht mehr so werden wird, wie sie davor war?
Gürtner: Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns alle überrascht. Die positiven Erfahrungen mit der digitalen Kommunikation werden die Art des Kontaktes auch künftig verändern. Bei den Außendienstbesuchen prüfen wir gerade, ob jeder Besuch wirklich sinnvoll ist oder ob er auch in Zukunft durch Bildtelefonie ersetzt werden könnte. Bei solchen Veränderungen lassen sich auch bei den Lieferanten unzählige Millionen an Kilometern sparen. Schließlich sollten wir die Vorteile der Corona-Krise für den Umweltschutz soweit möglich bewahren. Was die Politik betrifft, gehe ich davon aus, dass Existenzängste der Bürger das Thema Klimawandel zurückdrängen werden. Das größte politische Problem sehe ich im Rückfall in Nationalstaaten. Österreich, Ungarn, Polen und die Slowakai werden heute schon national regiert. Sollte Italien, Frankreich oder Spanien folgen, wäre das das Ende von Europa, wenn das Ende nicht schon da ist.